Entscheidungsstichwort (Thema)

EuGH-Vorlage: Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für ein Multifunktionsgerät mit Kamera- und Videofunktion (sog. Action-Cams)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1249/2011 der Kommission vom 29.11.2011 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 319/39) auf die Produkte, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind (multifunktionale Action-Cams), entsprechend anwendbar und ggf. gültig?

2. Ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 876/2014 der Kommission vom 08.08.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 240/12) auf die Produkte, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind, entsprechend anwendbar und ggf. gültig?

3. Sind die Erläuterungen der Kommission zu der Unterposition 8525 8030 und den Unterpositionen 8525 8091 und 8525 8099 KN (ABl. EU 2015 C 76/1) in der Weise auszulegen, dass eine Aufnahme von mindestens 30 Minuten einer einzelnen Videosequenz auch dann gegeben ist, wenn die Videosequenz in getrennten Dateien mit einer Dauer von jeweils weniger als 30 Minuten aufgezeichnet wird, sofern der Betrachter beim Abspielen der Aufzeichnung den Wechsel zwischen den Dateien nicht wahrnehmen kann?

4. Steht der Einreihung von Videokameraaufnahmegeräten, die Signale externer Quellen aufzeichnen können, in die Unterposition 8525 8099 KN entgegen, dass sie diese Signale nicht über ein externes Fernsehempfangsgerät oder einen externen Monitor wiedergeben können?

 

Normenkette

EUDVO 1249/2011; EUDVO 876/2014; KN Unterposition 8525 8030; KN Unterposition 8525 8091; KN Unterposition 8525 8099

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 22.03.2017; Aktenzeichen C-435/15, C-666/15)

EuGH (Urteil vom 22.03.2017; Aktenzeichen C-435/15)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die zolltarifliche Einreihung sog. Action-Kameras.

Die Klägerin führt u.a. Kameras des Herstellers X ins Zollgebiet der Union ein. Bei diesen sog. Action-Kameras handelt es sich um batteriebetriebene elektronische Geräte mit Funktionen eines digitalen Fotoapparates und eines Videokameraaufnahmegerätes, die insbesondere zur Dokumentation von Sport- und Freizeitaktivitäten geeignet sind.

Unter dem 05.12.2012 beantragte die Klägerin für die fünf Kameramodelle der Modellreihe Y Modell-1, Modell-2, Modell-3, Modell-3 A und Modell-3 B je eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) und schlug die Einreihung in die TARIC-Nr. 8525 8091 90 vor. Die Modelle Modell-1, Modell-2 und Modell-3 unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die optische Qualität (Linse, Aufnahmewinkel) und die Foto- und Videofunktionen. Die Varianten des Modell-3 (B und A) unterscheiden sich vom Grundmodell nur im Hinblick auf das mitgelieferte Befestigungszubehör.

Der Beklagte reihte die fünf Kameras mit den folgenden vZTAen vom 21.01.2013 in die TARIC-Warencode-Nr. 8525 8099 00 ein:

vZTA DE-1: Y Modell-1,

vZTA DE-2: Y Modell-2,

vZTA DE-3: Y Modell-3,

vZTA DE-4: Y Modell-3 A,

vZTA DE-5: Y Modell-3 B.

Es handele sich jeweils um multifunktionale digitale Videokameraaufnahmegeräte. Die Speicherung und Wiedergabe von Videos mit einer maximalen Auflösung von 1.920 x 1.080 Pixel bzw. 2.716 x 1.524 Pixel bei 30 Bildern pro Sekunde für mehr als 30 Minuten sei die kennzeichnende Haupttätigkeit.

Gegen diese vZTAe legte die Klägerin am 22.02.2013 Einspruch ein und begehrte nunmehr die Einreihung in die TARIC-Warencode-Nr. 8525 8030 00 (digitale Fotoapparate). Zur Begründung verwies sie u. a. auf das Gutachten zur zolltariflichen Einreihung der Kameras X Y von Prof. Dr.-Ing. C von der Technischen Universität D vom 10.04.2013 (Gutachten C, Anlage 28 zur Klagschrift). Für die Kameramodelle Modell-2 und Modell-1 half die Beklagte den Einsprüchen der Klägerin ab und erließ am 21.11.2013 die vZTAe DE …7/…-1 und DE …1/…-1, mit denen diese Kameras als digitale Fotoapparate in die TARIC-Warencode-Nr. 8525 8030 00 eingereiht wurden. Da diese Entscheidungen von der unzutreffenden Annahme ausgingen, dass diese Modelle Videosequenzen nur mit einer Auflösung von 800 x 480 Pixel aufnehmen könnten, wurden sie in der Folge widerrufen.

Die drei Kameras des Modell-3 (im Folgenden: streitgegenständliche Kameras), die allein Gegenstand des weiteren Einspruchs- und Gerichtsverfahrens sind, weisen die folgenden Produktmerkmale auf: Sie haben einen Auslöse-/Auswahlknopf, einen Einschalt-/Modus-Schalter, eine LCD-Statusanzeige, jedoch kein Sucherdisplay. Sie verfügen über ein Objektiv mit Festbrennweite und Aufnahmewinkeln von 150 Grad, 127 Grad und 90 Grad. Die mit der Linse und einem eingebauten Mikrofon eingefangenen Ton- und Bildinformationen werden im MP4 H.264-Dateiformat auf einer austauschbaren Speicherkarte gespeichert. Die Kameras haben keinen fest installierten internen Speicher, auf dem Bild- und Toninformationen aufgenommen werden können. Die Software der Kameras kodiert die aufgenommenen Daten in einer Weise, dass eine Unterscheidung der durch die Kameras erzeugten MP4 H.264-Dateien von aus anderen Quellen...

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