Entscheidungsstichwort (Thema)

Uneinbringlichwerden von Forderungen gegen ein anderes Konzernunternehmen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieses anderen Konzernunternehmens und Unterlassen einer Aufrechnung mit gegenüber dem insolventen Unternehmen bestehenden Verbindlichkeiten aus nichtsteuerlichen Gründen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen eines Konzernunternehmens gegen ein anderes Konzernunternehmen werden spätestens in dem Augenblick uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, in dem über das Vermögen dieses anderen Konzernunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das gilt auch dann, wenn das Unternehmen, das die Lieferungen bzw. Leistungen erbracht hat, zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistungsempfängers diesem gegenüber auch Verbindlichkeiten hat und die Forderungen mit diesen Verbindlichkeiten aufrechnen könnte, tatsächlich aber aus außersteuerlichen unternehmerischen Gründen die Aufrechnung nicht erklärt (im Streitfall: Unterbleiben einer Aufrechnungserklärung zur Vermeidung einer Insolvenz der operativen Einheit, zur Sicherung des Standorts und zur Erhaltung der Unternehmensgruppe für einen angestrebten Verkauf an einen neuen Investor).

2. Das bloße Bestehen einer Aufrechnungslage steht der Uneinbringlichkeit jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger der Forderung auf Zahlung des Entgelts nicht damit rechnen muss, dass eine Gegenforderung des Schuldners besteht und beide Forderungen in geraumer Zeit durch Aufrechnung erfüllt werden. Ob dies der Fall ist, ist im Wesentlichen eine Tatfrage.

 

Normenkette

UStG 2002 § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, Abs. 1; BGB §§ 387, 388 S. 1, § 389; MwStSystRL Art. 90; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.02.2019; Aktenzeichen XI R 19/16)

BFH (Urteil vom 13.02.2019; Aktenzeichen XI R 19/16)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Bescheides über Umsatzsteuer für 2010 vom 4. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2013 wird die Umsatzsteuer für 2010 um 566.966,27 EUR niedriger auf minus 162.468,08 Euro festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in […], deren Unternehmensgegenstand die Erbringung von – nicht erlaubnispflichtigen – Dienstleistungen jeglicher Art für Unternehmen der […]-Gruppe und Dritte ist (insbesondere in den Bereichen […] sowie die Herstellung von […] und die Entwicklung neuer diesbezüglicher Produktionsverfahren sowie der Betrieb einer Lehrwerkstatt, vgl. Bl. 59). Die Klägerin firmiert durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom […], eingetragen im Handelsregister am […], unter dem Namen X-GmbH (Bl. 56 ff.). Vorher firmierte sie unter dem Namen Y-GmbH und hatte ihren Sitz in […]. Hauptauftraggeber der Klägerin war die Z-GmbH (Z), eine Schwestergesellschaft der Muttergesellschaft der Klägerin, an die sie umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbrachte. Die Klägerin berechnet ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Am […] stellte Z Insolvenzantrag, worauf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Z im Folgejahr eröffnet wurde. Am […] wurde die […] Ltd. (L) neuer Eigentümer einzelner Gesellschaften der […]-Gruppe (USt Bl. 91); u.a. erwarb L auch Z im Wege eines sog. Asset-Deals.

Am 27. Juli 2011 gab die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2010 ab. Hiernach minderte sie ihre Umsätze zum Regelsteuersatz von 1.603.657 EUR auf minus 795.609 EUR. Die Klägerin war der Auffassung, wegen der Ausbuchung von Forderungen gegenüber der Z in Höhe von 4.026.407,74 EUR (3.383.535,93 EUR Entgelt zzgl. 642.871,82 EUR USt.) im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag liege eine Änderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG vor.

Im September 2011 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Januar 2010 bis April 2011 statt. In seinem Bericht vom 4. Dezember 2011 (Bl. 21 ff.) stellte der Prüfer u.a. fest, dass zum Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Z ausweislich verschiedener Kreditoren- bzw. Sachkonten Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen der Klägerin gegenüber der Z in Höhe von 1.767.320,63 EUR sowie Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Z in Höhe von 2.527.511,73 EUR bestanden. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass keine die Korrektur rechtfertigende „Uneinbringlichkeit” im Sinne des § 17 UStG vorgelegen habe. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung habe eine Aufrechnungslage nach § 387 BGB bestanden, denn Z habe ihrerseits Forderungen gegen die Klägerin gehabt. Die den eigenen Forderungen entgegenstehenden Ford...

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