Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschaler Vorsteuerabzug nur für lohnsteuerliche "Dienstreisen" der Arbeitnehmer. Berechtigung des Finanzamtes zur Bescheidänderung aufgrund neuer Tatsache. Verbösernde Einspruchsentscheidung nach Ablauf der normalen Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der pauschale Vorsteuerabzug nach § 37 UStDV bei Dienstreisen der Arbeitnehmer ist nur bei Erstattungen des Unternehmers für Dienstreisen im lohnsteuerlichen Sinn möglich. Mangels Erfüllung des lohnsteuerlichen Dienstreisebegriffs berechtigt daher der von einer Arbeitnehmerüberlassungsfirma ihren Beschäftigten (in den Jahren 1989 und 1990) gezahlte Kostenersatz für Verpflegungsmehraufwand anlässlich von Einsatzwechseltätigkeiten und doppelter Haushaltsführung nicht zum pauschalen Vorsteuerabzug.

2. Hat der Steuerberater des Unternehmens die Kosten, für die er zu Unrecht § 37 UStDV angewendet hat, auf einem eigenen Konto "Reisekosten Arbeitnehmer" , verbunden mit der Angabe des in Streitjahren gültigen Prozentsatzes in § 37 Abs.1 UStDV, verbucht, so muss sich dem FA aus diesen Angaben nicht der Schluss auf eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung des § 37 UStDV und damit die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen aufdrängen. Es darf also den zunächst erklärungsgemäß erlassenen und bestandskräftig gewordenen Umsteuersteuerbescheid aufgrund einer neuen Tatsache nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO 1977 ändern, wenn im Rahmen einer späteren Lohnsteuerprüfung die zu Unrecht erfolgte Beanpruchung des pauschalen Vorsteuerabzugs festgestellt wird. Hieran ist es weder aufgrund eines Ermittlungsfehlers noch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert.

3. Hat der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist Einspruch eingelegt, ist das FA aufgrund der Ablaufhemmung in § 171 Abs.3 AO 1977 im Rahmen der nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ergangenen Einspruchsentscheidung nicht zu einer Steuererhöhung (Verböserung) berechtigt.

 

Normenkette

UStDV § 37 Abs. 1 S. 1, § 38 S. 1, § 36; UStG 1980 § 15 Abs. 5 Nr. 4; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; LStR 1987 Abschn. 24 Abs. 4 Nr. 3, Abschn. 25 Abs. 2; BGB § 242; AO 1977 § 171 Abs. 3 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer (USt)-Veranlagung der Jahre 1989 und 1990, ob für Aufwendungen des Arbeitgebers für Einsatzwechseltätigkeit seiner Arbeitnehmer ein pauschaler Vorsteuerabzug gemäß §§ 36, 37 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgenommen werden kann sowie, ob der Beklagte (Bekl) die bestandskräftigen USt-Bescheide für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen ändern durfte oder einer Änderung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht.

Die Klägerin (Klin) betreibt seit ihrer Gründung 1989 .... Die Klin nahm in ihren Umsatzsteuererklärungen 1989 vom 29.5.1990 sowie 1990 vom 14.6.1991 für von ihr selbst als „Reisekosten” qualifizierte, ihren Arbeitnehmer ersetzte Aufwendungen einen pauschalen Vorsteuerabzug gemäß §§ 36, 37 UStDV in Anspruch. Die Bilanzen 1989 und 1990 wurden laut Testat im April/Mai 1990 und 1991 erstellt und enthielten hierzu in den beigefügten Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung unter „sonstige betriebliche Aufwendungen” unter Konto 4667 den erklärenden Zusatz „Reisekosten Arbeitnehmer 9,2%”. Für 1989 wies das Konto 4667 einen Betrag in Höhe von ... DM und 1990 einen Betrag in Höhe von ... DM aus. Konto 4660 mit der Bezeichnung „Reisekosten Arbeitnehmer” wies 1989 einen Betrag in Höhe von ... DM und 1990 einen Betrag in Höhe von ... DM aus. Die USt-Festsetzungen erfolgten zunächst erklärungsgemäß; die USt-Bescheide 1989 vom 5.9.1990 und für 1990 vom 14.11.1991 wurden bestandskräftig. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung (LSt-Ap) bei der Klin wurde 1994 bekannt, daß die in den Gewinn- und Verlustrechnungen als „Reisekosten Arbeitnehmer” bezeichneten Konten, von denen die Klin die pauschale USt berechnet hatte, im wesentlichen Zahlungen enthielten, die die Klin ihren Arbeitnehmern anläßlich einer Einsatzwechseltätigkeit oder anläßlich einer doppelten Haushaltsführung im Sinne der LSt-Richtlinien (LStR) bezahlt hatte. Daraufhin ergingen für das Streitjahre 1989 am 21.12.1994 und für das Streitjahr 1990 am 20.4.1995 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Änderungsbescheide. Die Vorsteuern wurden für 1989 um ... DM und für 1990 um ... DM gekürzt.

Mit Einspruch gegen die Änderungsbescheide machte die Klin geltend, ein pauschaler Vorsteuerabzug gemäß §§ 36, 37 UStDV sei auch bei Einsatzwechseltätigkeit oder doppelter Haushaltsführung möglich. Die §§ 36, 37 UStDV stellten nicht auf bestimmte Begriffe ab, sondern ließen allgemein die Kosten, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ersetze, für einen pauschalen Vorsteuerabzug zu. § 38 UStDV normiere, daß die in §§ 36, 37 UStDV verwendeten Begriffe Geschäftsreise und Dienstreise nach den für die Einkommensteuer (ESt) geltenden Merkmalen abzugrenzen seien. § 38 Satz 2 UStDV erweitere den Begriff der Dienstreise um den Begrif...

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