Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der BFH-Rechtsprechung zum Erwerb in Abbruchabsicht auch bei unentgeltlicher Übertragung eines Mitunternehmeranteils mit einem im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Grundstück. Anwendung und Gesetzeszweck von § 6 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Lässt der Erwerber eines objektiv technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes dieses nach dem Erwerb abreißen, so kann er eine AfaA nach § 7 Abs. 4 Satz 3 EStG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG (früher § 7 Abs. 1 Satz 4) vornehmen und die Abbruchkosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehen, wenn er das Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben hat. Hat er dagegen ein solches Gebäude in Abbruchabsicht angeschafft, so gehören der (Buch-)Wert und die Abbruchkosten, wenn der Abbruch des Gebäudes mit der Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang steht, zu den Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts (Anschluss an BFH, Beschluss v. 12.6.1978, GrS 1/77, BStBl 1978 II S. 620).

2. Diese vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht finden auch Anwendung, wenn ein ausscheidender Mitunternehmer, der ein Grundstück im Sonderbetriebsvermögen hält, dieses Grundstück und seinen Gesellschaftsanteil auf den einzigen anderen Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft unentgeltlich überträgt, letzterer den Betrieb als Einzelunternehmen fortführt und das auf dem Grundstück befindliche Gebäude gemäß seiner schon beim unentgeltlichen Erwerb bestehenden Absicht abreißt, um darauf ein neues Gebäude für den fortbestehenden Betrieb zu errichten. Die von dem nunmehrigen Einzelunternehmer begehrte Rechtsfolge des sofortigen Betriebsausgabenabzugs (anteilige Abbruchkosten und AfaA bezüglich Restbuchwert) lässt sich insbesondere nicht aus der die Buchwertfortführung durch den unentgeltlichen Erwerber anordnenden Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG ableiten.

3. Unter § 6 Abs. 3 EStG fallen Vermögensübergänge durch Erbfall, Erbauseinandersetzung, vorweggenommene Erbfolge oder andere Schenkungen, und zwar insbesondere auch in Gestalt einer unentgeltlichen Anwachsung des Vermögens einer Mitunternehmerschaft bei deren letztem verbleibendem Gesellschafter. Der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG steht nicht entgegen, wenn der Rechtsnachfolger zur betrieblichen Einheit gehörende Verbindlichkeiten übernimmt oder wenn die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen erfolgt. § 6 Abs. 3 EStG normiert aber über die zwingende Buchwertfortführung hinaus keine Rechtsfolge, mit der sich eine „Fußstapfentheorie” im Sinne eines umfassenderen bzw. gänzlichen Eintretens des übernehmenden Mitunternehmers in die frühere einkommensteuerliche Rechtsstellung des übertragenden Mitunternehmers begründen ließe.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 5, § 5 Abs. 6, § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 7 Abs. 4 Sätze 3, 7; HGB § 255 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.05.2020; Aktenzeichen III R 17/19)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob bzw. inwieweit die durch Richterrecht geprägten Rechtsgrundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht Anwendung finden, wenn ein ausscheidender Mitunternehmer, der ein Grundstück im Sonderbetriebsvermögen hält, dieses Grundstück und seinen Gesellschaftsanteil auf den einzigen anderen Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft unentgeltlich überträgt, letzterer den Betrieb als Einzelunternehmen fortführt und das auf dem Grundstück befindliche Gebäude gemäß seiner schon beim unentgeltlichen Erwerb bestehenden Absicht abreißt, um darauf ein neues Gebäude für den fortbestehenden Betrieb zu errichten. Die Kläger haben im Streitfall den Restbuchwert des Altgebäudes und die auf das Betriebsvermögen entfallenden Abbruchkosten als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt, wohingegen das Finanzamt sie als Teil der Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes ansieht.

Der Vater des Klägers (A K) hatte das „Geschäft K” ursprünglich als Einzelunternehmen betrieben (vgl. zur Historie Gerichtsakte Bl. 77 ff.). Im Jahr 2003 nahm er den Kläger (Kl) als Mitgesellschafter der K OHG auf. Im Jahr 2011 (Streitjahr) wurde der Kläger sodann im Wege vorweggenommener Erbfolge zum alleinigen Inhaber des von ihm als Einzelunternehmen fortgeführten Geschäfts (vgl. Handelsregisterauszug, Gerichtsakte Bl. 107 ff.). In den Vorbemerkungen des notariellen Übergabevertrags vom 12. Januar 2011, auf den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird (Betriebsprüfungsakte Bl. 2 ff.), wurde unter anderem ausgeführt:

„A K und Kl sind derzeit jeweils zur Hälfte am Kapital und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt.

A K ist außerdem der alleinige Eigentümer der Immobilie … straße xx in X (Grundbuch von X Flurst.Nr. […]).

Kl ist Alleineigentümer des angrenzenden Anwesens … straße yy in X (Grundbuch von X Flurst.Nr. […]).

Es ist b...

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