Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Bezug von Waren mit Zweifeln an Lieferfähigkeit des Vorlieferers, Beweislast zur Vorsteuerabzugsberechtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Art. 2, 9, 14, 62, 63, 167, 168 und 178 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie es verwehren, einem Steuerpflichtigen unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen das Recht, die Mehrwertsteuer auf eine Lieferung von Gegenständen als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung zu versagen, diese Lieferung werde angesichts von Hinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten auf ihr vorausgehenden oder nachfolgenden Umsatzstufen als nicht tatsächlich bewirkt betrachtet, ohne dass aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder wissen musste, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführte Umsatz in eine auf einer vorausgehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 2, 9, 14, 62-63, 167-168, 178

 

Beteiligte

Bonik

Bonik EOOD

Direktor na Direktsia Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

 

Verfahrensgang

Administrativen sad Varna (Bulgarien) (Urteil vom 16.05.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 238/8)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Versagung“

In der Rechtssache C-285/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad ‐ Varna (Bulgarien) mit Entscheidung vom 16. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2011, in dem Verfahren

Bonik EOOD

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ ‐ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, T. von Danwitz und D. Šváby,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Bonik EOOD, vertreten durch O. Minchev, advokat, und M. Patchett-Joyce, Barrister,

‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. De Stefano, avvocato dello Stato,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth und L. Christie als Bevollmächtigte im Beistand von P. Moser, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2, 9, 14, 62, 63, 167, 168 und 178 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bonik EOOD (im Folgenden: Bonik) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ ‐ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Vollzugsverwaltung“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen) über das Recht, die Mehrwertsteuer auf von diesem Unternehmen getätigte Weizenkäufe als Vorsteuer abzuziehen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sieht vor, dass die Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

Rz. 5

Art. 62 dieser Richtlinie lautet:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt

(1) als ‚Steuertatbestand‘ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

(2) als ‚Steueranspruch‘ der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.“

Rz. 6

Art. 6...

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