Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Steuer auf den Umsatz von Telekommunikationsunternehmen. Progressive Steuer, die Unternehmen, deren Eigentümer natürliche oder juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten sind, stärker trifft als inländische Unternehmen. Für alle Steuerpflichtigen geltende Tarifstufen der progressiven Steuer. Neutralität der Umsatzhöhe als Unterscheidungskriterium. Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen. Staatliche Beihilfen. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Umsatzsteuern. Begriff
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 401; AEUV Art. 49, 54
Beteiligte
Vodafone Magyarország Mobil Távközlési Zrt |
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Fovárosi Közigazgatásiés Munkaügyi (Ungarn) (Beschluss vom 23.11.2017; ABl. EU 2018 Nr. C 221/2) |
Tenor
1. Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen eine progressive Umsatzsteuer eingeführt wird, deren effektive Steuerlast hauptsächlich von Unternehmen getragen wird, die unmittelbar oder mittelbar von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten oder von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat kontrolliert werden, weil dies die umsatzstärksten Unternehmen auf dem betreffenden Markt sind, nicht entgegenstehen.
2. Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er der Einführung einer Steuer, deren Bemessungsgrundlage der Gesamtumsatz des Steuerpflichtigen ist und die in regelmäßigen Abständen und nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird, ohne dass ein Recht auf Abzug der auf der vorhergehenden Stufe entrichteten Steuer besteht, nicht entgegensteht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) mit Entscheidung vom 23. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Februar 2018, in dem Verfahren
Vodafone Magyarország Mobil Távközlési Zrt.
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, P. G. Xuereb und N. Piçarra sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Vodafone Magyarország Mobil Távközlési Zrt., vertreten durch P. Jalsovszky, S. Vámosi-Nagy und G. Séra, ügyvédek, sowie durch Rechtsanwalt K. von Brocke,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und D. R. Gesztelyi als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und O. Serdula als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch R. Kanitz als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Rzotkiewicz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Bottka, W. Roels, P.-J. Loewenthal, R. Lyal und A. Armenia als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juni 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 54, 107 und 108 AEUV sowie von Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vodafone Magyarország Mobil Távközlési Zrt. (im Folgenden: Vodafone), einem im Telekommunikationssektor tätigen Unternehmen, und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn, im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) wegen der Entrichtung einer Steuer auf den Umsatz in diesem Sektor (im Folgenden: Sondersteuer).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.”
Ungarisches Recht
Rz. 4
Die Präambel des Egyes ágazatokat terhelő különadóról szóló 2010. évi XCIV. törvény (Gesetz Nr. XCIV von 2010 über die Sonder...