Leitsatz

1. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist im Weg der teleologischen Reduktion in der Weise einzuschränken, dass dem Grundstücksunternehmen die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann zu gewähren ist, wenn das überlassene Grundstück zwar dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, dieses den Grundbesitz nutzende Unternehmen jedoch mit allen seinen (positiven wie negativen) Einkünften von der GewSt befreit ist.

2. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, führt die Geringfügigkeit des überlassenen Grundbesitzes nicht dazu, dass § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG nicht anwendbar ist (Abweichung von Abschn. 60 Abs. 4 Satz 9 GewStR).

 

Normenkette

§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 5 GewStG

 

Sachverhalt

Die klagende GmbH & Co. KG verwaltete ein Einkaufszentrum, in dem sich u.a. eine Spielbank befand. Die Spielbank wurde von einer Personengesellschaft betrieben, an der P mit 10 % beteiligt war. P war zugleich Mehrheitsgesellschafter einer OHG, die unmittelbar zu 2,44 % und mittelbar als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH (Anteile 90 %) an der Klägerin beteiligt war.

Das FA verweigerte die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Grundstücksunternehmen, weil das Grundstück teilweise dem Gewerbebetrieb des P in Gestalt seiner Beteiligung an der Spielbank-KG diene.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Zwar diene das Grundstück – sei es auch nur geringfügig – dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters der Klägerin. Wenn dieser aber von der GewSt befreit sei, dürfe dies der erweiterten Kürzung nicht entgegenstehen.

Das FG müsse noch prüfen, ob alle Umsätze der Klägerin der Spielbankabgabe unterliegen und dadurch von der GewSt befreit seien.

 

Hinweis

1.§ 9 Nr. 1 GewStG soll eine Doppelbelastung von Grundstückserträgen mit GewSt und GrSt verhindern. Deshalb wird der Gewerbeertrag nach Satz 1 pauschal um einen Betrag gekürzt, der typisiert den Erträgen eines zum BV gehörenden Grundstücks entspricht.

Erzielt der Gewerbebetrieb nur Grundstückserträge, bedarf es keiner typisierten Ermittlung des Kürzungsbetrags: Alle Erträge sind zu kürzen. Dies bewirkt die sogenannte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Von dieser wird aber in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 (früher Satz 5) GewStG wieder eine Ausnahme gemacht, wenn das Grundstück einem Gesellschafter für dessen Gewerbebetrieb überlassen wird. Anderenfalls ließe sich leicht für jedes Grundstück die erweiterte Kürzung durch Einbringung in eine Personengesellschaft erreichen. Der BFH sieht als Gesellschafter übrigens auch den über eine Personengesellschaft mittelbar Beteiligten an.

2. Das Gesetz sieht in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG keine Geringfügigkeitsgrenze vor, sondern erklärt ausdrücklich auch eine teilweise gewerbliche Nutzung durch den Gesellschafter für schädlich. Der BFH lässt deshalb selbst eine ganz geringfügige gewerbliche Nutzung ausreichen. Auch die Größe des Grundstücks – absolut und relativ zum gesamten Grundstücksbestand – hält der BFH für unbedeutend. Damit weicht er von den GewSt-RL (Abschn. 60 Abs. 4 Satz 9) zum Nachteil der Unternehmen ab.

3. Da als Gewerbebetrieb des Gesellschafters wegen des Transparenzgrundsatzes auch eine Personengesellschaft angesehen wird, an der der Gesellschafter des Grundstücks beteiligt ist, ist die Überlassung an eine solche gewerbliche Einkünfte erzielende Schwestergesellschaft schädlich. Allerdings kann man sich hier fragen, ob auch eine Bagatellbeteiligung des Doppelgesellschafters schadet. Der BFH hat in seinem Urteil vom 7.4.2005, IV R 34/03 (BFH-PR 2005, 294) offen gelassen, ob eine Beteiligung von weniger als 1 % unschädlich sein könnte. Eine höhere Beteiligung ist aber jedenfalls schädlich, also auch die im Besprechungsfall bestehende Beteiligung von 10 %.

4. Die Besonderheit des Besprechungsfalls liegt darin, dass der Gewerbebetrieb der Schwesterpersonengesellschaft seinerseits gewerbesteuerbefreit war. Einer Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG zum Schutz vor einer Umgehung der GewSt-Pflicht bedarf es in einem solchen Fall nicht. Der BFH entscheidet sich deshalb dafür, die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 auch dann zu gewähren, wenn das Grundstück einem gewerbesteuerbefreiten Betrieb eines Gesellschafters dient.

Das soll allerdings nur gelten, wenn der Betrieb des Gesellschafters vollständig gewerbesteuerbefreit ist. Sollte der Betrieb des Gesellschafters auch nicht befreite Einkünfte erzielen, muss nach dem Besprechungsurteil Satz 5 des § 9 Nr. 1 GewStG angewendet werden. Es kommt dann also nicht zur erweiterten Kürzung, und zwar unabhängig vom Umfang der nicht befreiten Einkünfte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.6.2007, IV R 9/05

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