Kim Louisa Dillenberger, Anne Kowalski
Eine separate Nachhaltigkeitsstrategie oder in eine Gesamtunternehmensstrategie eingebettete Nachhaltigkeitsfaktoren bilden den zentralen Rahmen für alle Gestaltungsfaktoren des Nachhaltigkeitscontrollings. Nachhaltigkeit und damit alle Nachhaltigkeitsziele sollten dabei als Triggerpunkte verstanden werden, ökonomische Sachverhalte neu zu durchdenken, Innovationstreiber zu identifizieren und diese als Quelle für Wettbewerbsvorteile zu nutzen.
Idealerweise ist eine Nachhaltigkeitsstrategie elementarer Bestandteil einer Unternehmensstrategie oder sehr eng mit dieser verzahnt. Separat definierte und verfolgte Nachhaltigkeitsstrategien beinhalten den zentralen Nachteil, dass dieses als "separat", "optional" oder "nicht verbindlich" in Bezug auf Gesamtziele innerhalb und außerhalb des Unternehmens angesehen werden können oder die damit verbundene Umsetzung erschwert wird.
Der Startpunkt der Strategiediskussion ist mit der Frage zu setzen, welche Aspekte unter dem Gesichtspunkt der doppelten Materialität sowohl für ein Unternehmen als auch die verschiedenen Umweltdimensionen relevant sind (vgl. Abb. 13). Haben in klassischen SWOT-Analysen die Outside-In-Betrachtungen typischerweise den Fokus auf Industrien oder direkte Wettbewerber, so soll diese Perspektive an dieser Stelle den Blick auf die Triple Bottom Line legen und mit dem Blick der Investoren daraus resultierende Chancen und Risiken beleuchten (bspw. zunehmende Bedrohung von Produktionsstandorten durch klimawandelinduzierte Naturkatastrophen, zunehmende Wasserarmut in bestimmten Regionen oder zurückgehende Akzeptanz für Produkte aus bestimmten Herstellungsländern). Diese bilden dann wiederum die Basis für eine nachgelagerte Materialitätsanalyse. Die Inside-Out-Perspektive beleuchtet demgegenüber die Auswirkungen des eigenen unternehmerischen Handelns und der Wertschöpfungsaktivitäten mit den primären Adressaten der eigenen Kunden, Geschäftspartnern oder der allgemeinen Öffentlichkeit.
Abb. 13: Doppelte Materialität
Es bietet sich an, das doppelte Materialitätsprinzip von Beginn an mit einer Zusammenstellung an typischen Aufwands- und Nutzenaspekten zu verbinden, welche im Rahmen von Unternehmensstrategien diskutiert werden. Diese Zusammenstellung ist aus dem Grund essenziell, da nachhaltigkeitsorientierte Ziele in Konflikt zu ökonomischen Überlegungen gesehen werden können und die Herstellung einer Zielkomplementarität oder eine vollständige Abwägung weiterhelfen können als Diskussionsbasis in Richtung verschiedener Stakeholder-Gruppen – oder auch bei der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen.
Im Folgenden ist dargestellt, welche typischen Aufwandsaspekte mit Nachhaltigkeitsthemen in einer Unternehmensstrategie verbunden sein können und demgegenüber, welche Vorteile im Unternehmen und für die verschiedenen Umweltdimensionen zum Tragen kommen können (vgl. Abb. 14). Idealerweise verbindet man die erwarteten Vorteile mit allgemein anerkannten Nachhaltigkeitszielen, z. B. den von Vereinten Nationen definierten Sustainable Development Goals (SDGs).
Abb. 14: Betrachtung von Aufwands- / Nutzenaspekten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Die inhaltliche Ausgestaltung strategischer Nachhaltigkeitsaspekte erfolgt auf Basis von drei Rahmenfaktoren sowie einem inhaltlichen Gestaltungsrahmen, welcher vier Einzelthemen umfasst. Als Rahmen sind bei der Strategiedefinition zu berücksichtigen:
- Welches ist das unternehmerische Ambitionsniveau in Bezug auf zu formulierende Nachhaltigkeitsziele? Der hierin definierte Selbstanspruch folgt typischerweise einem Reifegradmodell, welches im Kapitel 4.1 näher erläutert wird. Im Wesentlichen ist dabei der Anspruch zwischen der reinen Erfüllung regulatorischer/externer Vorgaben einerseits und einer voll auf Nachhaltigkeitsaspekte ausgerichtete Unternehmensstrategie andererseits zu definieren.
- Welches sind die wesentlichen Ergebnisse einer Materialitätsanalyse, folgend dem Ansatz der doppelten Materialität? Diesem Ansatz liegt insbesondere die auf EU-Ebene definierten CSRD zugrunde und folgt der Einschätzung, dass einzelne Einflussfaktoren nach den Dimensionen der Eintrittswahrscheinlichkeit sowie den erwarteten ökonomischen Auswirkungen im Falle des Eintritts zu bewerten sind. Typische Handlungsfelder sind dabei die Anpassung an den Klimawandel, die Fragen der Sicherung der ökologischen Basis und der Biodiversität, die Sicherstellung von Gleichberechtigung und Diversity sowie der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter, Risikomanagement und Fragestellung zu "Corporate Citizenship".
- Welches sind die wesentlichen und zu berücksichtigenden regulatorischen oder freiwilligen Standards, welche auf jeden Fall anzuwenden (EU-Taxonomie, CSRD, in Ausarbeitung befindliche Standards des ISSB…) sind oder woraus positive Aspekte erwartet werden (z. B. Erfüllung bestimmter Ratings)? Die Hauptherausforderung besteht dabei insbesondere für international/global agierende Unternehmen in der Selektion und Anwendung von Reportingstandards und Ratings sowie der...