Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung wegen Mühlenstillegung umsatzsteuerpflichtig. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Abfindung im Rahmen des Mühlenstrukturgesetzes 1971 ist ein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch anzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist auch dann nicht gegeben, wenn die Finanzverwaltung im Bereich anderer Subventionen von einer Umsatzsteuerfreiheit ausgeht.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG bestehen nicht. Die Vorschrift verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Anspruch auf rechtliches Gehör.

 

Normenkette

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; MühlStruG § 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 20.07.1978; Aktenzeichen V R 100/77)

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.05.1977; Aktenzeichen IV 248/75)

 

Gründe

Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.

Ob der Gewährung einer Abfindung bei einer Mühlenstillegung aufgrund des Mühlenstrukturgesetzes 1971 vom 22. Dezember 1971 (BGBl. 1971 I S. 2098) ein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zugrunde liegt oder ob ein nicht steuerbarer Zuschuß anzunehmen ist, ist vorrangig eine Frage der Auslegung und Anwendung des Steuerrechts, für welche in erster Linie die Fachgerichte, also die Finanzgerichte zuständig sind; deren Rechtsauffassung ist grundsätzlich der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, das nur eingreifen kann, wenn spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist (BVerfGE 18, 85 [92]). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Verletzung des Willkürverbots des Art. 3 Abs. 1 GG greift daher nicht bei jedem etwaigen Fehler in der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte ein. Hinzukommen muß vielmehr, daß die fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfGE 4, 1 [7]; 13, 112 [150]; 42, 64 [74], ständige Rechtsprechung). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Überlegungen, welche der angegriffenen Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg, die durch den Beschluß des Bundesfinanzhofs bestätigt wurde, zugrunde liegen, sind nicht sachfremd. Es sprechen zumindest vertretbare Gründe dafür, bei der Abfindung im Rahmen des Mühlenstrukturgesetzes 1971 einen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch anzunehmen.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch dann nicht gegeben, wenn die Finanzverwaltung im Bereich anderer Subventionen von einer Umsatzsteuerfreiheit ausgeht.

Die meisten von der Beschwerdeführerin angeführten Fallgruppen, insbesondere die Subventionen in der Landwirtschaft, aber auch die Automatenbeihilfe, die Zuschüsse zur Winterbauförderung, zur Errichtung von Schutzbauten und zur Arbeitsplatzförderung weisen trotz vorhandener Parallelen dennoch wesentliche Unterschiede zum Fall der Mühlenabfindung auf, so daß von einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung wirklich gleichgelagerter Sachverhalte nicht gesprochen werden kann. Vergleichbar erscheint allerdings in gewissem Umfang der Fall der Abwrackprämie nach § 32a des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 8. Januar 1969 (BGBl. 1969 I S. 66). Ob eine Umsatzsteuerfreiheit dieser Abwrackprämie: einfachrechtlich gerechtfertigt ist, mag dahinstehen. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnte die Beschwerdeführerin nicht verlangen, daß die ihr gewährte Abfindung entgegen steuerrechtlichen Grundsätzen ebenfalls steuerfrei bleibe (vgl. BVerfGE 21, 245 [261]). Sollte hingegen die Abwrackprämie zu Recht als umsatzsteuerfrei behandelt werden, der Heranziehung der Abfindung nach dem Mühlenstrukturgesetz 1971 zur Umsatzsteuer hingegen eine steuerrechtlich letztlich unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde liegen, so könnte angesichts der Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem Leistungsaustausch und nicht steuerbarem Zuschuß in derartig gelagerten Fällen ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen dennoch nicht angenommen werden; denn auch dann drängte sich nicht der Schluß auf, daß die Rechtsanwendung auf sachfremden Erwägungen beruht. Es könnte sich vielmehr lediglich um eine unrichtige Rechtsauslegung und damit um unrichtige Entscheidungen handeln, die jedoch unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes nicht zu beanstanden sind.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 1 Ziff. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl. 1975 I S. 1861) bestehen nicht. Die Vorschrift verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör. Dieser gebietet insbesondere nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (BVerfGE 5, 9 [111; 15, 303 [307]).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1621138

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge