Leitsatz (amtlich)

Zinsen für einen Kredit zur Anschaffung eines privaten Pkw können ab dem Veranlagungszeitraum 1974 auch insoweit steuerlich nicht berücksichtigt werden, als sie anteilig auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen.

 

Normenkette

EStG 1974 § 9 Abs. 1 Nrn. 1, 4, 6, § 4 Abs. 5 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) fährt täglich von seinem Wohnort mit dem eigenen Wagen zu seiner 20 km entfernten Arbeitsstätte. Im Streitjahr 1974 entfielen auf diese Fahrten 61 % der vom Kläger mit seinem Pkw insgesamt zurückgelegten Kilometer. Zum Kauf des Pkw hatte der Kläger einen Kredit aufgenommen und dafür im Streitjahr 1974 834 DM Zinsen gezahlt. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1974 machte er neben den Pauschbeträgen von 0,36 DM je Entfernungskilometer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1974 61 % der Zinsen = 509 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung der Schuldzinsen ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 310 (EFG 1977, 310) veröffentlichten Urteil aus:

Die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen könnten nicht als Aufwand für die Anschaffung eines Arbeitsmittels abgezogen werden, da das Auto kein Arbeitsmittel sei. Die Schuldzinsen gehörten aber zu den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sie seien Werbungskosten, weil sie beruflich veranlaßt seien. Fahrtkosten des Arbeitnehmers mit dem eigenen Wagen zur Arbeitsstätte seien zwar nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur begrenzt abziehbar. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Februar 1964 VI 201/62 S (BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251) seien jedoch Schuldzinsen für die Anschaffung des Pkw mit diesen Pauschbeträgen nicht abgegolten. Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sei der bei ihrer Einführung im Jahre 1955 maßgebende Pauschsatz von 0,50 DM je Doppelkilometer aus den Kostentabellen der Automobilclubs für Mittelklassewagen abgeleitet worden. Diese Tabellen hätten Aufwendungen für Anschaffungskredite nicht berücksichtigt. Der Gesetzgeber habe den Umfang der Pauschalierung später nicht erweitern wollen, sondern ihn aus verkehrs- und haushaltspolitischen Gründen auf einen Betrag begrenzt, der die Betriebskosten regelmäßig nicht mehr decke. Deshalb habe der BFH im Urteil vom 2. März 1962 VI 79/60 S (BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192) außergewöhnliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Fahrt zur Arbeit neben den Pauschbeträgen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten anerkannt. Zu den außergewöhnlichen Kosten zählten auch die streitigen Kreditzinsen.

Der BFH habe allerdings im Urteil VI 201/62 S Schuldzinsen beim Kraftfahrzeugkauf nicht als Werbungkosten angesehen, weil der Steuerpflichtige den Kredit zur Anschaffung eines privaten Gegenstandes verwendet habe. Dem sei nicht zu folgen. Ein Baudarlehen z. B., das der Bauherr zum Bau eines Miethauses aufnehme, diene auch dem Erwerb eines privaten Vermögenswertes. Dennoch würden solche Zinsen allgemein als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

Zwischen den Kreditkosten und beruflich veranlaßten Fahrten bestehe im Streitfall ein enger zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang. Denn bei der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz und bei den gerichtsbekannt schlechten Verkehrsverhältnissen sei der Pkw des Klägers von vornherein für Fahrten zur Arbeit mit bestimmt gewesen. Der Teil der Kreditkosten, der dem Anteil der Fahrten zur Arbeit an der vom Pkw im Streitjahr insgesamt zurückgelegten Fahrtstrecke entspreche, sei daher ebenso beruflich veranlaßt wie die Fahrtkosten selbst.

Das FA rügt mit der Revision unzutreffende Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Es führt u. a. aus:

Der vom Kläger geltend gemachte anteilige Zinsbetrag sei nach dem Urteil des BFH vom 21. März 1975 VI R 131/73 (BFHE 115, 469, BStBl II 1975, 641) als Werbungskosten anzusehen. Er sei aber bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich nicht gesondert zu berücksichtigen, weil er vom Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfaßt werde. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68 (BStBl II 1970, 140) solle dieser Pauschbetrag den Nachweis der üblicherweise mit einem Pkw verbundenen Kosten vereinfachen. Der Gesetzgeber habe bewußt einen geringeren Betrag als die tatsächlichen Kosten als Pauschbetrag angesetzt. Zu den typischen, mit einem Pkw verbundenen Kosten gehörten auch die Zinsen eines Anschaffungskredits. Die Fremdfinanzierung eines Pkw sei heutzutage allgemein üblich. Die vom BFH neben den Pauschbeträgen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG anerkannten außergewöhnlichen Aufwendungen, wie z. B. für einen Austauschmotor oder für Unfallkosten, seien mit Kreditzinsen nicht vergleichbar, da erstere auf außergewöhnlichen Ereignissen beruhten.

Der Gesetzgeber habe im übrigen durch den Wegfall der Berücksichtigung von Zinsen ab 1. Januar 1974 als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Fremdfinanzierung von Konsumgütern des privaten Bereichs einschränken wollen. Man könne daher nicht das gleiche wirtschaftliche Ergebnis durch einen Abzug als Werbungskosten wieder zulassen. Die Steuerpflichtigen hätten es sonst in der Hand, die Fremdfinanzierung ihrer Konsumgüter danach einzurichten, in welchem Umfang sie die Kreditkosten als Werbungskosten abziehen dürfen. Das würde dem Willen des Gesetzgebers widersprechen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er hält das Urteil des FG für zutreffend.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er ist der Ansicht, es könne zweifelhaft sein, ob Schuldzinsen für den Erwerb eines Pkw dem Grunde nach Sonderausgaben oder Werbungskosten seien. Bejahe man den Werbungskostencharakter, so könnten sie jedenfalls nicht neben dem Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 abgezogen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die im Streitjahr 1974 gezahlten Kreditzinsen für die Anschaffung des Pkw können steuerlich nicht berücksichtigt werden.

1. Der BFH hat in dem Urteil in BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251 die vom Arbeitnehmer entrichteten Zinsen für die Aufnahme von Schulden zur Anschaffung eines Pkw auch insoweit als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1961 angesehen, als der Arbeitnehmer das Fahrzeug teilweise für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt hatte. Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob er dieser Ansicht heute noch folgen könnte und ob im Urteil in BFHE 115, 469, BStBl II 1975, 641 eine Abkehr von dieser Rechtsprechung zu erblicken ist. Im Streitfall sind die Schuldzinsen jedenfalls deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil aufgrund des Steueränderungsgesetzes (StändG) vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) Schuldzinsen, die nach dem 31. Dezember 1973 geleistet werden (vgl. § 52 Abs. 11 b EStG 1974), nicht mehr als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden dürfen.

2. Die Schuldzinsen können im Streitfall auch nicht gesondert als Werbungskosten abgezogen werden.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1974 Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zu ihnen können auch Schuldzinsen gehören. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob Zinsen für die Fremdfinanzierung eines Pkw (entgegen dem erwähnten BFH-Urteil in BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251) zu dem Anteil Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 sind, zu dem der Arbeitnehmer seinen Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verwendet. Auf die Entscheidung dieser Frage kommt es im Streitfall nicht an, weil der Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten jedenfalls durch die Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 ausgeschlossen wird. Bejaht man den Werbungskostencharakter dieser Zinsen, so würde § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 dem § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 insoweit im Range vorgehen.

a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 sind Werbungskosten alle Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Bei Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug werden Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Pkw genutzt wird, aber nur in Höhe eines Pauschbetrages von 0,36 DM je Entfernungskilometer als Werbungskosten anerkannt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werden durch diesen Pauschbetrag sämtliche mit der laufenden Nutzung eines Kraftfahrzeuges typischerweise zusammenhängenden Kosten abgegolten; nicht dagegen solche Aufwendungen, die ihrer Natur nach außergewöhnlich und nicht vorhersehbar sind und die deshalb nicht pauschaliert werden können. Die Außergewöhnlichkeit muß sich nicht auf die Höhe der Kosten, sondern auf das Ereignis beziehen, das die Aufwendungen ausgelöst hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juli 1978 VI R 158/76, BFHE 125, 553, BStBl II 1978, 595, und vom 2. Februar 1979 VI R 77/77, BFHE 127, 186, BStBl II 1979, 372). Der BFH hat als gewöhnliche, durch den Pauschbetrag abgegoltene Kosten insbesondere die Kraftfahrzeugsteuern, Haftpflichtversicherungsprämien, die üblichen Reparaturen, Garagenkosten, Park- und Parkhausgebühren und die Absetzung für Abnutzung (AfA) angesehen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 9. Juli 1965 VI 153/64 U, BFHE 83, 21, BStBl III 1965, 509, und vom 30. Mai 1967 VI R 118/66, BFHE 89, 185, BStBl III 1967, 576, und in BFHE 127, 186, BStBl II 1979, 372). Als außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Aufwendungen hat er neben dem Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor allem die Pkw-Unfallkosten zum Abzug zugelassen (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 24. Februar 1978 VI R 177/73, BFHE 124, 524, BStBl II 1978, 380 und in BFHE 125, 553, BStBl II 1978, 595). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

b) Sollten Zinsen für die Fremdfinanzierung eines vom Arbeitnehmer angeschafften Pkw ihrer Natur nach insoweit Werbungskosten sein, als sie auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen, so gehören sie zu den gewöhnlichen, durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 abgegoltenen Aufwendungen (so auch Urteile des FG Hamburg vom 27. Januar 1977 III 144/75, EFG 1977, 258; des Niedersächsischen FG vom 16. Mai 1977 IX L 246/75, EFG 1978, 165, und vom 27. Januar 1978 V (IV) 52/77, EFG 1978, 222 und 358, und des Schleswig-Holsteinischen FG vom 21. Juni 1978 I 360/76, EFG 1979, 77; ebenso Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 9 EStG Anm. 32 e (6) zu d) aa); Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., 1979, § 9 Anm. 11 f) aa) S. 38 f.; Martin/Beckermann, Deutsches Steuerrecht 1975 S. 520 - DStR 1975, 520 -; Widmann, DStR 1978, 97; Hensgens/Büttgenbach, Steuerwarte 1976 S. 111; anderer Auffassung Albrod/Friele, DStR 1975, 92 und 521; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 9 EStG Tz. 65 a; Keßler, Neues Steuerrecht von A bis Z, Schlagwort "Kraftfahrzeug", Darstellung 2 unter C III).

Solche Schuldzinsen sind ihrem Wesen nach nicht außergewöhnlich, da die Anschaffung von Pkw durch Aufnahme von Krediten im Streitjahr 1974 nicht selten war. Wie der Senat bei anderen Aufwendungen wiederholt betont hat, ist es im Hinblick auf den Vereinfachungszweck der Pauschregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ohne Bedeutung, ob gleiche Kosten bei der Mehrzahl von Arbeitnehmern anfallen, die ihren Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 89, 185, BStBl III 1967, 576, und BFHE 127, 186, BStBl II 1979, 372). Davon ist auch im Streitfall auszugehen.

Die anteiligen Kreditzinsen für den Kauf des Pkw können im übrigen, sollten sie im Streitfall Werbungskosten sein, im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht anders behandelt werden, als die eigentlichen Anschaffungskosten des Pkw. Denn die Darlehensaufnahme hängt mit dem Erwerb des Wagens wirtschaftlich eng zusammen. Wie der BdF zu Recht hervorhebt, verteuern die Schuldzinsen im Ergebnis den Kauf des Pkw, erhöhen damit also - wirtschaftlich gesehen - "die Anschaffungskosten". Ist der Kaufpreis des Kraftfahrzeugs, verteilt auf die Dauer der voraussichtlichen Verwendung oder Nutzung, als AfA i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG 1974 durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 gemäß allgemeiner Meinung insoweit mit abgegolten, als die AfA anteilig auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfällt, so müssen durch den Pauschbetrag mithin auch die Zinsen eines solchen Anschaffungskredits anteilig mit abgegolten sein.

Es kommt nicht darauf an, daß Kreditzinsen auch dann anfallen, wenn der Pkw nur wenig oder vorübergehend überhaupt nicht genutzt wird. Denn Aufwendungen "bei" Fahrten mit dem eigenen Pkw i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 können auch die mit den Fahrten indirekt zusammenhängenden Kosten sein. Zu solchen fixen, durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 ebenfalls mit erfaßten Aufwendungen zählen neben den AfA z. B. auch die vorstehend erwähnten Garagenkosten.

Kreditzinsen können je nach Höhe des Darlehens und des Zinssatzes und je nach der Laufzeit des Darlehens und anderen Kreditkonditionen unterschiedlich hoch anfallen. Dies würde jedoch einer Erfassung im Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 nicht entgegenstehen. Solche Aufwendungen sind ebenso pauschalierbar wie andere, durch den Pauschbetrag abgegoltene Aufwendungen, auch wenn sie in unterschiedlicher Höhe anfallen können. So richtet sich z. B. der jährliche Betrag der AfA nach den im Einzelfall maßgeblichen Anschaffungskosten des betreffenden höherwertigen Pkw. Trotzdem gilt der einheitliche Satz von 0,36 DM je Entfernungskilometer für alle Arten von Kraftfahrzeugen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Pauschsatz nicht auch für unterschiedliche Kraftfahrzeugfinanzierungskosten gelten sollte. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des BdF machen die Kreditzinsen in der Regel ohnehin nur einen geringen Teil der Aufwendungen beim Kauf eines Pkw aus.

Sollten die Kreditkosten im Streitfall teilweise Werbungskosten sein, so wird der Arbeitnehmer bei Abgeltung dieser Aufwendungen durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 nicht schlechter behandelt als Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende oder Freiberufler. Denn bei diesen werden die auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden anteiligen Zinsen für die Anschaffung eines betrieblichen Pkw durch den nach § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1974 ebenfalls maßgebenden Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer in gleicher Weise abgegolten. Zinsen können insoweit also auch nicht gesondert als Betriebsausgaben abgezogen werden.

c) Die vorstehende Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 entspricht auch dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.

Die jetzige Fassung der Norm beruht auf dem Steueränderungsgesetz vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702). Durch dieses Gesetz wurde § 26 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1955/1965 aufgehoben, der Pauschbeträge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,50 DM je Entfernungskilometer für Kraftwagen und von 0,36 DM je Entfernungskilometer für Kleinkraftwagen vorsah. Statt dessen wurde für alle Kraftwagentypen ein einheitlicher Satz von 0,36 DM je Enternungskilometer in das Einkommensteuergesetz selbst eingeführt. Wie das BVerfG in der Entscheidung vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68 (BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140) betonte, war für die ursprüngliche Kilometerpauschale von 0,50 DM je Entfernungskilometer die Berechnung maßgebend, die die Automobilclubs für Mittelklassewagen aufgestellt hatten. Der durch das Steueränderungsgesetz 1966 eingeführte Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer für alle Wagenklassen beruht nach Auffassung des BVerfG nicht mehr auf einer Durchschnittsberechnung (Schätzung) nach den inzwischen geänderten Tabellen der Automobilclubs. Für die Kappung und Vereinheitlichung des Pauschbetrages waren, wie das BVerfG hervorhob, verkehrs-, finanz- und haushaltsrechtliche Erwägungen des Gesetzgebers maßgebend. Sie veranlaßten ihn, nur noch einen Pauschbetrag zum Abzug zuzulassen, der die im Durchschnitt tatsächlich entstehenden und steuerlich zu berücksichtigenden regelmäßigen Aufwendungen nicht mehr deckt. Sämtliche Beziehungen zu den tatsächlichen Kosten wurden vom Gesetzgeber bewußt gelöst, weil er mit der einheitlichen, niedrig bemessenen Pauschale den steuerlichen Anreiz für die Benutzung des Kraftfahrzeuges für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einschränken wollte (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 189/72, BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354). Die Vereinheitlichung der Pauschale für alle Kraftfahrzeugbenutzer sollte auch zu einer verwaltungsmäßigen Vereinfachung bei Anwendung dieser Vorschrift führen. Diese Motive des Gesetzgebers sind nach den Ausführungen des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

An dieser Absicht hat der Gesetzgeber bis heute festgehalten. Er hat den Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer wegen der von ihm weiterhin für wesentlich erachteten verkehrs-, haushalts- und finanzpolitischen Erwägungen auch in dem zur Zeit gültigen Einkommensteuergesetz 1979 nicht geändert, obwohl die Kraftfahrzeugkosten seit Erlaß des Steueränderungsgesetzes 1966 ständig gestiegen sind und die Verwaltung den Pauschsatz für Kraftfahrzeugkosten bei anderen dienstlich veranlaßten Fahrten inzwischen zweimal erhöht hat, nämlich bei Dienstreisen und Fahrten aus Anlaß der Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nichtausgeübten Beruf zwischen Wohnung und Ausbildungsbzw. Fortbildungsstätte in Abschn. 25 Abs. 8 Satz 3 und Abschn. 38 Abs. 3 Satz 1, 2. Hauptsatz der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1975 von 0,25 DM je gefahrenem Kilometer auf 0,32 DM je gefahrenem Kilometer und im Schreiben des BdF vom 4. Juli 1979 IV B 3 - S 2228 - 5/79 (BStBl I 1979, 456) ab 1. Juli 1979 auf 0,36 DM je gefahrenem Kilometer.

Den Zielen des Gesetzgebers würde es widersprechen, wenn der erkennende Senat Kreditzinsen für die Anschaffung eines Pkw neben der Pauschale des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 insoweit als Werbungskosten zum Abzug zuließe, als sie anteilmäßig auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen. Denn hierdurch würden steuerliche Anreize für den Kauf und die Benutzung des Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erneut geschaffen.

d) Da der Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 von 0,36 DM je Entfernungskilometer jegliche Verbindung zur ursprünglichen Kostenberechnung der Automobilclubs verloren hat, kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob die Kreditkosten für die Anschaffung des Pkw entsprechend der Ansicht des FG im früheren Pauschbetrag des § 26 Abs. 2 EStDV 1955/1965 von 0,50 DM je Entfernungskilometer nicht enthalten waren. Es trifft zu, daß die diesem Pauschsatz zugrunde gelegten Kostentabellen, wie etwa die des ADAC, keinen Posten für Fremdkapitalzinsen aufwiesen. Die Tabellen berücksichtigten aber eine 6 %ige Eigenkapitalverzinsung des gesamten Kaufpreises einschließlich Überführungs- und Zulassungskosten und abzüglich des Wertes der 5fachen Bereifung. Die Finanzverwaltung übernahm den von den Automobilclubs so ermittelten Satz von 0,50 DM je Entfernungskilometer unverändert, obwohl Eigenkapitalzinsen auch damals von der Verwaltung steuerlich nicht zum Abzug zugelassen wurden (vgl. z. B. Sonderdruck: Kosten der Kraftfahrzeughaltung, aus ADAC - Motorwelt Heft 11, November 1955 -). Das legt die Vermutung nahe, daß der damalige Verordnungsgeber mit der unveränderten Übernahme des Pauschsatzes von 0,50 DM je Entfernungskilometer und der darin enthaltenen 6 %igen Eigenkapitalverzinsung des gesamten Kaufpreises die Kosten einer ganz oder teilweisen Fremdfinanzierung der Anschaffungskosten pauschal mit hat berücksichtigen wollen. Das ist wohl auch der Grund, warum die Finanzverwaltung die Kreditzinsen neben dem Pauschbetrag des § 26 Abs. 2 EStDV 1955/1965 steuerlich nicht berücksichtigt hat (vgl. z. B. Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Hamburg vom 21. Mai 1958 S 2226/S 2226 a, Der Betrieb 1958 S. 613).

e) Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutztes Kraftfahrzeug als Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1974 anzusehen ist und ob Zinsen für die Anschaffung von Arbeitsmitteln Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 oder nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 (so Blümich/Falk, a. a. O., § 9 EStG Anm. 8 a S. 26) sind. Sollte das Kraftfahrzeug des Klägers entgegen der Ansicht des FG ein Arbeitsmittel sein, so würde dies am Ergebnis des Rechtsstreits jedenfalls nichts ändern. Denn die Zinsen für die Anschaffungskosten des Pkw würden, sollten sie teilweise Werbungskosten sein, auch in diesem Fall durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 mit abgegolten, weil diese Vorschrift nicht nur dem § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974, sondern auch dem § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1974 im Range vorgeht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber durch das Steueränderungsgesetz 1966 Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Pkw einschränken und die Möglichkeit des Abzugs solcher Aufwendungen aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich unterbinden wollte. Der Charakter des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 als einer ausschließlichen Sonderregelung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird dadurch betont, daß diese Pauschregelung nach dem bereits erwähnten § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1974 beim Abzug von Betriebsausgaben entsprechend anzuwenden ist. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG wird im übrigen durch § 9 Abs. 2 EStG ergänzt, der ebenfalls mit dem Steueränderungsgesetz 1966 eingeführt wurde. Danach können Körperbehinderte unter bestimmten Voraussetzungen die tatsächlichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten abziehen. Diese Vorschrift beruht offensichtlich auf dem BFH-Urteil vom 28. Januar 1966 VI 66/65 (BFHE 85, 224, BStBl III 1966, 291), nach dem ein zu 100 % in seiner Erwerbsfähigkeit geminderter Arbeitnehmer, der einem Doppelbeinamputierten gleichsteht, die tatsächlichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten geltend machen kann, da das Kraftfahrzeug für ihn ein Arbeitsmittel ist. Durch § 9 Abs. 2 EStG 1974 werden die Fahrtkosten auch dieser Körperbehinderten mit erfaßt. Das läßt erkennen, daß der Gesetzgeber auch den Bereich abschließend mit regeln wollte, in dem das Kraftfahrzeug entsprechend dem BFH-Urteil in BFHE 85, 224, BStBl III 1966, 291, bei Körperbehinderten ein Arbeitsmittel sein kann.

3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen, weil das FA zu Recht die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen nicht zum Abzug zugelassen hat.

 

Fundstellen

BStBl II 1980, 138

BFHE 1980, 346

NJW 1980, 2216

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