Leitsatz (amtlich)

Eine auf Lebenszeit zugesagte Rente ist auch dann eine Leibrente, wenn ihre Höhe jeweils von der für Sozialrenten maßgebenden Bemessungsgrundlage abhängt.

 

Normenkette

EStG 1961 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1961, ob die von der Schwiegertochter an den Schwiegervater im Zusammenhang mit der Übernahme seines Betriebes erbrachten Rentenleistungen als betriebliche Versorgungsrenten (§ 4 Abs. 4 EStG) in voller Höhe oder als private Versorgungsrenten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) nur in Höhe des Ertragsanteils abzugsfähig sind.

Die Revisionsklägerin (Stpfl.) übernahm am 1. August 1960 von ihrem Schwiegervater die in gemieteten Räumen betriebene Apotheke. In dem zugrunde liegenden notariellen Vertrag vom 8. Juli 1960 war bestimmt, daß die Stpfl. an den Schwiegervater und dessen Ehefrau eine monatliche Rente auf Lebenszeit von 600 DM, nach Ableben eines Ehegatten 400 DM, zu bezahlen habe. Die Vertragsparteien vereinbarten, daß die Rente im Hinblick auf ihren Versorgungscharakter gegen einen etwaigen Kaufkraftschwund gesichert werden solle. Sie sei der allgemeinen Bemessungsgrundlage für Renten aus der Angestelltenversicherung (§ 32 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957, BGBl I 1957, 88) anzupassen. Der Betrag der Rente ändere sich, sobald die für ein Jahr nach Ablauf des Jahres 1961 nach § 33 Abs. 1 Buchstabe a oder § 34 des genannten Gesetzes bestimmte allgemeine Bemessungsgrundlage von der für 1960 bestimmten Bemessungsgrundlage um mehr als 10 v. H. abweiche.

Bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr vom 1. August 1960 bis 31. Juli 1961 behandelte die Stpfl. die Rentenzahlungen in Höhe von 7 200 DM als laufende Betriebsausgaben.

Das FA erkannte die Gewinnminderung nicht an. Es ließ die Rentenzahlungen lediglich in Höhe des Ertragsanteils als Sonderausgaben (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) zum Abzug zu.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Das FG führte aus, daß die Rente eine außerbetriebliche Versorgungsrente, und zwar eine Leibrente darstelle. Die Vertragsgestaltung sei wesentlich durch den Umstand beeinflußt, daß die Stpfl. die Schwiegertochter der Rentenberechtigten sei.

In ihrer Revision rügt die Stpfl. mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Rechtsanwendung. Mangelnde Sachaufklärung liege darin, daß das FG die Beziehungen zwischen den Beteiligten nicht ausreichend untersucht habe. Da es sich um nichtunterhaltsberechtigte Verwandte handle, hätte das FG dieser Frage nachgehen müssen. Die Vorentscheidung beruhe auf einer unzulässigen Typisierung von Rechtsverhältnissen zwischen Familienangehörigen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Im Streitfall handelte es sich um die Übertragung eines Einzelunternehmens mit, wie die Stpfl. selbst vorträgt, nicht unbeträchtlichen Werten. Zwischen fremden Personen wäre in diesem Falle eine Kaufpreisrente vereinbart worden. Für die Annahme einer betrieblichen Versorgungsrente ist kein Raum. Die Vereinbarung einer Kaufpreisrente ist zwar auch zwischen nahen Angehörigen möglich. Im Streitfall steht jedoch fest, daß die Vertragsbeteiligten keinen Verkauf gewollt haben. Die Rente muß deshalb als außerbetriebliche (private) Versorgungsrente gewürdigt werden. Die Vorentscheidung, die mit Recht zu diesem Ergebnis gelangte, beruht nicht, wie die Stpfl. meint, auf einer unzulässigen Typisierung und Rechtsvermutung zuungunsten von Familienangehörigen, sondern auf einer zutreffenden Würdigung der Umstände des Streitfalls.

Nach alledem ist auch die Rüge der mangelnden Sachaufklärung nicht begründet. Es ist für die Entscheidung unerheblich, wie es zu der Übertragung der Apotheke auf die Stpfl. kam und ob ein Dritter im Hinblick auf den Wert des übertragenen Betriebsvermögens eine Rente unter den gleichen Bedingungen gewährt hätte. Denn diese Gesichtspunkte wären nur dann von Bedeutung, wenn Zweifel bestünden, ob es sich um eine Kaufpreisrente oder um eine außerbetriebliche Versorgungsrente handelte. Im Streitfall steht jedoch fest, daß eine (betriebliche) Kaufpreisrente nicht in Betracht kommt.

Die Revision könnte daher nur dann Erfolg haben, wenn die Leistungen der Stpfl. als dauernde Last oder als Rente, die nicht Leibrente ist, angesehen werden müßten, da sie dann als Sonderausgaben in voller Höhe abzugsfähig wären. Diese Voraussetzung wäre nur dann gegeben, wenn den Leistungen infolge der vereinbarten Wertsicherungsklausel der Charakter einer Leibrente ermangelte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie der VI. Senat des BFH mehrfach entschied, ist eine auf Lebenszeit zugesagte Rente auch dann eine Leibrente, wenn sie mit einer Wertsicherungsklausel verbunden ist (vgl. Urteile VI R 31/66 vom 2. Dezember 1966, BFH 87, 395, BStBl III 1967, 179, VI R 80/66 vom 11. August 1967, BFH 89, 443, BStBl III 1967, 699). Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung bei. Die zur Besteuerung der Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG entwickelten Grundsätze beruhen auf der Anknüpfung an den bürgerlich-rechtlichen Leibrentenbegriff (vgl. BFH-Urteil IV 67/61 S vom 16. September 1965, BFH 83, 568, BStBl III 1965, 706, und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Dieser Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Bei seiner Bestimmung ist die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 StAnpG; vgl. dazu Kommentar zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, Anm. 1 zu § 759, mit Rechtsprechungsnachweisen). Es entspricht der Verkehrsauffassung, eine Leibrente auch dann als gegeben anzunehmen, wenn sich die Leistungshöhe auf Grund einer Wertsicherungsklausel in Zeitabständen ändert. Nur diese Auslegung wird der zunehmenden Bedeutung gerecht, die Wertsicherungsklauseln in der Vertragspraxis inzwischen erlangt haben. Im übrigen widerspräche eine einschränkende Auslegung des Leibrentenbegriffes dem Vereinfachungszweck, der der Neuregelung der Besteuerung der privaten Leibrenten durch das Steuerneuordnungsgesetz vom 16. Dezember 1954 (BGBl I, 373) zugrunde lag (vgl. Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 481, S. 85 ff.). Es ist daher für die Entscheidung unerheblich, daß sich die Bemessungsgrundlage der Rentenleistungen bei der Bindung an die Entwicklung der Sozialversicherungsrenten rascher als bei einer Bezugnahme etwa auf Beamtengehälter ändern kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412866

BStBl II 1968, 262

BFHE 1968, 79

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