Leitsatz (amtlich)

Die Erwerberin eines GmbH-Geschäftsanteils, die neben dem Preis für den Geschäftsanteil den Anspruch der Verkäuferin auf den zeitanteiligen Gewinn nach § 101 Nr. 2 BGB durch Zahlung abdingt, hat den Geschäftsanteil auf Beteiligungskonto, den daneben entgeltlich erworbenen Anspruch der Verkäuferin auf den zeitanteiligen Gewinn mit dem für ihn aufgewendeten Betrag gesondert auf einem Konto "Gewinnanspruch" zu buchen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei dem Erwerb von drei GmbH-Geschäftsanteilen die jeweils miterworbenen Gewinnbezugsrechte gesondert aktiviert und - nach Vorliegen des Gewinnverteilungsbeschlusses - mit der Gewinnausschüttung verrechnet werden können, oder ob - verneinendenfalls - bei Aktivierung der Gewinnbezugsrechte auf dem Konto "Beteiligungen" nach Realisierung des Gewinnanspruchs eine Abschreibung der GmbH-Beteiligungen auf den niedrigeren Teilwert in Betracht kommt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine AG - erwarb mit notariellen Verträgen vom 30. November 1960 zwei GmbH-Geschäftsanteile im Nennwert von 800 000 DM und 148 000 DM zum Preise von 1 227 000 DM und 296 000 DM einschließlich der aus ihnen resultierenden Gewinnbezugsrechte für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. November 1960. Von den Anschaffungskosten - einschließlich der Notariatskosten insgesamt 1 528 192,42 DM - setzte die Klägerin den auf die Anteile für die Zeit vom 1. Januar bis 30. November 1960 entfallenden, überschläglich auf 270 000 DM ermittelten Gewinnanteil ab und wies die Beteiligung zum 31. Dezember 1960 mit (nur) 1 258 192,42 DM aus. Der Kaufpreis sei für die von ihr erworbenen Anteile (bemessen nach dem Beteiligungswert am 1. Januar 1960) und für den Gewinnanspruch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. November 1960 gesondert bemessen worden. Der Gewinnanspruch sei somit ein selbständiger Wert, der mit seiner Realisierung untergegangen sei, weshalb die Klägerin in ihrer Bilanz den mit 270 000 DM angesetzten Gewinnanspruch mit ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Verkäuferin saldiert habe.

Durch einen weiteren notariellen Vertrag vom 13. April 1961 erwarb die Klägerin den letzten Geschäftsanteil der gleichen GmbH im Nennwert von 52 000 DM zum Preis von 2 125 000 DM, ebenfalls vom 1. Januar 1960 ab. Die Anschaffungskosten - einschließlich der Nebenkosten insgesamt 2 142 239 DM - minderte die Klägerin um 67 568,42 DM auf 2 074 670,58 DM und wies die Beteiligung zum 31. Dezember 1961 mit insgesamt 3 332 863 DM aus. Den Minderungsbetrag von 67 568,42 DM ermittelte die Klägerin nach näherer Maßgabe der angefochtenen Entscheidung wie folgt:

Gewinnanteil aus den am 30. November 1960 erworbenen Geschäftsanteilen 287 100,- DM

Gewinnanteil 1960 aus dem am 13. April 1961 erworbenen Geschäftsanteil 46 800,- DM

Gewinnanteil aus dem zuletzt erworbenen Geschätfsanteil für die Zeit vom

1. Januar bis 13. April 1961 3 668,42 DM

insgesamt 337 568,42 DM

bereits in 1960 berücksichtigt 270 000,- DM

noch zu berücksichtigen 67 568,42 DM.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den Standpunkt, daß das Gewinnbezugsrecht kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut sei, daß der Anspruch auf den Jahresgewinn vielmehr erst mit der Feststellung der Jahresbilanz und mit der Beschlußfassung über die Gewinnverteilung durch die Gesellschafterversammlung entstehe. Demgemäß erhöhte das FA den Gewinn der Klägerin für das Jahr 1960 um 270 000 DM und für das Jahr 1961 um 67 568,42 DM. Ferner unterwarf es die Klägerin mit 341 280 DM (= 94,8 v. H. der der Klägerin für das Jahr 1960 seitens der GmbH zugeflossenen Ausschüttung von 360 000 DM) der Nachsteuer mit 36 v. H., da die Klägerin mit dem Beginn des Jahres 1961 am Stammkapital der GmbH mit 94,8 v. H. unmittelbar beteiligt gewesen sei.

Die angesichts der Bescheide vom 27. Dezember 1967 geltend gemachten Rechtsbehelfe (Einsprüche) hatten insoweit Erfolg, als das FA den Gewinn der Klägerin für das Jahr 1960 um 270 000 DM niedriger ansetzte. Die Frage, wie die auf die erworbenen Gewinnbezugsrechte entfallenden Gewinnanteile steuerlich zu behandeln seien, könne für das Jahr 1960 als nicht entscheidungserheblich dahinstehen, da am 31. Dezember 1960 weder ein Gewinnanspruch bestanden habe noch ein Gewinnanteil zugeflossen gewesen sei. Andererseits erhöhte das FA den Gewinn der Klägerin für das Jahr 1961 um diese 270 000 DM. Die Klägerin habe auf dem Beteiligungskonto die vollen Anschaffungskosten zu aktivieren. Die nunmehr allein das Jahr 1961 betreffende Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus:

Nach den Vorschriften der §§ 29 Abs. 1 und 46 Nr. 1 GmbHG hätten die Gesellschafter Anspruch auf den sich nach der jährlichen Bilanz ergebenden Reingewinn, dessen Feststellung und Verteilung der Bestimmung der Gesellschafterversammlung unterliege. Erst mit dieser Beschlußfassung werde der Gewinnanspruch der Gesellschafter zu einem vom Gesellschaftsrecht losgelösten selbständigen Gläubigerrecht (Urteil des BFH vom 22. April 1964 II 246/60 U, BFHE 79, 282, BStBl III 1964, 334 mit Hinweisen auf die zivilrechtliche Literatur und Rechtsprechung). Vorher bestehe keine - auch keine bedingte - schuldrechtliche Forderung. Demgemäß sei das FA zu Recht davon ausgegangen, daß die hier streitigen Gewinnbezugsrechte den Geschäftsanteilen im Zeitpunkt ihres Erwerbs immanent und deshalb nicht selbständig bewertungsfähig gewesen, sondern im Wirtschaftsgut "Beteiligung" aufgegangen seien.

Selbst wenn man der Klägerin darin folgen wolle, daß der Erwerber eines Gewinnbezugsrechts schon vor der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung über den Gewinn und seine Verteilung ein vom Geschäftsanteil des Veräußerers getrenntes Anwartschaftsrecht erwerbe, so habe sie dieses doch nicht ohne besondere Abtretung, nicht ohne besonderen Übertragungsakt durch Aussonderung aus dem Komplex "Mitgliedschaftsrechte" verselbständigen können. Für die Annahme einer solchen Übertragung gäben indes die notariellen Verträge vom 30. November 1960 und vom 13. April 1961 nichts her. Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang angezogene BFH-Urteil vom 6. Dezember 1968 IV R 174/67 (BFHE 94, 251, BStBl II 1969, 105) behandele mit der Frage, wann die junge Aktie selbständig bewertbar neben die alte Aktie trete, einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

Auch für eine Abschreibung der mit den Anschaffungskosten zu aktivierenden Geschäftsanteile auf den niedrigeren Teilwert sei kein Raum.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 182 068 DM festzusetzen, hilfsweise die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung läßt sie vortragen:

Das FG habe den Begriff des Wirtschaftsguts verkannt und zu Unrecht die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (Ansatz eines Wirtschaftsguts mit dem niedrigeren Teilwert) nicht angewendet. Bei richtiger Auslegung des Begriffs "Wirtschaftsgut" habe die getrennte Aktivierung des Gewinnanspruchs nicht beanstandet werden dürfen; folge man aber dem FG, das die gesonderte Aktivierung des Gewinnanspruchs verneint habe, hätte eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung zugelassen werden müssen (BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 54-55/70, BFHE 104, 438, BStBl II 1972, 397).

Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts, wie er in den Beschlüssen des Großen Senats des BFH vom 3. Februar 1969 GrS 2/68 (BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) und vom 2. März 1970 GrS 1/69 (BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382) definiert worden sei, erlaube - abweichend vom Zivilrecht - die gesonderte Erfassung wirtschaftlich selbständig bewertungsfähiger Fakten. Das gelte insbesondere für einen zwar erst in der Entstehung begriffenen Anspruch, sobald dieser sich als Anwartschaft so weitgehend konkretisiert habe, daß er im Falle der Veräußerung des Betriebes bei der Bemessung des Kaufpreises Berücksichtigung finde (BFH-Urteil vom 14. März 1968 IV 187/64, BFHE 92, 207, BStBl II 1968, 518). Bei jeder Veräußerung gewinnträchtiger Geschäftsanteile stelle sich die Frage, wem - dem Veräußerer oder dem Erwerber - der bereits verwirklichte Gewinn zustehen solle. Damit erweise sich der Gewinnanspruch als "Handelsobjekt", bestehe ein Bedürfnis, ihn auch bilanzmäßig gesondert zu behandeln. Tatsächlich seien zwei getrennte Wirtschaftsgüter Gegenstand der Verträge vom 30. November 1960 und vom 13. April 1961 gewesen. Die Unterlagen über die Kaufpreisbemessung machten dies deutlich.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, daß der Begriff des Wirtschaftsguts nach der Rechtsprechung alle im wirtschaftlichen Verkehr nach den Gegebenheiten des Wirtschaftslebens und nach der Verkehrsanschauung selbständig bewertbaren Güter jeder Art umfaßt, die im Falle ihrer Veräußerung "sozusagen greifbar sind, das heißt als Einzelheit ins Gewicht fallen" (BFH-Urteile vom 19. Juli 1955 I 149/54 S, BFHE 61, 174, BStBl III 1955, 266, und vom 15. April 1958 I 27/57 U, BFHE 66, 677, BStBl III 1958, 260 mit weiterer Rechtsprechung). Er umfaßt danach auch rechtliche und tatsächliche Zustände (BFH-Urteil vom 25. September 1956 I 103/55 U, BFHE 63, 396, BStBl III 1956, 349) sowie Anwartschaften (BFH-Urteil IV 187/64).

Im Streitfalle hat die Klägerin nach den Feststellungen des FG mit den Verträgen vom 30. November 1960 und 13. April 1961 GmbH-Geschäftsanteile erworben "einschließlich Gewinnbezugsrecht bzw. nebst Gewinnberechtigung ab 1. Januar 1960". Das FG hat daraus geschlossen, daß eine tatsächliche, d. h. im Kaufpreis erkennbar gemachte Aussonderung der Gewinnbezugsrechte aus dem "Komplex Mitgliedschaftsrechte" nicht erfolgt sei. Dem kann der erkennende Senat in dieser Allgemeinheit nicht folgen.

2. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß der allgemeine Gewinnanspruch nach § 29 GmbHG erst mit der Feststellung der Jahresbilanz und mit dem Beschluß der Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung (§ 46 GmbHG) als Forderungsrecht des Gesellschafters konkretisiert wird. Dem entspricht es, davon auszugehen, daß die Klägerin die Geschäftsanteile einschließlich der ihnen innewohnenden Rechte auf den Gewinn nach Maßgabe der Jahresbilanz erworben hat.

Dessenungeachtet steht der aus dem Geschäftsanteil fließende Gewinn - "sofern nicht ein anderes bestimmt ist" - nach § 101 Nr. 2 BGB der Verkäuferin der Geschäftsanteile für die Zeit zu, während derer sie selbst noch Gesellschafterin und damit hinsichtlich des Jahresgewinns gemäß § 29 GmbHG allgemein anspruchsberechtigt war. Diesen Anspruch der Verkäuferin haben die Vertragschließenden in den Verträgen vom 30. November 1960 und vom 13. April 1961 durch die Zahlung eines Betrages abbedungen, der nach ihrer Schätzung in etwa dem anteiligen, auf die Verkäuferin entfallenden Gewinn(anteil) entsprach.

Die Klägerin hatte demgemäß den Substanzwert der von ihr erworbenen Geschäftsanteile und den von ihr ebenfalls entgeltlich erworbenen anteiligen Gewinnanspruch der Verkäuferin getrennt zu aktivieren und nach Zufluß des Gewinns (im Streitjahr, soweit es sich um den Gewinn für das Jahr 1960 handelte) über das Konto "Gewinnanspruch" zu verrechnen.

Da das FG hinsichtlich der in seiner Entscheidung wiedergegebenen Zahlungen keine ihre Richtigkeit bestätigenden Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden.

Die Frage der Teilwertabschreibung, für die die Klägerin auf die Entscheidung des erkennenden Senats I R 54-55/70 verweist, kann deshalb dahinstehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70787

BStBl II 1974, 234

BFHE 1974, 72

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