Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten einer noch zu modernisierenden Eigentumswohnung - anschaffungsnaher Herstellungsaufwand - Anleger im Bauherrenmodell als Erwerber und nicht als Bauherren - Vertragsauslegung durch das Revisionsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

Wird beim Kauf einer Eigentumswohnung in einem Altbau vereinbart, daß im Kaufpreis auch die noch vorzunehmende Renovierung der Wohnung (Sondereigentum) enthalten sei, und gleichzeitig der Verwalter der Eigentumswohnungsanlage mit der Renovierung des ganzen Gebäudes (Gemeinschaftseigentum) auf --anteilige-- Kosten des Käufers beauftragt, so können auch letztere Aufwendungen zu den Anschaffungskosten für die Wohnung gehören.

 

Orientierungssatz

1. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22.8.1966 GrS 2/66 liegen regelmäßig Herstellungskosten und nicht Anschaffungskosten vor, wenn nach dem Erwerb eines Gebäudes im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht werden, die das Wesen des Gebäudes verändern, den Nutzungswert erheblich erhöhen oder die Nutzungsdauer erheblich verlängern. Das kann jedoch nicht gelten, wenn diese Aufwendungen bereits aufgrund der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als Gegenleistung für die Übergabe eines renovierten Gebäudeteils und mithin als Anschaffungskosten anzusehen sind.

2. Anleger im Bauherrenmodell sind als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen, wenn sie sich aufgrund eines von den Projektanbietern vorformulierten Vertragswerks beteiligen und sich bei den damit zusammenhängenden Rechtsgeschäften durch die Projektanbieter vertreten lassen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1989 IX R 197/84).

3. Hat die Vorinstanz eine notwendige Auslegung von Verträgen unterlassen, kann sie das Revisionsgericht selbst vornehmen, wenn das FG die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1983 VIII R 61/81).

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, Abs. 1 Nr. 7, § 21; BGB § 157; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau erwarben aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 2.März 1984 eine 48 qm große, in einem 1910 errichteten Gebäude befindliche Eigentumswohnung. Die Wohnung war vermietet. Der Kläger und seine Ehefrau traten in das Mietverhältnis ein. Bei Abschluß des notariellen Kaufvertrages waren der Kläger und seine Ehefrau durch einen Bevollmächtigten vertreten, der aufgrund einer notariellen Vollmachtsurkunde vom 28.Februar 1984 hierzu sowie zum Abschluß eines Treuhandvertrages und weiterer der Finanzierung und Abwicklung der Verträge dienender Rechtshandlungen bevollmächtigt war. Die Verkäuferin verpflichtete sich gemäß § 1 Abs.2 des Kaufvertrages, auf eigene Rechnung folgende in der Anlage zum Vertrag aufgeführte Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen:

1. Erneuerung/Neueinbau der Steigleitungen, soweit erforderlich,

2. Einbau einer Klingelanlage,

3. Einbau einer Wechselsprechanlage,

4. Errichtung einer Antennenanlage,

5. Einbau von Duschbädern, sofern noch keine in den Wohnungen vorhanden sind,

6. Einbau von Heizungen in den Wohnungen, sofern noch keine vorhanden sind,

7. Einbau von Isolierverglasung in den Fenstern, soweit noch nicht geschehen, bzw. neue Fenster mit Isolierverglasung,

8. Architekten- und Behördenleistungen.

Der im Kaufpreis von 120 960 DM anteilig enthaltene Modernisierungsaufwand in Höhe von 300 DM/qm Wohnfläche sollte ein Festpreis sein. Gemäß § 5 des notariellen Vertrages galt als Übergabe- und Verrechnungstag der 1.März 1984.

In einem als Geschäftsbesorgungsvertrag bezeichneten Vertrag vom gleichen Tag verpflichtete sich die Firma Grundstücksgesellschaft A-mbH, die auch Verwalterin i.S. des § 27 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) war, gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau, die auch hierbei durch denselben Bevollmächtigten vertreten wurden, die im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Gebäudeteile zu einem Festpreis in Höhe von 14 400 DM (auf die erworbene Eigentumswohnung entfallender Anteil: 300 DM/qm) instandzusetzen. Die in der Anlage zum Geschäftsbesorgungsvertrag aufgeführten Instandsetzungsarbeiten betrafen die Überholung des Daches, der Sanitärleitungen, der Fassade, der Kellergänge und des Treppenhauses sowie Architekten- und Behördenleistungen.

Sowohl der Kaufvertrag als auch der Geschäftsbesorgungsvertrag enthielten die Anweisung an den Notar, das Entgelt für die Modernisierung nach Weisung des Treuhänders auszuzahlen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 machten der Kläger und seine Ehefrau bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung den das gemeinschaftliche Eigentum betreffenden Bauaufwand in Höhe von 14 400 DM gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf drei Jahre verteilt als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht und behandelte diese Aufwendungen als Teil der Anschaffungskosten, die nur im Rahmen der erhöhten Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich zu berücksichtigen seien.

Einspruch und Klage blieben im wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die hier streitigen Bauaufwendungen als Anschaffungsnebenkosten, da sie geleistet worden seien, um die erworbene Eigentumswohnung in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff der Anschaffungskosten verkannt. Den vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Grundsätzen zur Behandlung von anschaffungsnahen Aufwendungen als Anschaffungskosten oder Herstellungskosten könne nicht gefolgt werden. Außerdem liege ohnehin Erhaltungsaufwand vor, da weder eine umfassende Renovierung vorgenommen worden sei, noch die dadurch entstandenen Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis hoch seien. Der Kaufvertrag und der Geschäftsbesorgungsvertrag bildeten entgegen der Auffassung des FA auch keine Einheit; denn die Vertragsparteien seien verschiedene Personen. Ferner hätten der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück auch ohne Abschluß des Geschäftsbesorgungsvertrags erworben.

Der Kläger beantragt, zum Teil sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung, die Einkommensteuer 1984 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4 605 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Aufwendungen für die Instandsetzung der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Gebäudeteile als Anschaffungskosten gewürdigt.

1. Das FG ist mit der ständigen Rechtsprechung des BFH zutreffend davon ausgegangen, daß Anschaffungskosten alle Aufwendungen sind, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden Zustand zu versetzen (Urteil des erkennenden Senats vom 24.Februar 1987 IX R 114/82, BFHE 149, 233, BStBl II 1987, 810, Ziff.1.b der Gründe). Dazu gehören neben dem Anschaffungspreis auch alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsgutes stehen, soweit diese Aufwendungen dem einzelnen Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Ausschlaggebend ist dabei die wirtschaftliche Zweckbestimmung der Aufwendungen. Zu den Anschaffungskosten gehören deshalb auch solche Zahlungen des Erwerbers an den Veräußerer, die von den Vertragsparteien nicht als Kaufpreis bezeichnet werden, gleichwohl aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach ihrer Zweckbestimmung dem Erwerb des Wirtschaftsguts dienen (Urteil des erkennenden Senats in BFHE 149, 233, BStBl II 1987, 810).

Ferner hat der erkennende Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des II.Senats entschieden, daß Anleger im Bauherrenmodell als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen sind, wenn sie sich aufgrund eines von den Projektanbietern vorformulierten Vertragswerks beteiligen und sich bei den damit zusammenhängenden Rechtsgeschäften durch die Projektanbieter vertreten lassen (Urteil vom 14.November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299). Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt, daß erst die Verbindung der Verträge des Modells (Vertragsgeflecht) zu dem von den Beteiligten angestrebten Ziel führe, nämlich dem Anleger ein bebautes Grundstück zu verschaffen. Diese Verknüpfung der Verträge gebiete es, sämtliche Aufwendungen aufgrund dieser Verträge, soweit sie wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Übertragung des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude gerichtet seien, so zu beurteilen, als wären sie aufgrund nur eines einzigen Vertrages geleistet, der auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück mit einem bezugsfertigen Gebäude gegen Zahlung eines Gesamtpreises gerichtet sei. Es mache unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die für die Abgrenzung zwischen den sofort abziehbaren Werbungskosten und den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten maßgeblich seien, keinen Unterschied, ob Aufwendungen aufgrund eines einzigen Vertrages geleistet werden, der auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück mit einem Gebäude gegen Zahlung eines Gesamtpreises gerichtet sei, oder ob dieser Vertrag --nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen-- in eine Vielzahl von miteinander verflochtenen Verträgen aufgespalten werde, die nur in ihrer Gesamtheit bedeutsam und auf den gleichen Vertragszweck gerichtet seien (Urteil des erkennenden Senats in BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299, III.1.b und c der Gründe).

Diese Grundsätze können erst recht zum Tragen kommen, wenn bei der Veräußerung einer Eigentumswohnung in einem Altbau zugleich deren Renovierung vereinbart wird. Stellt der Verkäufer dem Erwerber bereits im Kaufvertrag Renovierungskosten in Rechnung, handelt es sich um einen Bestandteil des Kaufpreises und schon deshalb um Anschaffungskosten. Wird gleichzeitig mit dem Kaufvertrag ein Werk- oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Instandsetzung oder Modernisierung der in gemeinschaftlichem Eigentum befindlichen Gebäudeteile abgeschlossen, ist von einem einheitlichen auf die Anschaffung einer renovierten Eigentumswohnung in einem renovierten Gebäude gerichteten Vorgang auszugehen, wenn die Verträge in engem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

So liegt es im Streitfall. Der Kläger und seine Ehefrau haben eine renovierte und modernisierte Eigentumswohnung in einem modernisierten Haus erworben. Sowohl die Aufwendungen zur Modernisierung der Wohnung als auch die Kosten zur Instandsetzung und Renovierung der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Gebäudeteile sind Anschaffungskosten.

a) Zwar hat das FG --von seinem Standpunkt aus folgerichtig-- nicht geprüft, ob die vom Kläger und seiner Ehefrau abgeschlossenen Verträge auf den Erwerb der Wohnung im vollständig renovierten Zustand ausgerichtet waren. Hat die Vorinstanz --wie hier-- eine notwendige Auslegung unterlassen, kann sie aber das Revisionsgericht selbst vornehmen, wenn das FG die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat (vgl. nur BFH-Urteil vom 11.Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267). Dies ist hier der Fall.

b) Für den Erwerb einer renovierten Eigentumswohnung spricht zunächst, daß der Geschäftsbesorgungsvertrag gleichzeitig mit dem notariellen Kaufvertrag vom 2.März 1984 abgeschlossen wurde. Diesen Verträgen lagen ebenfalls gleichzeitig ausgestellte Vollmachtsurkunden vom 28.Februar 1984 zugrunde, die dem Bevollmächtigten weitreichende Vollmachten hinsichtlich der Ausgestaltung der Verträge einräumten. Zudem betrifft die Vollmacht u.a. den auf die Modernisierung entfallenden Kaufpreisteil.

Entscheidend für die Annahme eines wirtschaftlich einheitlichen Rechtsgeschäfts ist der enge sachliche Zusammenhang der Verträge. Entgegen der Auffassung des Klägers ist von einer bautechnisch auf die Sanierung und Modernisierung des gesamten Gebäudes gerichteten Vorplanung auszugehen. Die Instandsetzungsmaßnahmen konnten sinnvoll nur im Rahmen einer einheitlich geplanten Baumaßnahme durchgeführt werden. So stehen die aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages vorzunehmende Überholung der Sanitärleitungen, die aufgrund des Kaufvertrages geschuldete Erneuerung der Steigleitungen und die Einbauten von Duschbädern und Heizungsanlagen ebenso in einem konkreten unlösbaren Zusammenhang wie der im Kaufvertrag vorgesehene Einbau neuer Fenster und die im Geschäftsbesorgungsvertrag vereinbarten Maurerarbeiten zur Überholung der Fassade. Es handelt sich um ein auf das gesamte Gebäude bezogenes Renovierungskonzept.

Auch die als Gegenleistung für die Modernisierung und Instandsetzung vereinbarten Pauschalen von 2 x 300 DM/qm Wohnfläche lassen auf eine aufeinander abgestimmte und im vorhinein getroffene Kalkulation schließen und sprechen für eine einheitlich geplante und durchgeführte Baumaßnahme, die die Renovierung und Instandsetzung des gesamten Gebäudes umfaßte und lediglich --vor dem Hintergrund steuerlicher Erwägungen-- auf zwei Verträge aufgeteilt wurde.

Der enge sachliche Zusammenhang zwischen den abgeschlossenen Verträgen wird auch durch die Art und Weise der für die Modernisierung insgesamt gleichzeitig zu leistenden Zahlung deutlich.

Hiernach war auch die Renovierung des auf die Wohnung entfallenden Anteils am Gemeinschaftseigentum Gegenstand des Anschaffungsvorgangs, da die abgeschlossenen Verträge insbesondere wegen der einheitlichen Baumaßnahme wirtschaftlich in einer Weise miteinander verknüpft sind, welche die vollständig renovierte Eigentumswohnung in dem instandgesetzten Haus als einheitlichen Leistungsgegenstand erscheinen lassen.

2. Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Prüfung mehr, ob die strittigen Aufwendungen auch als Nebenkosten der Anschaffung gewertet werden könnten, wie das FG meint.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht vom Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22.August 1966 GrS 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) ab. Der Große Senat hat dort ausgeführt, es lägen regelmäßig Herstellungskosten und nicht Anschaffungskosten vor, wenn nach dem Erwerb eines Gebäudes im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht werden, die das Wesen des Gebäudes verändern, den Nutzungswert erheblich erhöhen oder die Nutzungsdauer erheblich verlängern. Das kann jedoch nicht gelten, wenn diese Aufwendungen bereits aufgrund der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als Gegenleistung für die Übergabe eines renovierten Gebäudeteils und mithin als Anschaffungskosten anzusehen sind.

Der Senat läßt unerörtert, ob die Aufspaltung des einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs in mehrere Verträge auch als eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beurteilen sein könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63669

BFH/NV 1991, 73

BStBl II 1991, 918

BFHE 165, 245

BFHE 1992, 245

BB 1992, 1622

BB 1992, 1622-1624 (LT)

DB 1991, 2318-2320 (LT)

DStR 1991, 1520 (KT)

DStZ 1991, 761 (KT)

HFR 1991, 704 (LT)

StE 1991, 382 (K)

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