Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte

 

Leitsatz (amtlich)

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können einem einzelnen Miteigentümer nur dann (anteilig) zugerechnet werden, wenn und soweit er in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand des § 21 Abs. 1 EStG erfüllt. Für die nachrangige Entscheidung der anteiligen Zurechnung sind grundsätzlich die zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnisse (§§ 743, 748 BGB) maßgebend.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine seit März 1988 von ihm getrennt lebende, inzwischen geschiedene frühere Ehefrau waren je zur ideellen Hälfte Eigentümer dreier in Form von Bauherrenmodellen hergestellter Eigentumswohnungen sowie eines Hausgrundstücks.

Im Mai 1988 hatten die früheren Eheleute eine mündliche Vereinbarung getroffen, wonach der alleinige Besitz an den drei Eigentumswohnungen auf den Kläger übergehen und diesem seither alle Einnahmen aus den vermieteten Objekten allein zustehen, der Kläger zugleich alle mit den Wohnungen zusammenhängenden Ausgaben tragen sowie die auf den Wohnungen ruhenden Belastungen übernehmen sollte. Obgleich bestehende Mietverträge jedenfalls teilweise sowohl im Namen des Klägers als auch seiner früheren Ehefrau abgeschlossen worden waren, wurden die Mieter zunächst von dieser Vereinbarung nicht unterrichtet; der Kläger hielt dies nach seinen Angaben nicht für erforderlich, da er bereits zuvor allein die Vertragsabwicklung übernommen habe. In einem späteren, im Jahre 1992 über eine Eigentumswohnung geschlossenen Mietvertrag sind als Vermieter der Kläger und seine frühere Ehefrau aufgeführt; den Mietvertrag hat jedoch der Kläger allein unterschrieben. Das für die Mietzahlungen eingerichtete Konto, das auf den Kläger und seine frühere Ehefrau gemeinsam lautete, wurde beibehalten und erst im November 1993 auf den Kläger allein umgeschrieben.

Während sich aus der Vermietung der Eigentumswohnungen im Jahr 1989 (Streitjahr) jeweils Werbungskostenüberschüsse in Höhe von insgesamt 60 758 DM ergaben, führte die Vermietung des Hausgrundstücks zu positiven Einkünften in Höhe von 1 004 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte diese Einkünfte zunächst gesondert und einheitlich fest und verteilte sie zu gleichen Teilen auf den Kläger und seine frühere Ehefrau. Im Rahmen eines gegen diesen Feststellungsbescheid gerichteten Klageverfahrens änderte das FA den Bescheid in der Weise, daß nur noch die Einkünfte aus dem Hausgrundstück in die Feststellung einbezogen und dem Kläger und seiner früheren Ehefrau je zur Hälfte zugerechnet wurden. Zur Begründung führte das FA aus, daß die frühere Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Eigentumswohnungen keine Einkünfteerzielungsabsicht besessen habe und daher mangels Beteiligung mehrerer an den Einkünften insoweit die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung nicht vorgelegen hätten. Der geänderte Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.

Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr berücksichtigte das FA anschließend die Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung der Eigentumswohnungen nur noch jeweils zur Hälfte. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Es hat betont, es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, daß ab Mai 1988 lediglich der Kläger die drei Eigentumswohnungen zu Vermietungszwecken genutzt habe; dies werde insbesondere durch die Aufhebung des ursprünglich (auch) für diese Objekte erlassenen Feststellungsbescheides deutlich. Die im Mai 1988 getroffene Vereinbarung über die von dem zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnis abweichende Verteilung der Einnahmen und Ausgaben, die dem sog. Fremdvergleich standhalte, sei steuerrechtlich zu berücksichtigen.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts: Entgegen der Ansicht des FG sei die Vereinbarung vom Mai 1988 steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen. Nachdem der Kläger erstmals in den im Jahre 1994 geschlossenen Verträgen auf eine "Besitzübergabe im Mai 1988" hingewiesen habe, fehle es an dem Erfordernis, daß eine derartige Vereinbarung vor dem Leistungsaustausch klar und ernsthaft vorliegen müsse. Im übrigen wäre die Vereinbarung auch unter Fremden so nicht getroffen worden, da die zu übernehmenden Belastungen der Grundstücke deren Werte nach der Darstellung des Klägers weit überstiegen. Jedenfalls aber könnten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nur in Höhe des Miteigentumsanteils des Klägers berücksichtigt werden. Der Kläger könne nicht als wirtschaftlicher Eigentümer i.S. des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) angesehen werden, da er seine frühere Ehefrau als Miteigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer nicht von der Einwirkung auf die Wirtschaftsgüter habe ausschließen können. Der bloße Besitz reiche für die Begründung wirtschaftlichen Eigentums nicht aus. Es bleibe somit bei der zivilrechtlichen Zuweisung, wonach im Streitjahr die Eigentumswohnungen beiden Miteigentümern zuzurechnen seien.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die strittigen Einkünfte zu Unrecht dem Kläger in vollem Umfang zugerechnet.

1. Nachdem das FA mit bestandskräftigem Feststellungsbescheid entschieden hatte, daß mangels Beteiligung mehrerer Personen an den hier strittigen Einkünften aus der Vermietung der Eigentumswohnungen die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung dieser Einkünfte gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 nicht vorgelegen haben, war das FA nicht gehindert, nunmehr im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu prüfen, in welchem Umfang dem Kläger die bezeichneten Einkünfte zuzurechnen waren. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO zur Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der strittigen Einkünfte scheidet mithin im Streitfall aus.

2. Vor der Beurteilung der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte ist zunächst festzustellen, wer den Tatbestand der jeweiligen Einkunftsart erfüllt hat, und zwar sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht.

Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen; er muß Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag sein (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615). In subjektiver Hinsicht setzt die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Überschußerzielungsabsicht voraus (Senatsurteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 2. a, m.w.N.).

Auch bei Miteigentümern ist daher grundsätzlich zunächst zu prüfen, ob diese z.B. ein Gebäude oder einen Gebäudeteil gemeinschaftlich vermietet und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht haben. Einer Vereinbarung zwischen Miteigentümern, wonach z.B. lediglich ein Miteigentümer das betreffende Wirtschaftsgut zum Zwecke der Vermietung nutzen soll, kann in diesem Zusammenhang dann Bedeutung zukommen, wenn aufgrund der Vereinbarung tatsächlich nur der eine Miteigentümer vermietet. In diesem Fall stellt sich die Frage nach der Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte nicht mehr, weil nur der eine Miteigentümer alleine den --objektiven-- Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt.

Haben Miteigentümer hingegen z.B. ein Gebäude oder einen Gebäudeteil gemeinschaftlich vermietet und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht, so ist weiterhin zu untersuchen, ob sie jeweils auch den subjektiven Tatbestand erfüllt, d.h. mit Überschußerzielungsabsicht gehandelt haben.

Erst wenn feststeht, daß Miteigentümer gemeinschaftlich in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht und mithin gemeinschaftlich Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 EStG erzielt haben, stellt sich die Frage nach der anteiligen Zurechnung dieser Einkünfte, wobei hierfür grundsätzlich die zivilrechtlichen Beteiligungsverhältnisse (§§ 743, 748 des Bürgerliches Gesetzbuches --BGB--) maßgebend sind (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. Januar 1999 IX R 17/95, BFHE 188, 53, BStBl II 1999, 360, m.w.N.). Allerdings können nach der Rechtsprechung die Miteigentümer eine von dem Beteiligungsverhältnis abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen und Ausgaben treffen; steuerrechtlich soll eine solche Vereinbarung bei der Zurechnung der Einkünfte dann zu beachten sein, wenn in ihr keine Verwendung des Einkommens zu sehen ist, sondern sie ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat (z.B. Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890, m.w.N.).

3. a) Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Das FG hat nicht im einzelnen geprüft, wer im Streitjahr die Einkünfte aus der Vermietung der drei Eigentumswohnungen erzielt hat. Es hat lediglich betont, es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, daß ab Mai 1988 nur der Kläger die drei Eigentumswohnungen zu Vermietungszwecken genutzt habe, und es insoweit für unschädlich gehalten, daß im Jahre 1992 die frühere Ehefrau noch in einem Mietvertrag als Vermieterin genannt worden ist. Es hat in diesem Zusammenhang hingegen zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß die Mieter über die Vereinbarung der früheren Eheleute vom Mai 1988 nicht unterrichtet worden sind, obgleich jedenfalls teilweise bestehende Mietverträge sowohl im Namen des Klägers als auch seiner früheren Ehefrau abgeschlossen worden waren. Es hat ferner unberücksichtigt gelassen, daß die Mietzahlungen im Streitjahr auf ein Konto geleistet worden sind, das --bis zu einer Änderung im November 1993-- auf den Kläger und seine frühere Ehefrau gemeinsam lautete.

b) Aus den genannten, vom FG insoweit zwar festgestellten, aber nicht gewürdigten Umständen ergibt sich jedoch, daß die frühere Ehefrau des Klägers auch nach der Vereinbarung vom Mai 1988 noch nach außen als Vermieterin aufgetreten ist: Zum einen ist sie mangels entsprechender Änderung derjenigen Mietverträge, die zuvor auch in ihrem Namen abgeschlossen worden waren, bürgerlich-rechtlich nicht aus ihren Rechten und Pflichten als Vermieterin entlassen worden. Zum anderen sind ihr die Mietzinszahlungen auch zugeflossen, indem diese auf das gemeinsame Konto der Eheleute geleistet worden sind.

Danach ist davon auszugehen, daß neben dem Kläger auch dessen frühere Ehefrau im Streitjahr den objektiven Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus der Vermietung der Eigentumswohnungen verwirklicht hat. Angesichts dessen kann unabhängig davon, ob das FA --was im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen ist-- eine Einkünfteerzielungsabsicht der früheren Ehefrau des Klägers zu Recht verneint hat, entgegen der Ansicht des FG jedenfalls nicht davon gesprochen werden, der Kläger habe die Eigentumswohnungen im Streitjahr allein zu Vermietungszwecken genutzt.

c) Schließlich kann die Entscheidung des FG, die Einkünfte aus der Vermietung der Eigentumswohnungen allein dem Kläger zuzurechnen, nicht auf die Vereinbarung vom Mai 1988 gestützt werden. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine abweichende Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte aufgrund einer Vereinbarung von Miteigentümern steuerrechtlich möglich ist. Der Senat kann auch dahingestellt sein lassen, ob die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs auch für Verträge zwischen getrennt lebenden Ehegatten uneingeschränkt Anwendung finden. Im Streitfall kann jedenfalls die Vereinbarung vom Mai 1988 deshalb steuerrechtlich keine Berücksichtigung finden, weil sie nicht tatsächlich durchgeführt worden ist. Wie oben dargestellt, ist die frühere Ehefrau mangels entsprechender Änderung derjenigen Mietverträge, die zuvor auch in ihrem Namen abgeschlossen worden waren, bürgerlich-rechtlich nicht aus ihren Rechten und Pflichten als Vermieterin entlassen worden. Zudem sind im Streitjahr die Mietzinszahlungen dadurch auch ihr zugeflossen, daß sie auf das gemeinsame Konto der früheren Eheleute geleistet worden sind.

4. Die Sache ist spruchreif. Da zum einen der Kläger im Streitjahr nicht allein den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus der Vermietung der Eigentumswohnungen verwirklicht hat, zum anderen die strittigen Einkünfte ihm auch nicht aufgrund einer steuerrechtlich zu berücksichtigenden Vereinbarung allein zuzurechnen sind, ist die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 55043

BFH/NV 2000, 118

BFHE 2000, 82

BB 1999, 2281

DB 1999, 2245

DStR 1999, 1763

DStRE 1999, 862

DStZ 2000, 54

HFR 2000, 275

StE 1999, 673

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