Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflichtige Karenzentschädigung oder steuerfreie Abfindung

 

Leitsatz (NV)

Bei der Abgrenzung einer steuerpflichtigen Karenzentschädigung von einer steuerfreien Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG sind alle Unterlagen in ihrem wesentlichen Inhalt heranzuziehen und insgesamt zu würdigen.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 9

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Betrag von . . . DM als steuerfreie Abfindung i. S. des § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder als steuerpflichtige Karenzentschädigung (vgl. § 74 des Handelsgesetzbuches - HGB -) zu erfassen ist.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war bei der Firma . . . GmbH (GmbH) beschäftigt; das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. Juni 1982 wegen Auflösung der Betriebskrankenkasse, deren Geschäftsführer der Kläger war, in gegenseitigem Einvernehmen beendet.

Lt. Entlassungsmeldung vom 21. Dezember 1981 erhielt der Kläger eine Zahlung gemäß § 13 des Arbeitsvertrages und eine Abfindung für drei Monate aus dem Jahresdurchschnittseinkommen . . .

In § 13 des Arbeitsvertrages ist u. a. bestimmt:

,,Herr . . . verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein, auch weder unmittelbar noch mittelbar an der Gründung oder dem Betriebe eines solchen mitzuwirken.

Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt die Firma an Sie als Entschädigung die Hälfte der zuletzt gewährten Bezüge. Im übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 74 ff. des HGB. . . ."

Nach einer von der GmbH unter Berücksichtigung des § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Erwerbs) erstellten Berechnung vom 28. Juli 1982 betrug die ,,Karenzentschädigung" . . . DM monatlich, die dem Kläger auch ausgezahlt wurde.

Mit Schreiben vom 13. August 1982 an die GmbH wandte der Kläger hiergegen u. a. ein, ihm sei bei der Festlegung der Abfindung mündlich zugesichert worden, daß die ,,Karenzentschädigung" ein halbes Monatseinkommen betrage und erst gekürzt würde, wenn sein neues Monatseinkommen das bisherige Monatseinkommen überschritte. Erst auf diese Zusicherung hin sei es zur Annahme des Abfindungsangebots gekommen. Die von der GmbH vorgenommene Berechnung sei für ihn nachteilig. Wäre damals von der gesetzlichen Karenzentschädigung ausgegangen worden, hätte er dem Abfindungsangebot nicht zustimmen können.

Diesen Einwendungen entsprechend berechnete die GmbH die ,,Karenzentschädigung" auf . . . DM monatlich. Die Abfindung in Höhe von . . . DM wurde steuerfrei ausbezahlt, die monatliche ,,Karenzentschädigung" wurde der Lohnsteuer unterworfen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die Abfindung steuerfrei, erfaßte aber die ,,Karenzentschädigung" in Höhe von insgesamt . . . DM als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, die monatlichen Mehrbeträge von . . . DM stellten eine weitere Abfindung dar und seien daher nach § 3 Nr. 9 EStG bis zu . . . DM steuerfrei. Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) führte aus: Ob eine Abfindung oder eine Karenzentschädigung vorliege, sei unabhängig von den gewählten Bezeichnungen nach den getroffenen Vereinbarungen zu beurteilen. Dem FA sei zuzugeben, daß dem Kläger lt. Arbeitsvertrag und Entlassungsmitteilung nur eine Abfindung für drei Monate zugestanden habe, daß der . . . DM übersteigende Betrag als Karenzentschädigung bezeichnet worden sei und daß die GmbH die Entschädigung der Lohnsteuer unterworfen habe. Gleichwohl könnten die Mehrbeträge nicht als Karenzentschädigung qualifiziert werden: Aufgrund des Schreibens vom 13. August 1982 seien die Vereinbarungen nachträglich geändert worden, und zwar außerhalb des Arbeitsvertrages. Zu diesem Schreiben habe der Kläger geltend gemacht, daß er sich mit der Abfindung von drei Monatsgehältern nicht zufrieden gegeben hätte, wenn ihm der Umfang der vertraglich und gesetzlich bestimmten Karenzentschädigung klar gewesen wäre. Es sei auch kein Grund ersichtlich, der die GmbH veranlaßt haben könnte, die Karenzentschädigung zu erhöhen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 3 Nr. 9 EStG und trägt vor: Aus dem Schreiben vom 19. April 1983 der GmbH ergebe sich, daß die Karenzentschädigung auf . . . DM erhöht worden sei. Nach dem Willen der Beteiligten habe die Zahlung eindeutig eine Karenzentschädigung sein sollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zwar hat das FG die Rechtslage zutreffend wiedergegeben, jeoch läßt sich auf der Grundlage des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht abschließend beurteilen, ob der streitige Betrag als steuerfreie Abfindung i. S. des § 3 Nr. 9 EStG oder als steuerpflichtige Karenzentschädigung zu qualifizieren ist.

Die entscheidende Frage, inwieweit die vereinbarten Zahlungen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses geleistet wurden (und daher nach § 3 Nr. 9 Satz 1 EStG steuerfrei sind) oder inwieweit dies nur gelegentlich eines solchen Ereignisses zur Abgeltung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots geschah, kann der Senat nicht aus eigener Anschauung beantworten. Hierzu hätten alle für die Auslegung der (nach Meinung des FG abgeänderten) Zahlungsvereinbarungen maßgeblichen Unterlagen in ihrem wesentlichen Inhalt mitgeteilt und einer Gesamtwürdigung unterzogen werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Für den Senat sind die für die Zahlung der . . . DM letztlich maßgeblichen Erwägungen der Vertragspartner aus dem FG-Urteil ebensowenig erkennbar wie die Berechnungsmodalitäten.

Die fehlenden Feststellungen werden nunmehr im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417256

BFH/NV 1991, 293

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