Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage der Mitunternehmerschaft ist im Verfahren der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrags selbständig zu beurteilen. Die Entscheidung in einem vorausgegangenen Einkommensteuerverfahren ist auch dann nicht bindend, wenn eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nach § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO ergangen ist.

2. Die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilen. Unter besonderen Umständen kann der Gesellschafter einer OHG oder KG steuerlich nicht als Mitunternehmer, sondern als Angestellter der Gesellschaft anzusehen sein.

3. Der Senat übernimmt die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, daß u. U. bei leitenden Angestellten, die mindestens mit 25 v. H. am Gewinn beteiligt sind, im Sinn des § 8 Ziff. 3 GewStG ein der stillen Gesellschaft wirtschaftlich ähnliches Verhältnis angenommen wird. Eine Ausweitung dieser Rechtsprechung lehnt der Senat ab.

 

Normenkette

AO §§ 215, 218; EStG § 15 Nr. 2; GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2, § 8 Ziff. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Bezüge zweier Gesellschafter dem Gewinn der Beschwerdegegnerin (Bgin.), einer KG, zuzurechnen sind.

Die Herren Dr. G und Dr. W waren seit 1936 bzw. 1937 Prokuristen bei der Bgin. Ab 1. Juli 1948 wurden sie als persönlich haftende, geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter ohne Kapitaleinlage in die Gesellschaft aufgenommen und anschließend im Handelsregister eingetragen. Sie erhalten als Gesellschafter ein festes Monatsgehalt und eine Tantieme von 6 v. H. des Reingewinns, wie er sich nach einer 5 %igen Verzinsung der Kapitaleinlage der übrigen (kapitalbeteiligten) Gesellschafter ergibt. Bezüge in gleicher Höhe hatten die beiden Herren auch schon als Angestellte gehabt. Sie können nach dem Gesellschaftsvertrag kein Kapitalkonto bilden; ihre Gehälter und Tantiemen müssen sie alsbald nach Fälligkeit entnehmen. Am Verlust des Unternehmens sind sie nicht beteiligt. Bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses erhalten sie nichts. Konkurrenzklausel, Urlaub, Ruhegehalt und Witwenversorgung sind in der bei leitenden Angestellten üblichen Weise geregelt. Gesellschafterbeschlüsse sind grundsätzlich einstimmig zu fassen. Die kapitalbeteiligten Gesellschafter können rechtsverbindliche Beschlüsse gegen die beiden Herren fassen. Werden diese aus solchen Beschlüssen von Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen, so müssen die kapitalbeteiligten Gesellschafter sie schadlos halten.

Das Finanzgericht hat bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für II/1948 und 1949 entschieden, die beiden Gesellschafter seien nicht Mitunternehmer, sondern auch als Gesellschafter wirtschaftlich wie bisher leitende Angestellte. Ihre Bezüge müßten deshalb als Betriebsausgaben der Bgin. behandelt werden. In der rechtskräftigen einheitlichen Gewinnfeststellung für 1950 ist das Finanzamt dieser Rechtsauffassung gefolgt. Die Bezüge der beiden Herren sind dem Lohnsteuerabzug unterworfen und von den Wohnsitzfinanzämtern als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit veranlagt worden.

Im Gewerbesteuerverfahren rechnete das Finanzamt die Bezüge der beiden Gesellschafter (Gehalt und Tantieme) gemäß § 8 Ziff. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn wieder zu.

Das Finanzgericht lehnte die Zurechnung ab und führte aus: Wenn auch die beiden Herren nach dem Gesellschaftsvertrag persönlich haftende Gesellschafter seien, so habe sich im Innenverhältnis nichts geändert. Sie seien wirtschaftlich nach wie vor leitende Angestellte mit Gewinnbeteiligung. Sie hätten auch nicht ihre Stellung zu der eines echten Mitunternehmers oder gar nur eines stillen Gesellschafters ausbauen können. Eine erhebliche Gewinnbeteiligung, wie sie nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 177/40 vom 17. Juli 1940 (Reichssteuerblatt -- RStBl -- S. 915) für die Zurechnung nach § 8 Ziff. 3 GewStG vorausgesetzt werde, liege nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde, mit der der Vorsteher des Fi. nanzamts unrichtige Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG rügt, ist nicht begründet.

Nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG ist die Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft nicht immer ein Gewerbebetrieb. Bei diesen Gesellschaften löst nicht, wie gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG bei Kapitalgesellschaften, die Rechtsform als solche die Gewerbesteuerpflicht aus. Es muß vielmehr dazu kommen, daß die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind.

Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) hat das Finanzamt für die Zwecke der Einkommensteuer die Mitunternehmerschaft der beiden Herren verneint. Diese Entscheidung ist aber für das vorliegende Gewerbesteuerverfahren nicht bindend. Im allgemeinen entspricht es dem Willen des Gesetzes und dient der Vereinfachung, den im Einkommensteuerverfahren festgestellten Gewinn ohne erneute Prüfung für die Zwecke der Gewerbesteuer zu übernehmen. Eine rechtliche Bindung besteht aber nicht. Denn nach § 7 GewStG ist der Gewinn, der der Ermittlung des Gewerbeertrags zugrunde gelegt wird, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln. Diese Fassung läßt erkennen, daß die Ermittlung im Gewerbesteuerverfahren selbständig zu geschehen hat. Der einkommensteuerliche Gewinn, der in seiner Höhe von der Frage der Mitunternehmerschaft der beiden Herren abhängt, kann deshalb nicht ohne weiteres für die Zwecke der Gewerbesteuer übernommen werden. Auch der Umstand, daß er im Sonderverfahren nach § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO festgestellt worden ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung (vgl. auch Abschn. 39 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Richtlinien -- GewStR -- 1951). Die Frage, ob die beiden Herren Mitunternehmer sind, muß deshalb im vorliegenden Gewerbesteuerverfahren selbständig entschieden werden.

Die Gesellschafter einer OHG oder KG sind regelmäßig Mitunternehmer im Sinne des § 15 Ziff. 2 EStG. Nur unter besonderen Umständen ist auf Grund der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine andere Beurteilung möglich, wie in den Urteilen des Reichsfinanzhofs VI A 611/30 vom 15. Januar 1931 (Slg. Bd. 27 S. 332, RStBl S. 275) und VI 236/41 vom 18. März 1942 (Slg. Bd. 51 S. 270, RStBl S. 618) bereits ausgesprochen worden ist. Das Schrifttum ist dieser Auffassung beigetreten (vgl. Brönner, Die Besteuerung der Gesellschaften, 8. Aufl. S. 36; Blümich-Falk, 7. Aufl. Bem. 13a zu § 15 EStG; ferner Hinweis in "Der Betrieb" 1955 S. 859). Ob ein Rechtsverhältnis wirtschaftlich als Mitunternehmerschaft anzusehen ist, muß nach dem Gesamtbild im Einzelfall entschieden werden. Gewöhnlich ist der Mitunternehmer außer am Gewinn auch am Vermögen der Gesellschaft, an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich dem Geschäftswert sowie am Verlust des Unternehmens beteiligt. Je nach den Umständen des Falles können bei wirtschaftlicher Betrachtung aber auch andere Gesichtspunkte in den Vordergrund treten. So hat im Urteil des Bundesfinanzhofs I 88/53 U vom 12. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 496, Bundessteuerblatt -- BStBl -- III S. 101) der Senat das Schwergewicht auf die Gewinnbeteiligung gelegt; der fehlenden Beteiligung an den stillen Reserven, die wirtschaftlich nicht ins Gewicht fielen, hat er demgegenüber weniger Bedeutung beigemessen. Im vorliegenden Fall sind die beiden Herren weder am Vermögen noch an den stillen Reserven, die bei dem gut gehenden Unternehmen in erheblichem Umfang anwachsen dürften, beteiligt. Wenn die Gesellschaft endet, haben sie keinen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, das auf Grund einer Auseinandersetzungsbilanz zu ermitteln wäre. Ihr Unternehmerwagnis ist stark eingeschränkt, da sie am bilanzmäßigen Verlust nicht teilnehmen. Auf der anderen Seite haften sie als Komplementäre gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft unbeschränkt und unbeschränkbar. Sie müssen sich von den Gläubigern als Mitunternehmer behandeln lassen und können sich ihnen gegenüber auf die internen Vereinbarungen nicht berufen. Sie haben übrigens auch im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern ein gewisses Risiko zu tragen. Sie sind nämlich an den verlustbringenden Geschäften, denen sie zugestimmt haben, beteiligt. Einen Anspruch auf Schadloshaltung gegenüber den kapitalbeteiligten Gesellschaftern haben sie nur aus Geschäften, bei denen sie überstimmt worden sind. Der Frage der Haftung nach außen kann im Rahmen des Gesamtbildes im einzelnen Fall überwiegende Bedeutung zukommen. Wirtschaftlich kommt auch in Betracht, daß die beiden Herren mittelbar ein gewisses Risiko tragen, weil ihre beträchtliche Altersversorgung mit dem wirtschaftlichen Gedeihen des Unternehmens steht und fällt. Wenn im vorliegenden Fall aber das Finanzgericht diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht beigelegt, sondern den anderen, gegen die Mitunternehmerschaft sprechenden Umständen größere Bedeutung beigemessen hat, so konnte es im Rahmen des ihm zustehenden Rechts der freien Tatsachen- und Beweiswürdigung ohne Rechtsverstoß zu der Feststellung kommen, daß keine Mitunternehmerschaft, sondern ein angestelltenähnliches Rechtsverhältnis vorliege.

Auch die Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG hat das Finanzgericht abgelehnt. Nach dieser Vorschrift sind die Gewinnanteile und Gehälter der stillen Gesellschafter dem Gewinn, den sie gemindert haben, wieder zuzurechnen. Eine eigentliche stille Gesellschaft im handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Sinn liegt zweifellos nicht vor. Die beiden Herren sind handelsrechtlich persönlich haftende Gesellschafter, steuerlich, wie ausgeführt, gewinnbeteiligte leitende Angestellte. Keinesfalls sind sie stille Gesellschafter. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat allerdings im Gewerbesteuerrecht den Begriff der stillen Beteiligung in verschiedener Hinsicht weiter gefaßt als im Handelsrecht und im Einkommensteuerrecht (§ 20 Abs. 1 Ziff. 2 EStG). So ist z. B. für eine stille Gesellschaft eine Vermögenseinlage nicht erforderlich; die Einlage kann auch in Diensten des Gesellschafters bestehen, sofern die Dienste in Geld schätzbar sind und der Gesellschaft Aufwendungen ersparen. Ferner sind Dauerarbeitsverhältnisse u. U. als gesellschaftsähnliche Verhältnisse der stillen Gesellschaft im Sinne des § 8 Ziff. 3 GewStG gleichgestellt worden. Im Urteil des Reichsfinanzhofs VI 154/38 vom 16. März 1938 (Slg. Bd. 43 S. 272, RStBl S. 556) wurde ein gesellschaftsähnliches Verhältnis angenommen, wenn der Sohn, der später voraussichtlich das Geschäft übernahm, auf Grund eines Dauervertrags den Betrieb des alternden Vaters leitete und neben dem festen Gehalt eine erhebliche Gewinnbeteiligung erhielt. Das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 391/38 vom 27. Juli 1938 (RStBl S. 908), das ebenfalls einen Familienbetrieb betraf, betonte, daß eine Gewinnbeteiligung gegeben sein müsse; eine Umsatzbeteiligung genüge nicht. Im Urteil des Reichsfinanzhofs VI 177/40 vom 17. Juli 1940 (RStBl S. 915) war der leitende Angestellte mit dem Geschäftsinhaber nicht verwandt. Er erhielt neben dem festen Gehalt eine Umsatzprovision und eine Gewinnbeteiligung von 25 v. H. Das vom Finanzgericht angeführte Urteil VI 177/40 führt unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 23. August 1939 (Steuer und Wirtschaft 1939 Nr. 449) aus, im allgemeinen sei eine Gewinnbeteiligung von 25 v. H. als erheblich für die Begründung eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses anzusehen.

Der Senat hält im Hinblick auf das Wesen der Gewerbesteuer als Realsteuer an dieser Rechtsprechung grundsätzlich fest, wenngleich sie den Begriff der stillen Gesellschaft abweichend vom Einkommensteuerrecht bestimmt, damit für verwandte Rechtsgebiete verschieden auslegt und in gewissem Maße auch die Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis erschwert. Der Senat lehnt es für die Regel aber ab, die Rechtsprechung auf Fälle auszuweiten, in denen die Gewinnbeteiligung weniger als 25 v. H. beträgt. Der Hinweis des Finanzamts, daß in solchen Fällen erhebliche Teile des Ertrags gewerbesteuerlich nicht erfaßt würden, ist an sich für die Auslegung des § 8 Ziff. 3 GewStG nicht ausschlaggebend. Das Gesetz nimmt eben in Kauf, daß Gehälter, auch wenn sie erheblich sind und an leitende Angestellte gezahlt werden, den Gewerbeertrag mindern. Die Fälle der Zurechnung sind im Gesetz abschließend geregelt. Das Gesetz sieht offenbar einen gewissen Ausgleich auch darin, daß die Gehälter einschließlich der Tantiemen, die den Gewerbeertrag gemindert haben, zur Lohnsummensteuer herangezogen werden können.

Da im vorliegenden Fall die 6 %ige Gewinnbeteiligung der beiden Herren nicht als wesentlich angesehen werden kann, hat das Finanzgericht die Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG zutreffend abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425856

BStBl III 1956, 4

BFHE 1956, 9

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