Leitsatz (amtlich)

Ein teilweiser Verzicht des Unternehmers auf eine Lieferforderung stellt in aller Regel auch dann keine Vereinnahmung, sondern eine Kürzung. des Entgelts dar, wenn der Unternehmer nicht in seiner Eigenschaft als Lieferant, sondern als Gesellschafter seines Schuldners zum Zwecke dessen Sanierung verzichtet hat.

 

Normenkette

UStG 1951 § 5; UStDB 1951 § 10

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Antragstellerin – Astin –) betreibt eine Schiffswerft. Sie hat für Schiffsneubauten und Großreparaturen bis zum 31. Dezember 1962 ihre Ausfuhrvergütungsansprüche (§ 16 Abs. 2 UStG 1951) nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Ab 1. Januar 1963 wurde ihr der Übergang zur Berechnung der Vergütung nach den vereinbarten Entgelten (Soll-Einnahmen) gestattet (§ 73 Abs. 2 UStDB 1951). Mit dem Vergütungsantrag vom 17. Mai 1963 beantragte die Astin für das erste Vierteljahr 1963 Ausfuhrvergütung wegen einer Restforderung von 306 900 DM für einen Schiffsneubau, den sie im Auftrage einer Schiffahrtsgesellschaft (im folgenden AG) ausgeführt hatte. Das FA gab dem Antrag statt.

Bei einer Betriebsprüfung der AG stellte der Prüfer des für die AG zuständigen FA fest, daß die Astin auf die Forderung mit Schreiben vom 29. Mai 1962 in Höhe von 220 000 DM und durch schriftliche Erklärung vom 10. Januar 1963 in Höhe der restlichen 86 900 DM als Hauptgesellschafterin der AG zur Beseitigung der Überschuldung der AG verzichtet hatte. Im Prüfungsbericht wird ausgeführt, daß die AG die entsprechenden Buchungen bereits zum 31. Dezember 1961 vorgenommen habe. Vorstand und Wirtschaftsprüfer hätten übereinstimmend erklärt, daß der Forderungsverzicht bereits am 31. Dezember 1961 ausgesprochen und durch die erwähnten Schreiben lediglich schriftlich bestätigt worden sei. Der Prüfer und das FA sahen deshalb von einer Änderung der Bilanzen der AG ab.

Der Revisionskläger (FA) war der Auffassung, die Forderung von 306 900 DM sei am 1. Januar 1963 durch Verzicht bereits erloschen gewesen und es seien damit die Voraussetzungen für eine Vergütung nach vereinnahmten Entgelten nicht gegeben. Das FA forderte die Vergütung zurück.

Im Berufungsverfahren hatte die Astin Erfolg. Das FG ging davon aus, ein teilweiser Verzicht eines Unternehmehrs auf eine Lieferforderung stelle in aller Regel keine Vereinnahmung, sondern eine Kürzung des Entgelts dar. Die Astin habe aber nicht in ihrer Eigenschaft als Lieferantin, sondern als Gesellschafterin der AG zum Zwecke deren Sanierung verzichtet. Es komme nicht darauf an, ob die Astin für die Aufgabe der Forderung eine Gegenleistung in bürgerlich-rechtlichem Sinne erhalten habe; es reiche aus, daß sie durch ihre Verfügung über die Forderung – Verwendung als Gesellschaftereinlage – dafür einen geldwerten Vermögensvorteil erhalten habe, der wirtschaftlich dem Empfang der Forderungsvaluta gleichzusetzen sei. Wenn die Astin statt des Forderungsverzichts eine Bareinlage in Höhe des Forderungsbetrages geleistet und die AG aus dieser Einlage die Forderung durch Zahlung getilgt hätte, läge ein normaler Fall der Entgeltvereinnahmung vor. Ein wirtschaftlicher Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten bestehe nicht.

Nach den Feststellungen des FG besaß die Astin nahezu die Hälfte des Grundkapitals; am 2. Juli 1962 erwarb sie von dem anderen Hauptaktionär, der sich an der Sanierung nicht beteiligen wollte, dessen Aktienpaket und besitzt seitdem nahezu sämtliche Aktien der AG. Das FA hat den Verzicht einkommensteuerlich bei der Astin und körperschaftsteuerlich bei der AG als Gesellschaftereinlage behandelt. Gesellschaftsteuerlich hat das FA für Verkehrsteuern den Verzicht auf die 220 000 DM als Rechtsvorgang nach § 2 Nr. 4b des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 angesehen und rechtskräftig Gesellschaftsteuer dafür festgesetzt.

Die gegen die Belassung der Vergütung gerichtete, nunmehr als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde rügt unrichtige Anwendung geltenden Bundesrechts; es sei eine Gegenleistung von dem Empfänger der Lieferung nicht im Sinne des § 10 UStDB aufgewendet worden. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als wenn die Astin mit Rücksicht auf ihre Beteiligung von vornherein einen geringeren Preis für die Lieferung des Schiffs vereinbart und diesen Preis vereinnahmt hätte. Die Revision bezweifelt auch eine tatsächlich eingetretene Werterhöhung der Beteiligung; auch sei die Astin im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verzichts nur zu etwa 50 v. H. an der AG beteiligt gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach der nicht zu beanstandenden Feststellung des FG ist der Forderungsverzicht erst mit dem Schreiben der Astin vom 29. Mai 1962 und dessen Bestätigung durch das Schreiben der AG vom 30. Mai 1962 zustande gekommen. Zu dieser Zeit besaß die Astin jedoch nach der unbestrittenen Feststellung des FG erst knapp die Hälfte des Grundkapitals der AG. Eine gegebenenfalls durch den Forderungsverzicht eingetretene Werterhöhung der Beteiligung hätte der Astin daher auch nur zu diesem Anteil zugute kommen können. Dies hat das FG offenbar übersehen. Wenn die Astin demgegenüber ausführt, der Forderungsverzicht sei erst nach dem 10. September 1962 wirksam geworden und dieser Auffassung sei auch das FG gewesen, weil es der Berufung in vollem Umfang stattgegeben habe, so kann dem der Senat nicht folgen. Das FG hat eindeutig den Zeitpunkt des Verzichts auf Ende Mai 1962 festgestellt. Diese Feststellung ist nach dem Akteninhalt möglich und mangels begründeter Rügen für den Senat bindend. Mit dieser Feststellung steht jedoch die Zubilligung der vollen Vergütung nicht im Einklang. Das Urteil unterliegt deshalb schon aus diesem Grunde der Aufhebung.

Vorinstanz:

Die Besteuerungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist die denkbar breiteste. Während die Körperschaftsteuer nur den Gewinn, die Gesellschaftsteuer als eine spezielle Umsatzsteuer vornehmlich nur den Erwerb von Gesellschafts- und Forderungsrechten erfaßt, ist Gegenstand der Umsatzsteuer jegliche Roheinnahme. Die körperschaftoder gesellschaftsteuerliche Beurteilung braucht deshalb bei der Umsatzsteuer durchaus nicht zum gleichen Ergebnis zu führen. Vor allem knüpft die Umsatzsteuer an das tatsächlich gezahlte Entgelt an. Es würde dem Wesen der verhältnismäßig roh konzipierten Umsatzsteuer als einer allgemeinen Verbrauchsteuer widersprechen, im einzelnen Fall den Gründen einer Preisermäßigung nachzugehen. Die Astin verkennt auch, daß sie den Weg der beabsichtigten Sanierung nur deshalb in der nun einmal gewählten Form des Forderungsverzichts beschreiten konnte, weil sie neben ihrer Stellung als Gesellschafterin auch Lieferantin der AG gewesen ist. Die tatsächliche Gegebenheit ist für die Umsatzsteuer allein maßgebend. Es ist demnach umsatzsteuerlich belanglos, daß die Astin der AG auch einen Barzuschuß hätte gewähren können, den die AG zur Begleichung der Restforderung hätte verwenden können.

Da hiernach eine Vereinnahmung eines Entgelts nicht vorliegt, steht der Astin eine Vergütung nicht zu, ohne daß auf die weiteren Streitpunkte näher eingegangen werden muß. Insbesondere bedarf bei der hier vertretenen Auffassung die Frage der Werterhöhung der Beteiligung keiner Vertiefung, die gerade bei Aktien durchaus zweifelhaft sein kann, da die Bewertung einer Aktie von sehr verschiedenen Faktoren abhängt und eine bloße Erhöhung des Vermögens der AG im umsatzsteuerlichen Sinne kein genügend bestimmbares Entgelt darstellte.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung war die Berufung (Klage) gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557499

BStBl II 1968, 466

BFHE 1968, 125

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