Leitsatz (amtlich)

Wird eine Wohnung an einen Unternehmer zur Nutzung als Büro und zu Wohnzwecken vermietet, ist nur die Vermietung des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils ein Umsatz, der i.S. des § 9 Satz 1 UStG 1967 an einen anderen Unternehmer "für dessen Unternehmen" ausgeführt wird.

 

Normenkette

UStG 1967 § 9 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Entscheidung vom 18.12.1979; Aktenzeichen II 75/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Zweifamilienhaus. Sie vermietete eine der beiden Wohnungen und die Doppelgarage an ihren Ehemann. Dieser nutzte die Wohnung teils für seine Steuerberaterpraxis, teils als gemeinsame Ehegattenwohnung. Die andere (Mansarden-)Wohnung diente ausschließlich Wohnzwecken.

Die Klägerin optierte für die Regelbesteuerung und verzichtete auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hielt den Vorsteuerabzug insoweit für unzulässig, als die Vorsteuerbeträge auf die für Wohnzwecke genutzten Räume entfallen. In Höhe von 33 v.H. ließ er die Vorsteuer aus den Herstellungskosten und Werbungskosten zum Abzug zu. Die der Doppelgarage zuzurechnenden Kosten berücksichtigte er zu 50 v.H., da der Ehemann eine Garage zur Unterbringung des unternehmerisch genutzten PKW verwendet. Auf dieser Grundlage erließ das FA berichtigte Umsatzsteuerbescheide.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die nichtunternehmerische Nutzung eines Teils der an ihren Ehemann vermieteten Räume beeinträchtige nicht deren Zugehörigkeit zum Unternehmensvermögen, sondern führe beim Mieter zur Besteuerung eines Eigenverbrauchs. Der Umfang ihrer steuerbaren Leistung sei nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen und daher nicht teilbar.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit seinem in Umsatzsteuer- Rundschau (UR) 1981, 198 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor:

Richtig sei der Ausgangspunkt des FG, daß das Tatbestandsmerkmal "für das Unternehmen" in §§ 9 und 15 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 jeweils inhaltsgleich auszulegen sei. Nach dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28.Juni 1969 (BStBl I 1969, 349, dort unter Abschn.C Teil I Abs.7 S.3 Nr.2) seien aber Vorsteuerbeträge, die durch den Erwerb, die Herstellung sowie die Verwendung oder Nutzung eines einheitlichen Gegenstandes anfallen, nicht aufzuteilen. Hieraus folge für die Auslegung des § 9 Satz 1 UStG 1967, daß die Vermietung von Wohnung und Garage an den Ehemann ein einheitlicher Umsatz sei, der bei diesem zur "Nutzung eines einheitlichen Gegenstandes" führe. Diese Einheitlichkeit ergebe sich aus dem bürgerlichen Recht sowie --bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise-- aus dem Umsatzsteuerrecht. Der Begriff des Umsatzes werde durch § 9 UStG 1967 weder eingeschränkt noch erweitert. Die Vermietung von Wohnung und Garage sei im Streitfall wirtschaftlich und folglich auch umsatzsteuerrechtlich nicht in die Vermietung einzelner Räume aufteilbar. Maßgebend seien die umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze über die Einheitlichkeit der Leistung.

Umsätze würden dann "für das Unternehmen" des Abnehmers ausgeführt, wenn der Gegenstand des Umsatzes zum Unternehmen des Leistungsempfängers gehöre. Dies sei hinsichtlich der gesamten an den Ehemann vermieteten Wohnung der Fall.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung sowie unter Abänderung der angefochtenen Steuerbescheide die Erstattungsbeträge betreffend Umsatzsteuer 1972 auf ... DM, betreffend Umsatzsteuer 1973 auf ... DM, betreffend Umsatzsteuer 1974 auf ... DM und betreffend Umsatzsteuer 1975 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat den beantragten Vorsteuerabzug zu Recht versagt, da die Klägerin nur die Praxisräume "für das Unternehmen" ihres Ehemannes vermietet hat.

1. Nach § 9 Satz 1 UStG 1967 können Unternehmer, die u.a. nach § 4 Nr.12 UStG 1967 steuerfreie Umsätze an andere Unternehmer "für deren Unternehmen" ausführen, dem FA erklären, daß sie diese Umsätze der Besteuerung nach dem UStG unterwerfen wollen. Ein solcher Verzicht auf diese Steuerbefreiung hat Rechtswirkung nur, soweit der Leistungsempfänger die (Vermietungs-)Leistung für sein Unternehmen bezieht.

Das Tatbestandsmerkmal der Umsätze an andere Unternehmer "für deren Unternehmen" korrespondiert nach seinem Wortlaut sowie in gesetzessystematischer Hinsicht mit dem in § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 enthaltenen Tatbestandsmerkmal des Bezugs durch einen anderen Unternehmer "für sein Unternehmen". Zur Auslegung des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 hat der V.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, daß das Gesetz den Vorsteuerabzug für solche Leistungen ausschließt, die insgesamt nicht "für sein Unternehmen" ausgeführt worden sind. Das Gesetz regele nicht ausdrücklich die Frage, wie hinsichtlich des Vorsteuerabzugs zu verfahren sei, wenn eine Leistung bezogen werde, die "gemischt" --für unternehmerische wie für nichtunternehmerische Zwecke-- verwendet werde. Im Falle der gemischten Nutzung eines Gebäudes komme eine Aufteilung des angeschafften Gegenstandes in eine für das Unternehmen bezogene Einheit und eine nicht für das Unternehmen bezogene Einheit in Betracht (BFH-Urteile vom 11.Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233; vom 18.Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, 82, BStBl II 1987, 350). Der Senat stimmt dem zu. Diese Auslegung gilt auch für die Anwendung des § 9 Satz 1 UStG 1967.

Die Vermietungsleistung der Klägerin ist für Zwecke der Anwendung des § 9 UStG 1967 und des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 rechtlich teilbar. Der Senat folgt der in der Literatur herrschenden Meinung, die unter Bezugnahme auf den BMF-Erlaß vom 28.Juni 1969 (BStBl I 1969, 349, 351 f., dort unter C I. Abs.7) bzw. Abschn.192 Abs.17 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1985/1988 bei der Lieferung vertretbarer Sachen und bei --aufteilbaren-- sonstigen Leistungen die Rechtswirkung der Option auf Leistungen für unternehmerische Zwecke des Abnehmers begrenzt (Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz --Mehrwertsteuer--, § 9 Rdnr.24; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz --Mehrwertsteuer--, Kommentar, § 9 Rdnr.70 ff.; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 2.Aufl., 1985, § 9 Anm.11; Stadie in Vogel/Reinisch/Hoffmann, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 9 Anm.32 f.; Widmann, UR 1987, 198). Die Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen ist in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem Zivilrecht (§ 580 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) in eine Vermietung der Einzelräume aufteilbar. Hierdurch wird auch dem Zweck des Gesetzes Rechnung getragen, das die Nutzung von Wohnraum nicht mit Umsatzsteuer belasten will. Dieses steuerliche Ergebnis können die Vertragspartner des Mietvertrages nicht dadurch vermeiden, daß sie für die unternehmerische und die nichtunternehmerische Nutzung ein einheitliches Entgelt vereinbaren (so aber Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz --Mehrwertsteuer--, Kommentar, § 9 Rdnr.37). Es ist ohne rechtliche Bedeutung, daß das FG zum Inhalt des Mietvertrages keine Feststellungen getroffen hat. Praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung der tatsächlichen Verwendungsanteile treten in Fällen wie dem vorliegenden nicht auf. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Schwierigkeiten, die sich etwa in anderen Fallgestaltungen ergeben, durch eine nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 25.Juni 1987 V R 121/86 (BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150) zu erstellende Zurechnungsprognose Rechnung getragen werden kann.

Soweit in den von der Klägerin zitierten Verwaltungsanweisungen ein abweichender Standpunkt vertreten wird (z.B. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.April 1974, Der Betrieb --DB-- 1974, 851), ist dem nicht zu folgen. Das BFH-Urteil vom 28.Januar 1971 V R 101/70 (BFHE 101, 178, BStBl II 1971, 218) betrifft den Fall, über den hier nicht zu befinden ist, daß sich die Gebrauchsüberlassung auf Gegenstände bezieht (z.B. Telefon, PKW), die nacheinander unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzt werden (dazu BFHE 149, 78, 83, BStBl II 1987, 350).

Hiernach braucht nicht entschieden zu werden, ob die Revision deswegen unbegründet ist, weil die Überlassung der Wohnung, soweit sie zur privaten Eigennutzung durch die Klägerin und ihren Ehemann bestimmt ist, nach den Grundsätzen über die rechtsmißbräuchliche Zwischenvermietung zu beurteilen ist (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 15.Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, 378, BStBl II 1984, 388, 398; vom 23.August 1984 V R 17/78, BFHE 141, 572, 575, BStBl II 1984, 856).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62138

BFH/NV 1988, 2

BStBl II 1988, 915

BFHE 154, 252

BFHE 1989, 252

BB 1988, 20192020 (LT1)

DB 1988, 2342 (LT)

DStR 1988, 682 (ST)

HFR 1989, 104 (LT)

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