Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 VermBewG ist auch dann anzuwenden, wenn es sich um Wertpapiere handelt, die bei einem Kreditinstitut außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder von Berlin (West) als Erstverwahrer verbucht waren. Die abweichende Regelung des § 40 Satz 2 10. AbgabenDV-LA steht dem nicht entgegen.

 

Normenkette

VermBewG § 10 Abs. 1 Ziff. 2; 10-AbgabenDV-LA 40

 

Tatbestand

Streitig ist in dem anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren lediglich der vermögensteuerliche Ansatz von Wertpapieren, die bei Kriegsende im Giro-Sammeldepot der Deutschen Reichsbank in Berlin als Erstverwahrerin lagerten.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist bei der Vermögensteuerhauptveranlagung auf 1. Januar 1949 zur Vermögensteuer mit einem Gesamtvermögen von 115.000 DM herangezogen und nach Abzug des gesetzlichen Freibetrages zu einer Steuer im Betrag von 787,50 DM veranlagt worden. Dabei waren im Gegensatz zur Steuererklärung des Pflichtigen die im Giro-Sammeldepot der Reichsbank lagernden Wertpapiere des Bf. mit 22.219 DM in Ansatz gebracht, eine vom Bf. geltend gemachte Rückerstattungsverbindlichkeit aber nicht zum Abzug zugelassen worden.

Der Bf. erhob wegen dieser Abweichungen von seiner Steuererklärung Einspruch, erreichte aber nur eine geringfügige Herabsetzung des Wertpapieransatzes von 22.219 auf 21.351 DM, die zu einer Ermäßigung der Steuer auf 780 DM führte.

Im Berufungsverfahren, in dem sich der Bf. erneut gegen den Ansatz der in Berlin lagernden Wertpapiere wandte und nochmals den Abzug der Rückerstattungsverbindlichkeit forderte, erzielte er einen Teilerfolg insofern, als das Finanzgericht die Rückerstattungsverbindlichkeit nunmehr anerkannte und in Höhe von 8.283 DM zum Abzug brachte. Dagegen erkannte es die Einwendungen des Bf. gegen den Ansatz der streitigen Wertpapiere nicht an, die darin gipfelten, daß der Bf. anders als diejenigen Bankkunden, die ihre Wertpapiere bei Bankinstituten mit Sitz oder Niederlassung im Währungsgebiet deponiert hätten, nach dem Kriegsende zur Verfügung über die in Berlin (Ost) bei der Reichsbank lagernden Wertpapiere nicht im Stande gewesen sei. Das Finanzgericht vertrat im Gegenteil unter Bezugnahme auf die §§ 13 und 67 Ziff. 3, 69 und 70 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Verbindung mit § 9 des Gesetzes über die Vermögensteuer-Veranlagung für die Zeit ab I. Januar 1949 und die Vermögensteuer für das zweite Kalenderjahr 1948 Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 83) und § 10 des Vermögensbewertungsgesetzes (VermBewG) - Bundesgesetzblatt 1952 I S. 35 - die Auffassung, daß der Ansatz dieser in Berlin lagernden Wertpapiere, für die der Bf. das Wertpapierbereinigungsverfahren eingeleitet habe, selbst dann geboten sei, wenn sie durch Beschlagnahme in Berlin oder in der russischen Besatzungszone verloren gegangen wären. Allerdings seien diese Wertpapiere, soweit sie sich im Giro-Sammeldepot befunden hätten, gemäß § 10 Abs. I Ziff. 2 VermBewG, wie bereits geschehen, nur mit 70 v. H. des Steuerkurswertes zu berücksichtigen. Im übrigen könne aber der Umstand, daß für die fraglichen Wertpapiere ein Erstverwahrer im Bundesgebiet oder in Berlin (West) nicht vorhanden gewesen sei, und daß deshalb dem Bf. im Zuge der Wertpapierbereinigung verfahrensmäßig größere Schwierigkeiten hinsichtlich des Rechtsnachweises hätten entstehen können als sonst, wertmindernd nicht berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber habe diesem Umstand jedenfalls nicht besonders Rechnung getragen.

Der Bf. hat Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben. Er beharrt hinsichtlich des Wertpapieransatzes bei seinem bisherigen Rechtsstandpunkt, den er in der Vorschrift des § 40 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (10. AbgabenDV-LA) bestätigt zu finden glaubt. Im übrigen bemängelt er, daß ihm durch das Berufungsurteil zu Unrecht 20/21 der Kosten des Einspruchsverfahrens auferlegt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Soweit der Bf. die Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache angreift, ist die Rb. unbegründet.

Zutreffend ist die Vorinstanz bei der Frage des Wertpapieransatzes von § 13 BewG ausgegangen, der die Grundsätze für die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen enthält. Nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 70 Abs. 1 BewG sind die kursfähigen Wertpapiere und Anteile grundsätzlich mit ihrem Steuerkurswert, soweit ein solcher besonders festgesetzt ist, sonst mit dem normalen Kurswert anzusetzen. Diese Regelung, die die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen sehr erleichtert, erwies sich allerdings in der ersten Nachkriegszeit wegen der vorübergehenden Schließung der Börsen und des damit verbundenen Fehlens börsenamtlicher Kursnotierungen für die Feststellung der Werte besonders dann als ungeeignet, wenn infolge von Eingriffen der Besatzungsmächte (Demontagen, Enteignungen etc.) die Vermögenssubstanz der Wertpapierschuldner erheblich gelitten hatte oder wenn darüber hinaus die Wertpapierschuldner überhaupt zu bestehen aufgehört hatten. Immerhin waren die Verhältnisse in den Westzonen bis zum Ende des Jahres 1948 so weit konsolidiert, daß für die Zwecke der Vermögensteuerhauptveranlagung auf 1. Januar 1949 Steuerkurse für inländische Wertpapiere zumindest insoweit festgesetzt werden konnten, als die Wertpapierschuldner Sitz oder Vermögen in den Westzonen bzw. in West-Berlin hatten. Bei den hier streitigen Wertpapieren, soweit sie vom Finanzamt überhaupt in Ansatz gebracht worden sind, handelt es sich im wesentlichen um Wertpapiere, für die ein Kurswert festgesetzt worden ist.

Die Einwendungen, die der Bf. erhebt, richten sich nun nicht gegen die Festsetzung der Steuerkurswerte als solche oder gegen ihre Höhe; sie wenden sich vielmehr dagegen, daß das Finanzamt den Bf. überhaupt mit dem Vermögenswert seiner Wertpapiere zur Vermögensteuer herangezogen hat, obwohl er am Stichtag nicht im Besitz der Wertpapiere und deshalb zur freien Verfügung über diese Wertpapiere so lange außerstande war, als das von ihm eingeleitete Wertpapierbereinigungsverfahren noch nicht zum Erfolg geführt hatte.

Die entscheidende Frage besteht also darin, ob vor dem erfolgreichen Abschluß des Wertpapierbereinigungsverfahrens eine Minderbewertung der fraglichen Wertpapierrechte im Hinblick auf die eingeschränkte oder überhaupt fehlende Verfügungsmöglichkeit ihres Inhabers Platz greifen muß. Das VermBewG selbst schreibt dies in § 10 Abs. 1 Ziff. 2 für solche Wertpapiere von Ausstellern im Währungsgebiet und in Groß-Berlin (West) vor, die sich zuletzt im Giro-Sammeldepot befunden haben, und ihm folgend hat das Finanzamt die Wertpapiere des Bf. nur mit 70 v. H. des Steuerkurswertes in Ansatz gebracht.

Der Bf. ist der Meinung, daß auch dieser Wertansatz unberechtigt hoch sei und daß die streitigen Wertpapiere, weil sie nicht bei Bankinstituten des Währungsgebietes oder in Berlin (West) als Erstverwahrern gebucht seien, ebenso wie Wertpapiere im Streifband-Depot, soweit sie bei einem Kreditbüro außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder von Berlin (West) als Erstverwahrer verbucht waren, außer Ansatz bleiben müßten.

Seiner Ansicht kann nicht gefolgt werden, weil das VermBewG bei den im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapieren keinen Unterschied macht zwischen solchen, die bei einem Erstverwahrer im Währungsgebiet bzw. in Berlin-West gebucht sind, und solchen, deren Erstverwahrer seinen Sitz in der Ostzone oder in Ost-Berlin hatte. Das gleiche gilt für die Vermögensteuerrichtlinien (VStR) 1949. Sie unterscheiden zwar im Abschn. 103 Abs. 5 bei Wertpapieren, die sich zuletzt im Streifband-Depot außerhalb des Währungsgebietes befunden haben, zwischen solchen, die bei Bankinstituten des Währungsgebietes und von Berlin (West) als Erstverwahrern gebucht sind, und anderen, nicht bei Bankinstituten des Währungsgebietes gebuchten Papieren. Für die zuletzt im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapiere machen aber auch die Richtlinien 1949 einen solchen Unterschied nicht, wie der Absatz 4 des Abschnitts 103 deutlich erkennen läßt. Die für die Vermögensteuer maßgebliche Regelung will bei den zuletzt im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapieren eine unterschiedliche Behandlung somit offenbar ausschließen, obwohl, worauf übrigens auch das Finanzgericht hingewiesen hat, nicht zu verkennen ist, daß im Wertpapierbereinigungsverfahren größere Schwierigkeiten entstehen können, wenn es bei den im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapieren an einem Erstverwahrer im Währungsgebiet oder in Berlin (West) mangelt. Der Gesetzgeber hat diesem Umstand jedoch im Rahmen der Vermögensbesteuerung nicht besonders Rechnung getragen.

Daß die gesetzliche Regelung auch anders lauten könnte, beweist der § 40 10.AbgabenDV-LA, auf den der Bf. Bezug genommen hat. Nach dieser Regelung, die aber nur für die Zwecke des Lastenausgleichs getroffen worden ist, sind in der Tat die zuletzt im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapiere dann nicht in Ansatz zu bringen, wenn sie bei einem Kreditinstitut außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder des Gebietes von Berlin (West) als Erstverwahrer verbucht waren. Da jedoch für die Festsetzung der Lastenausgleichsabgaben auch sonst vielfach andere Rechtsvorschriften maßgebend sind als für die Vermögensbesteuerung im allgemeinen, so kann diese für den Lastenausgleich verbindliche Regelung nicht ohne weiteres auf die allgemeine Vermögensbesteuerung übertragen werden. Dies wäre nur möglich, wenn durch gesetzliche Vorschrift auch die Bestimmungen des Vermögensteuergesetzes bzw. des VermBewG eine änderung erfahren hätten. Da solche Vorschriften für die Vermögensbesteuerung aber nicht ergangen sind, so muß es dabei bewenden, daß die zuletzt im Giro-Sammeldepot befindlichen Wertpapiere wie bisher mit 70 v. H. des Steuerkurswertes in Ansatz gebracht werden.

Insoweit kann daher der Rb. nicht entsprochen werden; sie führt aber hinsichtlich der Kostenentscheidung zum Erfolg. Das Finanzgericht hat, obwohl es der Berufung des Bf. teilweise stattgab und aus diesem Grunde die Kosten der Berufung der Staatskasse mit 1/4 auferlegte, den Bf. mit 20/21 der Kosten des Einspruchsverfahrens belastet. Dies ist geschehen, obwohl das Gericht anerkennt, daß dem Bf. bei seiner Prozeßführung ein Versäumnis nicht zur Last fällt. Unter diesen Umständen hätte jedoch das Finanzgericht auch die Kosten des Einspruchsverfahrens in dem Verhältnis aufteilen müssen, in dem der Bf. nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens endgültig auch in der Einspruchsinstanz obgesiegt hat. Berücksichtigt man dieses Verhältnis, so ergibt sich, daß die Kosten des Einspruchsverfahrens dem Bf. nur zu 5/7 auferlegt werden können, während die sonstigen Kosten des Einspruchsverfahrens die Staatskasse zu tragen hat.

Mit dieser Maßgabe war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408395

BStBl III 1956, 71

BFHE 1956, 190

BFHE 62, 190

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