Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelter Haushalt eines Geschiedenen mit der ehemaligen Ehefrau oder seinen Eltern im gleichen Haus

 

Leitsatz (NV)

Ungeachtet der übrigen Voraussetzungen kann das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung nicht allein mit der Begründung verneint werden, daß sich im beibehaltenen Hausstand keine vom Arbeitnehmer abhängige Zurechnungsperson aufgehalten habe (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der 1954 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte seit dem 30. August 1988 von seiner Ehefrau dauernd getrennt. 1993 wurde die Ehe geschieden. Die beiden ehelichen Kinder (geb. 1980 und 1983) lebten seit der Trennung bei der allein sorgeberechtigten früheren Ehefrau des Klägers. Die Wohnsituation stellte sich in den Streitjahren 1989 bis 1991 wie folgt dar: Die Ehefrau wohnte mit den Kindern in der früheren Ehewohnung in E. In dem Zweifamilienhaus bewohnten die Eltern des Klägers die untere Etage; in dieser Wohnung hielt sich auch der Kläger nach der Trennung auf. Für diese Wohnung hatte der Kläger seinen Zweitwohnsitz angemeldet. Mit erstem Wohnsitz war er in M gemeldet. Dort war er im Streitjahr 1989 bei der Fa. A, im Jahre 1990 bei der Fa. B und im Streitjahr 1991 bis zum 31. Juli bei der Fa. C beschäftigt. Danach war er arbeitslos. Ausweislich der Steuerakten hatte der Kläger in 1989 41 Heimfahrten, in 1990 38 Heimfahrten und in 1991 12 Heimfahrten mit dem PKW und eine unbekannte Zahl von Fahrten mit der Bundesbahn durchgeführt. Die dafür entstandenen Kosten sind als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Abzug zugelassen worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte die doppelte Haushaltsführung nicht an, da der Kläger von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt habe und damit eine gemeinsame Familienwohnung, in der abhängige Angehörige lebten, in E nicht vorhanden gewesen sei; denn das alleinige Sorgerecht für die Kinder sei der geschiedenen Ehefrau des Klägers übertragen worden. Daher habe der Kläger auch nicht mit den Kindern im Haushalt seiner Eltern einen Hausstand i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen können. Zusammenfassend führte das FA in der Einspruchsentscheidung aus: "Da im Streitfall der Einspruchsführer nur mit seinen Eltern in einer Wohnung wohnt, die von ihm finanziell nicht abhängig sind und für deren Unterhalt er nicht aufkommen muß, die Ehefrau mit den ehelichen Kindern jedoch einen eigenen Hausstand begründet hat, ist eine Anerkennung der doppelten Haushaltsführung nicht möglich."

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgenden Gründen ab: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterhalte ein Arbeitnehmer dann einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitze, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspreche und in der auch während seiner Abwesenheit am Beschäftigungsort hauswirtschaftliches Leben herrsche, welches er durch finanzielle oder persönliche Mitwirkung maßgeblich mitbestimme. Nach den eigenen Angaben des Klägers habe dieser seit 30. August 1988 von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt. Damit habe in den Streitjahren zusammen mit der Ehefrau kein gemeinsamer Hausstand bestanden. Im übrigen habe der Kläger erklärt, daß er die eheliche Wohnung im ersten Stock tatsächlich nicht bewohnt habe. Der Kläger führe auch keinen gemeinsamen Hausstand mit seinen beiden ehelichen Kindern. Denn diese hätten zusammen mit der Mutter in der früheren Ehewohnung gelebt. Damit hätten sie den Hausstand der getrennt lebenden Ehefrau geteilt. Der Kläger habe nicht eine doppelte Haushaltsführung unterhalten, sondern allenfalls zwei Wohnungen, nämlich eine in M und die andere bei seinen Eltern in E, von denen aus er sich zu seiner Arbeitsstätte begeben habe. Anhaltspunkte dafür, daß ein gemeinsamer Hausstand mit den Eltern bestanden bzw. daß eine zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung bei Arbeitnehmern ohne Familienhausstand vorgelegen habe, bestünden nicht. Im übrigen folge das FG der Begründung der Einspruchsentscheidung und sehe daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Mit der Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen. Dazu trägt er im wesentlichen vor: Das FG habe bei seiner Entscheidung nicht die neue Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) berücksichtigt. Nach dieser Rechtsprechung komme es für die Anerkennung einer lang dauernden doppelten Haushaltsführung eines alleinstehenden Arbeitnehmers nicht mehr darauf an, daß in dem Hausstand des Arbeitnehmers am Heimatort abhängige Zurechnungspersonen lebten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG konnte bei seiner Entscheidung noch nicht die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung bei alleinstehenden Arbeitnehmern im Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 berücksichtigen und den Streitfall unter Anwendung der neuen Grundsätze würdigen. Anders als nach der früheren Rechtsprechung kommt es für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung eines alleinstehenden Arbeitnehmers nicht mehr darauf an, ob in dem Hausstand am Heimatort Zurechnungspersonen leben, die vom Arbeitnehmer abhängig sind. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer am Heimatort einen eigenen Hausstand unterhält.

Im Streitfall kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß der Kläger mit seinen Eltern einen gemeinsamen Hausstand unterhalten hat. Zwar hat das FG ausgeführt: "Anhaltspunkte dafür, daß ein gemeinsamer Hausstand mit den Eltern besteht ... " liegen nicht vor." Diese Wertung bindet den Senat aber nicht; denn das FG hatte seine Auffassung auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des Senats gebildet, nach der ein Hausstand eines Alleinstehenden voraussetzte, daß sich in ihm abhängige Angehörige befanden. In diesem Sinne hatte auch das FA in der Einspruchsentscheidung, auf die sich das FG im übrigen bezogen hat, argumentiert.

Ob der Kläger einen eigenen Hausstand in der Wohnung seiner Eltern und gemeinsam mit ihnen führte oder ob er nur in den Haushalt der Eltern aufgenommen war, wird das FG auf der Grundlage des Urteils in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 ebenso zu beurteilen haben wie die Frage, ob der Kläger möglicherweise eigenständig in die Haushaltsführung mit seiner früheren Ehefrau und den gemeinsamen Kindern eingebunden war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421240

BFH/NV 1996, 403

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge