Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage, inwieweit ein negativer Bearbeitungsnachweis zu führen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Werden in einem Unternehmen die Liefergegenstände auch bearbeitet, so ist der Nichtbearbeitungsnachweis in der Weise zu führen, daß alle Maßnahmen aufgezeichnet werden, die an den Liefergegenständen vorgenommen werden, gleichgültig, ob es sich um schädliche oder unschädliche Bearbeitungen handelt.

2. Zum Buchnachweis, wenn während des finanzgerichtlichen Verfahrens die Aufbewahrungsfrist abläuft.

 

Normenkette

UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 14 Abs. 3, 4 Ziff. 3; AO § 161 Abs. 1 Nr. 2, § 162 Abs. 1, 8

 

Tatbestand

Der Fall befindet sich im III. Rechtsgang.

Streitig ist, ob die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige -- Stpfl. --) bei Großhandelslieferungen gebrauchter Büromaschinen den Buchnachweis in der vom Gesetz geforderten Form erbracht und damit die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG zu Recht in Anspruch genommen hat.

Im II. Rechtsgang hob der Senat die Vorentscheidung auf, weil die Vorinstanz neues tatsächliches Vorbringen nicht geprüft und nur über die Frage einer etwaigen verbindlichen Zusicherung Beweis erhoben hatte. Der Senat wies darauf hin, daß, wenn die erforderlichen Bücher geführt werden, die Bezugnahme auf Belege zulässig ist.

Das Finanzgericht (FG) hat daraufhin erneut ermittelt und dabei festgestellt, daß zwar Bücher geführt wurden, aus der Buchführung aber nicht eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sei, daß die von der Stpfl. gebraucht erworbenen Maschinen nicht bearbeitet oder verarbeitet worden sind. Nach seiner -- vom Finanzamt (FA) nicht bestrittenen -- Auffassung hätte der Nichtbearbeitungsnachweis erbracht werden können, wenn die Stpfl. Umsatzsteuerbuch, Maschinenbuch und die vollständige Reparaturkartei zusammen vorgelegt hätte. Die Reparaturkartei sei im Streitfall das Kernstück des Buchnachweises, weil nur auf Grund der Eintragungen auf den einzelnen Reparaturkarten über Art und Umfang der Bearbeitung festgestellt werden könne, ob durch die Bearbeitung ein neues Verkehrsgut entstanden sei. Der Auffassung der Stpfl., sie habe die Reparaturkartei wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist vernichten dürfen, ohne Rechtsnachteile zu erleiden, folgte die Vorinstanz nicht, weil es sich im Streitfall nicht darum handele, ob die Stpfl. eine Pflicht zur Aufbewahrung der erforderlichen Belege für den Buchnachweis nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist habe, sondern darum, daß sie, die sich auf die Ordnungsmäßigkeit ihres buchmäßigen Nachweises berufe, in dem anhängigen Verfahren die Beweismittel, die zum Nachweis ihrer Behauptung erforderlich seien, dem Gericht nicht vorlegen könne.

Die Stpfl. hat ihre Revision nicht begründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Nach § 7 Abs. 3 UStG ermäßigt sich der Steuersatz auf 1 v. H., soweit der Unternehmer u. a. buchmäßig nachweist, daß er die von ihm erworbenen und im Großhandel gelieferten Gegenstände nicht bearbeitet hat.

Wie das FG ohne Rechtsverstoß festgestellt hat, reichen die Aufzeichnungen der Stpfl. im Journal, Umsatzsteuerbuch, Maschinenbuch, Trödelbuch, den Verkaufsrechnungs-Durchschriften, Einkaufsrechnungen und der Lagerkartei einzeln oder kombiniert nicht aus, um eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen, daß die von ihr gebraucht erworbenen Büromaschinen nicht von ihr bearbeitet worden sind. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß unter den gegebenen Verhältnissen die Führung eines Reparaturbuches oder einer nachprüfbar vollständigen Reparaturkartei bei der Stpfl., die auch mit gebrauchten und von ihr bearbeiteten Büromaschinen handelt, Kern des Buchnachweises ist. Die Frage, inwieweit ein negativer Bearbeitungsnachweis zu führen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere davon, ob in dem Unternehmen Bearbeitungen vorgenommen werden können oder ausgeschlossen sind. Kommen in einem Unternehmen keine Bearbeitungen vor, so erscheint die Angabe in den Büchern, daß die Ware nicht bearbeitet worden ist, in der Regel nicht sinnvoll (Urteil des Bundesfinanzhofs V 160/59 S vom 21, Dezember 1961, BFH 74, 565, BStBl III 1962, 209). Werden aber, wie im vorliegenden Fall, gebrauchte Büromaschinen erworben und wird ein Teil der Maschinen bearbeitet, ein anderer Teil der Maschinen aber nicht bearbeitet, so muß aus den Aufzeichnungen und aus den Hinweisen in den Verkaufsrechnungen auf die Einkaufsrechnungen für jede Maschine hervorgehen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen an ihr vorgenommen worden sind. Das gilt um so mehr, als bei der Stpfl. schädliche und steuerlich unschädliche Bearbeitungen vorkommen. Aus den Aufzeichnungen muß daher zu ersehen sein, ob eine Maschine in die Reparaturwerkstatt gekommen ist und welche Arbeiten an ihr vorgenommen worden sind, damit geprüft werden kann, ob gegebenenfalls der oder die betreffenden Arbeitsvorgänge unschädliche Bearbeitungen gewesen sein können (z. B. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes beim Ankauf durch Entstauben, Prüfung der Funktionsfähigkeit der Maschine und dergleichen) oder nicht. Die Aufzeichnungen der Stpfl., mit denen sie die Nichtbearbeitung nachweisen kann, müssen demnach bei gebraucht erworbenen Maschinen über den in der Regel ausreichenden einwandfreien Nämlichkeitsnachweis hinausgehen. Die Vorinstanz hat festgestellt, daß mit der Führung der Reparaturkartei und der übrigen Bücher der Buchnachweis eindeutig und leicht nachprüfbar erbringbar war. Der Senat kann zwar aus der Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz nicht entnehmen, ob das System von Umsatzsteuerbuch, Maschinenbuch und vollständiger Reparaturkartei den Ansprüchen des Gesetzes genügt oder nicht; diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Reparaturkartei nach der ohne Rechtsverstoß zustande gekommenen Überzeugung der Vorinstanz in den Veranlagungszeiträumen 1949 bis 1951 nicht vollständig ist, in jedem Fall aber auf ihre Vollständigkeit nicht nachgeprüft werden kann. Geht man davon aus, daß das System von Umsatzsteuerbuch, Maschinenbuch und Reparaturkartei den Ansprüchen an den negativen Bearbeitungsnachweis genügen würde, dann kommt es entscheidend darauf an, ob die Reparaturkartei nachprüfbar vollständig ist. Da die Stpfl. die Reparaturkartei nicht vollständig vorgelegt hat, der negative Bearbeitungsnachweis von ihr somit nicht erbracht worden ist, hat sie eine Voraussetzung des Buchnachweises nicht erfüllt. Das FG hat ihr damit zu Recht den ermäßigten Steuersatz nicht gewährt.

Auf die Gründe, weshalb die Stpfl. den negativen Bearbeitungsnachweis nicht erbracht hat, kommt es hier nicht an. Das Aufbewahren und die Vorlage der für den Buchnachweis erforderlichen Unterlagen lag im Machtbereich der Stpfl. Sie hat ihrer Nachweispflicht nicht genügt, indem sie den möglicherweise entscheidenden Teil ihres Buchnachweises weder dem ersten Betriebsprüfer noch sonst im Verlaufe des Verfahrens vorgelegt hat. Damit hat sie selbst verhindert, daß ihr Buchnachweis geprüft werden und das FA möglicherweise zu dem Ergebnis kommen konnte, der Nachweis entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Wenn erst im III. Rechtsgang die Existenz der Kartei bekannt wird, die möglicherweise früher vollständig war, und wenn die Stpfl. die Kartei nicht vollständig vorlegen kann, weil sie selbst die Kartei nicht aufbewahrt hat, muß sie sich die Folgen daraus zurechnen lassen, daß diese Unterlagen im Zeitpunkt der Prüfung und danach nicht nachprüfbar waren und sich daraus die Folge ergab, daß der Buchnachweis nicht erbracht ist. Werden die entscheidungserheblichen Tatsachen von dem, der sich auf sie beruft, nicht vorgelegt, obwohl er dazu in der Lage wäre, und obwohl es in seinem Interesse liegt, die für ihn günstigen Unterlagen vorzulegen, und hat das FA seiner Aufklärungspflicht genügt, indem es dem Stpfl. unmißverständlich klargemacht hat, worauf sein Aufklärungsbegehren gerichtet ist, verstößt es nicht wider Treu und Glauben, wenn aus dem Unterbleiben der Mitwirkung die entsprechenden ungünstigen Folgen gezogen werden. Die Frage, ob die Aufbewahrungsfrist während eines Rechtsstreits abläuft oder nicht, wenn strittig ist, ob die nicht mehr unter die Aufbewahrungsfrist fallenden Bücher und Unterlagen etwas beweisen (hier also den Buchnachweis) oder das Gegenteil erweisen (hier also das Nichtvorliegen des Buchnachweises), braucht hier nicht entschieden zu werden. Während der Dauer eines Rechtsstreits liegt es nicht im Belieben einer Partei, der Wahrheitsfindung dienende Unterlagen zu vernichten oder aufzubewahren. Kommt sie in ihrem Machtbereich dieser Verpflichtung nicht nach, hat sie die sich daraus ergebenden Folgen zu tragen. Wenn sich die Stpfl. darauf beruft, daß die Voraussetzungen einer für sie günstigen Norm erfüllt seien, so muß sie alles tun, was erforderlich ist, damit der Richter aus eigenem Augenschein die Überzeugung gewinnen kann, daß diese Voraussetzungen vorliegen. Unterläßt die Stpfl. ihren Nachweis, dann kann nicht festgestellt werden, daß die Tatbestandsmerkmale dieser Norm erfüllt sind. Der ermäßigte Steuersatz konnte infolgedessen nicht gewährt werden.

Im Verfahren vor der nur mit der Rechtsfrage befaßten Instanz reichen Vermutungen darüber, ob der negative Bearbeitungsnachweis zu einem früheren Zeitpunkt erbracht gewesen sein könnte, nicht aus, um auf den Nachweis zu verzichten.

Unter diesen Umständen war die Revision unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412435

BStBl III 1967, 276

BFHE 1967, 9

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