Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten wegen Teilnahme an einem Lehrgang

 

Leitsatz (NV)

1. Soweit bei Teilnahme an einem Lehrgang die Voraussetzungen einer Dienstreise zu bejahen sind, können wegen des Lehrgangs nicht die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sein.

2. Ein lediger Arbeitnehmer kann bis zur Hochzeit keinen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG führen, auch wenn er mit seiner späteren Frau schon gemeinsam in einer Wohnung lebt (Anschluß an BFH-Urteil vom 22. September 1988 - VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293).

3. Ist bei einem länger andauernden Lehrgang nach Ablauf von drei Monaten keine Dienstreise mehr gegeben, so kann der Lehrgangsteilnehmer wählen, ob er neben den Kosten für eine wöchentliche Heimfahrt die von ihm einzeln nachzuweisenden Verpflegungsmehraufwendungen nach Abschnitt 27 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. b LStR 1981 oder die Aufwendungen für sämtliche Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Lehrgangsort nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend machen will (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Mai 1990 - VI R 180/88, BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863).

4. Wird dem Lehrgangsteilnehmer Gemeinschaftsverpflegung angeboten, so kann er nur 25 v. H. der Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwand nach Abschnitt 25 Abs. 6 Nr. 3 c LStR 1981 als Werbungskosten beanspruchen (Anschluß an zu 3 genannte BFH-Urteil).

 

Normenkette

EStG 1982 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 4-5; LStR 1981 Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 c, Abschn. 27 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. b

 

Tatbestand

Der Kläger ist Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Er heiratete am . . . August 1982. Sein Bruttoarbeitslohn betrug im Streitjahr 1982 . . . DM. Vom . . . Januar bis . . . April 1982 besuchte er einen Lehrgang in S. Vom . . . Oktober 1982 bis zum . . . März 1983 nahm er an einem weiteren Lehrgang in H teil.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 machte der Kläger folgende Verpflegungsmehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend:

Lehrgang in S

14 Tage x 35 DM 490,00 DM

60 Tage x 14 DM 840,00 DM

1330,00 DM

abzüglich erhaltenes Trennungsgeld

74 Tage x 5,70 DM 421,80 DM

908,20 DM 908,20 DM

Lehrgang in H

14 Tage x 35 DM 490,00 DM

50 Tage x 14 DM 700,00 DM

1190,00 DM

abzüglich erhaltenes Trennungsgeld

64 Tage x 6,70 DM 428,80 DM

761,20 DM 761,20 DM

1669,40 DM.

Der Kläger trug vor, er habe an der Gemeinschaftsverpflegung in S und H teilgenommen. Das Abendessen habe er bereits um 16.45 Uhr bzw. 16.30 Uhr einnehmen müssen. Da er anschließend jeweils einige Stunden gearbeitet habe, um den Unterrichtsstoff nachzubereiten und sich auf den nächsten Tag vorzubereiten, sei zur Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit und Aufnahmebereitschaft eine weitere Beköstigung nötig gewesen.

Das FA erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, die durch einen Lehrgang eines Zeitsoldaten veranlaßten Verpflegungsmehraufwendungen seien dem Grunde nach Werbungskosten. Die Mehraufwendungen könnten aber nicht in Höhe der Pauschbeträge des Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR) abzüglich des erhaltenen Trennungsgeldes angesetzt werden. Denn der Bundesfinanzhof (BFH) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen von den Steuergerichten als Tatsachengrundlage nur solange angewendet werden könnten, als sie nicht im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führten. Die im Einzelfall gegebene Verpflegungsweise spiele z. B. dann eine Rolle, wenn offensichtlich sei, daß dem Arbeitnehmer, wie etwa bei Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung, keine oder nahezu keine Aufwendungen für die Verpflegung entstanden seien (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80, BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302, und vom 23. April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500).

Bei einer zum Preis von 4,80 DM für Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung gestellten und vom Kläger auch in Anspruch genommenen Gemeinschaftsverpflegung sei offensichtlich, daß ihm bei den Lehrgängen in S und H für Frühstück, Mittag- und Abendessen keine oder nahezu keine Verpflegungsmehraufwendungen entstanden seien, zumal er von seinem Arbeitgeber hierfür ein Trennungsgeld von 5,70 DM bzw. 6,70 DM erhalten habe.

Zu berücksichtigen sei allerdings die vom Kläger glaubhaft vorgetragene Notwendigkeit der Einnahme einer vierten Mahlzeit infolge des frühen Abendessens. Der Aufwand hierfür sei in Anlehnung an die in Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 3 LStR vorgesehenen Pauschbeträge mit 25 v. H. derselbe, also auf 8,75 DM täglich für die ersten zwei Wochen bzw. 3,50 DM täglich für die Folgezeit zu schätzen. Diese bei Verheirateten mit doppelter Haushaltsführung anerkannten Pauschsätze könnten auch für die Zeit des Lehrgangs in S gewährt werden, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen habe, daß er mit seiner Ehefrau bereits vor der Heirat in einer eigenen Wohnung zusammengelebt habe.

Danach seien folgende weitere Aufwendungen als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen:

2 x 14 Tage x 8,75 DM 245 DM

50 Tage x 3,50 DM 175 DM

60 Tage x 3,50 DM 210 DM

630 DM.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1982 (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung für die von ihm besuchten Lehrgänge in S vom . . . Januar bis . . . April 1982 und in H vom . . . Oktober 1982 bis zum . . . März 1983 nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen sind. Die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung können aber nicht Platz greifen, soweit die Teilnahme an den beiden genannten Lehrgängen als Dienstreisen zu werten sind, da deren Grundsätze denen in der doppelten Haushaltsführung im Range vorgehen (vgl. v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 18).

Gemäß dem Urteil des Senats vom 18. Mai 1990 VI R 180/88 BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863 können für die ersten drei Monate der beiden Lehrgänge die Voraussetzungen für die Annahme von Dienstreisen gegeben sein. Denn nach dieser Entscheidung können bei Abkommandierung eines Soldaten zu einem auswärtigen mehrmonatigen Lehrgang Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten berücksichtigt werden, so daß erst nach Ablauf dieses Zeitraums der Lehrgangsort zur regelmäßigen Arbeitsstätte des Lehrgangsteilnehmers wird. Auf die Entscheidung wird im einzelnen Bezug genommen

Soweit bezüglich des Lehrgangs in S Dienstreisegrundsätze nicht Platz greifen, können entgegen der Auffassung des FG die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Verpflegungsmehraufwand wegen doppelter Haushaltsführung nicht mit den in Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 3 LStR genannten Pauschbeträgen berücksichtigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats setzt eine doppelte Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG einen ,,Familienhausstand" voraus. Ein solcher liegt grundsätzlich nur bei verheirateten, nicht aber bei ledigen Arbeitnehmern vor, auch wenn diese schon vor der Heirat mit ihrer späteren Ehefrau in einer eigenen Wohnung zusammengelebt und einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Das gilt auch dann, wenn sie während dieser Zeit bereits verlobt sein sollten (vgl. Urteil des Senats vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293) oder wenn ein Arbeitnehmer mit einer Frau und deren Kind in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem Hause zusammenlebt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1988 VI R 147/86, BFHE 155, 518, BStBl II 1989, 561). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen läßt der Senat entsprechend seinem Urteil vom 24. November 1989 VI R 66/88 (BFHE 159, 150, BStBl II 1990, 312) erst ab dem Zeitpunkt gelten, in dem einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Kind geboren wird, das in die gemeinschaftliche Wohnung aufgenommen wird. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt dürften die letztgenannten Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben sein.

Kann der Kläger jedoch bis zu seiner Heirat am . . . August 1982 keinen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geführt haben, so kann er nach dem vorgenannten Urteil des Senats vom 18. Mai 1990 VI R 180/88 bei Annahme einer Dienstreise für die ersten drei Monate des Lehrgangs in S für die restliche Lehrgangszeit vom . . . bis . . . April 1982 wählen, ob er neben den Kosten für eine wöchentliche Heimfahrt die von ihm einzeln nachzuweisenden Verpflegungsmehraufwendungen nach Abschn. 27 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. b LStR oder die Aufwendungen für sämtliche Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Lehrgangsort nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geltend machen will. Es wird auch insoweit auf die Ausführungen im letztgenannten Urteil im einzelnen Bezug genommen.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es entsprechende Feststellungen zu der Frage trifft, inwieweit die Voraussetzungen für Dienstreisen bei den vom Kläger besuchten Lehrgängen für das Streitjahr 1982 zu bejahen sind.

Bezüglich der Höhe der zu berücksichtigenden Mehraufwendungen tritt der Senat dem FG im Ergebnis darin bei, daß der Kläger wegen der ihm angebotenen Gemeinschaftsverpflegung nur 25 v. H. der in den LStR genannten Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten absetzen kann. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf sein Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909. Wie der Senat in dieser Entscheidung ferner betont hat, sind die gekürzten Pauschbeträge um die tatsächlich geleisteten Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen und um entsprechende Erstattungen des Arbeitgebers zu mindern, wobei der Ansatz einer Haushaltsersparnis zu unterbleiben hat.

Entsprechend dem Vorbringen des Klägers wird das FG daher im Streitfall zu prüfen haben, ob die gekürzten Pauschbeträge um 4,80 DM täglich für die Ausgaben des Klägers für die Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen und um das vom Arbeitgeber gezahlte Trennungsgeld von 5,70 DM bzw. 6,70 DM täglich zu mindern ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417140

BFH/NV 1991, 149

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