Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

überläßt eine Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft pachtweise Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes gehören, so bezieht sie in der Regel auch dann gewerbliche Einkünfte, wenn sie erst nach Gründung der Betriebsgesellschaft entstanden, die Betriebsgesellschaft also nicht aus einer Betriebsspaltung hervorgegangen ist.

Bei einem Herstellungsbetrieb gehören die Fabrik- und Bürogebäude im allgemeinen auch dann zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn der Betrieb früher in gemieteten Räumen unterhalten worden ist.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1, § 15/2, § 21/1/1; GewStG § 2 Abs. 1, § 2/2/1

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht der aus den beiden Brüdern A. bestehenden Grundstücksgemeinschaft für den Erhebungszeitraum 1957.

Die Brüder A. gründeten im Mai 1951 eine Textil-Fabrikations-GmbH (im folgenden GmbH), an deren Stammkapital sie je zur Hälfte beteiligt waren und die ihren Betrieb in gemieteten Räumen in der Gemeinde G. aufnahm. Im Mai 1953 erwarben die Brüder A. von der Gemeinde G. ein innerhalb der Gemeinde gelegenes Grundstück als Miteigentümer je zur Hälfte mit der Verpflichtung, auf diesem Grundstück sogleich mit dem Bau einer Kleiderfabrik für die GmbH zu beginnen.

Im September 1953 bezog die GmbH einen Teil und Anfang 1957 das mit einem Aufwand von 945.000 DM fertiggestellte Fabrikgebäude und zahlte dafür an die Brüder A. eine Monatsmiete von 13.500 DM.

Das Finanzamt vertrat im Gegensatz zu der Grundstücksgemeinschaft unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 217/58 U vom 3. November 1959 (BStBl 1960 III S. 50, Slg. Bd. 70 S. 134) die Auffassung, daß die Gemeinschaft nicht Einkünfte aus Vermietung, sondern gewerbliche Einkünfte beziehe und daher gewerbesteuerpflichtig sei. Die Berufung der Gemeinschaft gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1957 hatte Erfolg.

Das Finanzgericht lehnte es ab, die von der Rechtsprechung für die Betriebsspaltung entwickelten Grundsätze über die Behandlung der von der Besitzgesellschaft vereinnahmten Miet- oder Pachtzinsen als gewerbliche Einkünfte anzuwenden, da die GmbH und die Gemeinschaft nicht aus einem ursprünglich einheitlichen Unternehmen entstanden seien und die GmbH schon vor der Gründung der Gemeinschaft bestanden habe. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 217/58 U könnten keine anderen Schlußfolgerungen gezogen werden, weil das Fabrikgebäude für die GmbH nicht lebensnotwendig sei. Das ergebe sich schon daraus, daß die GmbH nach ihrer Gründung den Betrieb zwei Jahre lang in gemieteten Räumen unterhalten habe und jederzeit in der Lage sei, den Betrieb wieder in gemietete Räume zu verlegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Wie in der Entscheidung I 217/58 U ausgesprochen ist, kann eine Besitzgesellschaft mit ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann gewerbesteuerpflichtig sein, wenn Besitz- und Betriebsgesellschaft nicht durch Betriebsaufspaltung entstanden, sondern als zwei getrennte Betriebe errichtet worden sind. Diese Voraussetzung hat das Urteil dann als erfüllt angenommen, wenn Besitzgesellschaft und Betriebs-GmbH wirtschaftlich eng verflochten sind. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die verpachtende Gesellschaft die wesentlichen Grundlagen des Anlagevermögens besitze und dieses Anlagevermögen die notwendige Unterlage für den Betrieb der GmbH bilde. Es liege dann wirtschaftlich betrachtet ein einheitliches Unternehmen vor. Im Gegensatz zum Finanzgericht wird man im Streitfall diese Voraussetzungen als gegeben ansehen müssen. Die Auffassung des Finanzgerichts ist nicht zutreffend, daß das mit einem Aufwand von 945.000 DM für die Zwecke der GmbH besonders hergerichtete Fabrikgebäude keine wesentliche und notwendige Grundlage des Betriebs der GmbH im Sinne der Entscheidung I 217/58 U darstelle. Es ist betrieblich und wirtschaftlich ein erheblicher, die Eigenart und den Charakter eines Unternehmens bestimmender Umstand, ob das Unternehmen in fremden, gemieteten oder in eigenen, für den Betriebszweck besonders hergerichteten Räumen betrieben wird. Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtung stehen die der Betriebsgesellschaft bürgerlich-rechtlich gehörenden Gebäude den Gebäuden gleich, die sich im Eigentum ihrer Gesellschafter befinden. Bei einem Fabrikationsbetrieb bilden eigene Fabrikgebäude in der Regel eine wesentliche Grundlage des Unternehmens.

Der Senat gab in dem Grundsatzurteil I 131/59 S vom 8. November 1960 (BStBl 1960 III S. 513, Slg. Bd. 71 S. 706) eine weitere Begründung dafür, warum die Vermietung von wesentlichen Teilen des Anlagevermögens, besonders von Gebäuden, an eine von den Vermietern beherrschte Kapitalgesellschaft steuerlich nicht ebenso behandelt werden kann wie die Vermietung an ein fremdes Unternehmen. Die dort für die Zurechnung der Beteiligung zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft für bedeutsam gehaltenen Umstände, ob nämlich das vermietete Vermögen für die Betriebsgesellschaft von erheblicher Bedeutung ist und infolge der engen wirtschaftlichen und betrieblichen Verbindung Gewinnverlagerungen in erheblichem Umfange möglich sind, sind auch für die Behandlung der Besitzgesellschaft als Gewerbebetrieb von Wichtigkeit. Da es das Steuerrecht weitgehend den beide Unternehmen beherrschenden natürlichen Personen überläßt, die Rechtsbeziehungen zwischen ihren Unternehmen und sich selbst nach ihrem Belieben zu gestalten und damit die sich aus der wirtschaftlichen Betätigung des Gesamtorganismus ergebenden Erträge bis zu einem gewissen Umfang zu verlagern, so müssen es die Beteiligten hinnehmen, daß sie die Werterhöhungen und Erträge nicht beliebig mit erheblichen steuerlichen Folgen von der betrieblichen in die private Sphäre verlegen dürfen und daß der einheitliche Organismus, der aus dem der Betriebsgesellschaft selbst gehörenden und dem von der Besitzgesellschaft überlassenen Betriebsvermögen sowie aus den Beteiligungen besteht, als gewerbliches Vermögen betrachtet wird. Zu dem gewerblichen Unternehmen der Gemeinschaft gehören deshalb hier nicht nur das Fabrikgrundstück, sondern auch die Beteiligungen an der GmbH. Da die GmbH keine Erträge ausschüttete, verbleibt es bei dem angefochtenen Bescheid des Finanzamts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410347

BStBl III 1962, 104

BFHE 1962, 275

BFHE 74, 275

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge