Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, wie sich die allgemeine Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten einkommensteuerlich auswirkt, besonders in welchem Umfang die Einkünfte beiden Ehegatten zuzurechnen sind, ist im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach § 215 AO zu entscheiden.

Beantragen die Ehegatten die Gewinnaufteilung erst nachdem der Einkommensteuerbescheid ergangen ist, so kann trotz der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerbescheide das Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung zur Aufteilung der Einkünfte auf die Ehegatten eingeleitet werden.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2 Nr. 2, § 216 Abs. 2, § 218 Abs. 4; EStG § 2 Abs. 3 Ziff. 2, § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige Stpfl.) lebte mit ihrem im Jahre 1959 gestorbenen Ehemann im Streitjahr 1956 im Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft. Der Ehemann war Mitunternehmer einer Apotheke in der Rechtsform einer KG. Das Finanzamt (FA) stellte im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung (§ 215 Abs. 2 AO) für 1956 einen Gewinnanteil für den Ehemann fest, den es ihm bei der Einkommensteuerveranlagung 1956 allein zurechnete. Die Stpfl. wurde für 1956 von ihrem Ehemann getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Der einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid und die Einkommensteuerbescheide wurden rechtskräftig.

Nachdem das Gutachten des BFH VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 263, Slg. Bd. 69 S. 5) zur einkommensteuerrechtlichen Wirkung des Güterstands der allgemeinen Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten bekanntgeworden war, beantragte die Stpfl., die für ihren Ehemann festgestellten Einkünfte aus der Apotheke auf sie und ihren Mann aufzuteilen. Das FA sah darin einen Antrag auf Erlaß eines Ergänzungsbescheids im Sinne von § 216 Abs. 2 AO, den es unter Hinweis auf die Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide ablehnte. Im übrigen sei die beantragte Gewinnaufteilung auch sachlich nicht möglich, weil der Anteil des Ehemanns an der Apotheke zu seinem Sondergut gehört habe.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg .... Mit der Revision rügt die Stpfl., daß das Urteil des FG nicht gegen sie, sondern gegen die KG ergangen sei. Sie habe aber nicht die Ergänzung der gegen die KG ergangenen einheitlichen Gewinnfeststellung beantragt, sondern einen neuen Bescheid, durch den der Gewinnanteil des Ehemanns auf sie und ihren Ehemann aufgeteilt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung. Wenn das FG den Antrag der Stpfl. als Antrag auf Erlaß eines Ergänzungsbescheids gemäß § 216 Abs. 2 AO mit Wirkung für und gegen die KG behandelt hat, so ist das bedenklich. Der Senat hat mehrfach, so etwa im Gutachten VI D 1/58 S und im Urteil VI 332/61 U vom 1. März 1963 (BStBl 1963 III S. 211, Slg. Bd. 76 S. 578) ausgesprochen, daß über die einkommensteuerliche Wirkung einer vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft, besonders über die Verteilung der Einkünfte auf beide Ehegatten, im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gemäß § 215 AO zu entscheiden ist (vgl. ferner die Urteile des BFH IV 39/58 U vom 26. Juni 1958, BStBl 1958 III S. 364, Slg. Bd. 67 S. 237; IV 333/55 U vom 30. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 249, Slg. Bd. 68 S. 653). Die Stpfl. hatte vorgetragen, daß sie nur über den Anteil ihres Ehemanns an der Apotheke beteiligt gewesen sei, daß also eine Unterbeteiligung am Anteil ihres Ehemanns bestanden habe. Eine Unterbeteiligung ist eine Beteiligung, die ein an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft Beteiligter einer anderen Person einräumt. In solchen Fällen bestehen Rechtsbeziehungen nur zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten, nicht aber zwischen dem Unterbeteiligten und der Gesellschaft oder den anderen Gesellschaftern. Es ist nicht entscheidend, ob die Unterbeteiligung den anderen Gesellschaftern bekannt ist (Urteil des BFH IV 333/35 U, a. a. O.; I 202/59 U vom 19. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 229, Slg. Bd. 70 S. 612). Die Unterbeteiligung begründet eine Innengesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten. Der Hauptbeteiligte wickelt dabei die Geschäfte, die im Innenverhältnis für gemeinsame Rechnung des Haupt- und Unterbeteiligten gehen, im eigenen Namen ab. Der Unterbeteiligte ist im Sinne des Handelsrechts nicht Gesellschafter der Hauptgesellschaft. Steuerlich ist er darum regelmäßig auch nicht Mitunternehmer der Gesellschaft, an der der Hauptbeteiligte beteiligt ist (Urteil des BFH I 39/61 U vom 20. März 1962, BStBl 1962 III S. 337, Slg. Bd. 75 S. 189, und VI 332/61 U a. a. O.). Es würde den handelsrechtlichen Vorschriften widersprechen, § 15 Ziff. 2 EStG über seinen Wortlaut hinaus auszudehnen und etwa steuerlich den Unterbeteiligten eines Mitunternehmers selbst als Mitunternehmer der Hauptgesellschaft zu behandeln. Daraus ergibt sich, daß im Streitfall kein Ergänzungsbescheid gemäß § 216 Abs. 2 AO gegen die KG ergehen durfte, sondern daß die Streitfrage in einem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 215 Abs. 2 AO gegenüber den Eheleuten entschieden werden mußte. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, mußte deshalb aufgehoben werden.

Das FG muß den Streitfall im Verfahren gemäß § 215 AO nunmehr sachlich würdigen. Es hat angenommen, einer Gewinnaufteilung stehe die Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerbescheide entgegen. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Stpfl. beantragt hier erstmals, auf Grund ihrer Unterbeteiligung einen Anteil am Gewinnanteil ihres Ehemanns für sie festzustellen. Darüber ist - wie dargelegt - in einem besonderen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden. Die unanfechtbaren Einkommensteuerbescheide, die gegen die Ehegatten ergangen sind, müssen dann gegebenenfalls gemäß § 218 Abs. 4 AO berichtigt werden. Die Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide tritt dann zurück (Urteil des BFH IV 357/54 U vom 10. November 1955, BStBl 1955 III S. 398, Slg. Bd. 61 S. 519). Auf dem Urteil des BFH I 44/49 U vom 19. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 91, Slg. Bd. 70 S. 247) kann nichts anderes hergeleitet werden. Damals ging es um die Auswirkungen der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung durch das EStG 1957 im Zusammenhang mit der Nichtigkeitserklärung des § 26 EStG alter Fassung durch das Bundesverfassungsgericht, also um einen Sonderfall, bei dem das Stichtagsprinzip des § 26 Abs. 3 EStG 1957 die ausschlaggebende Rolle spielte. Auf diese Frage kommt es jedoch im Streitfall nicht an. ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 412046

BStBl III 1966, 389

BFHE 1966, 50

BFHE 86, 50

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