Leitsatz (amtlich)

Zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung einer Abfindung, die der Inhaber eines Handelsgeschäftes an einen (atypischen) stillen Gesellschafter bei vorzeitiger einvernehmlicher Aufhebung des Gesellschaftsverhältnisses zahlt.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine stille Gesellschaft typischer oder atypischer Natur war und ob Zahlungen, die der Inhaber einer Apotheke an einen stillen Gesellschafter im Zusammenhang mit einer vorzeitigen einvernehmlichen Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses geleistet hat, als Anschaffungskosten für einen Anteil am Geschäftswert oder aus sonstigen Gründen zu aktivieren sind oder sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden können, soweit sie die Einlage des stillen Gesellschafters und dessen Anteil an den stillen Reserven des bilanzierten Anlagevermögens übersteigen.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), Apotheker, war Inhaber einer ererbten Apotheken-Realkonzession. Am 10. November 1952 schloß der Kläger mit dem Beigeladenen einen "Vertrag über eine stille Gesellschaft". Danach verpflichtete sich der Kläger, einen aufgrund eines Erbbaurechts erstellten Rohbau eines Gebäudes fertigzustellen und bestimmte Räume dieses Gebäudes aufgrund seiner Apotheken-Realkonzession als Apotheke zu benützen. Demgegenüber verpflichtete sich der Beigeladene, dem Kläger zur Finanzierung der Baukosten ein mit 5,5 % zu verzinsendes Darlehen von 20 000 DM zu gewähren. Außerdem vereinbarten der Kläger und der Beigeladene, daß der Beigeladene eine Einlage von 30 000 DM als stiller Gesellschafter zu leisten habe, und zwar in Höhe eines Teilbetrags von 20 000 DM in der Weise, daß er zusammen mit dem Kläger die Apothekeneinrichtung kauft und diese in die Gesellschaft einbringt. Als Vergütung für seine Einlage als stiller Gesellschafter sollte der Beigeladene "50 % des jeweils in der Apotheke erzielten Gewinnes" erhalten (§ 2). Des weiteren bestimmte der Vertrag u. a. , der Beigeladene habe keinen Anteil an einem Verlust (§ 2). Der Beigeladene "hat das Recht, in alle Unterlagen und Geschäftspapiere des Betriebes Einsicht zu nehmen, wie es bei einer offenen Handelsgesellschaft einem geschäftsführenden, persönlich haftenden Gesellschafter gestattet ist" (§ 3). "Anschaffungen für das Anlagevermögen und die Aufwendungen von Kosten, die das normale Maß für eine Apotheke gleicher Art und Bedeutung übersteigen, braucht" der Beigeladene "nur gegen sich gelten zu lassen, wenn sie mit seiner Zustimmung aufgewandt sind" (§ 4). Der Kläger könne den Vertrag erstmalig zum 31. Dezember 1969 kündigen (§ 5). Für den Fall der Kündigung "ist eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, bei der der Grundstückswert außer Betracht bleibt" (§ 6). Der Kläger verpflichte sich, über seine Realkonzession nicht zu verfügen, solange die stille Gesellschaft besteht (§ 10).

Am 8. Dezember 1952 eröffnete der Kläger in S die Apotheke.

In der Folgezeit kam es zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu Meinungsverschiedenheiten, vor allem deshalb, weil der Beigeladene mehrfach den Jahresabschluß und die Geschäftsführung des Klägers beanstandete.

Im Juli 1961 kündigte der Kläger das Gesellschaftsverhältnis fristlos, nachdem bekanntgeworden war, daß gegen den Beigeladenen ein Strafverfahren anhängig war. In einem anschließenden Zivilprozeß, den der Beigeladene gegen den Kläger angestrengt hatte, schlossen der Kläger und der Beigeladene am 18. April 1962 einen gerichtlich protokollierten Vergleich. Dieser bestimmte, die Parteien seien sich darüber einig, daß das Gesellschaftsverhältnis mit Wirkung vom 31. Dezember 1961 aufgelöst sei und daß der Beigeladene "als lästiger Gesellschafter" ausscheide. Der Kläger zahle an den Beigeladenen dessen Kapitalanteil von 50 000 DM zurück. "Als Abfindung für das vorzeitige Ausscheiden" des Beigeladenen zahle der Kläger an diesen 107 500 DM.

Bereits alsbald nach der Eröffnung der Apotheke hatte der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Gründung der stillen Gesellschaft mit dem Bemerken mitgeteilt, es handele sich um eine atypische stille Gesellschaft, die steuerrechtlich als Mitunternehmerschaft zu werten sei.

Demgemäß erließ das FA in der Folgezeit Gewinnfeststellungsbescheide für 1952 bis 1960 nach Maßgabe der eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen.

In der Gewinnfeststellungserklärung für 1961 behandelte der Kläger die aufgrund des Prozeßvergleichs an den Beigeladenen (über die Rückzahlung der Einlage hinaus) geleistete Abfindung von 107 500 DM in Höhe eines Teilbetrags von 1 900 DM als aktivierungspflichtige Anschaffungskosten für anteilige stille Reserven der Geschäftsausstattung und in Höhe eines Teilbetrags von 105 600 DM als sofort abzugsfähige "Abfindung für lästigen Gesellschafter".

Das FA war demgegenüber der Ansicht, daß der Teilbetrag von 105 600 DM als Anschaffungskosten für den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters am Geschäftswert zu aktivieren sei. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 23. April 1968 einen berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid für 1961. Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Teilbetrag von 105 600 DM sei als Anschaffungskosten für den Anteil des Beigeladenen am Geschäftswert der Apotheke zu aktivieren, weil der Beigeladene als Mitunternehmer objektiv am Geschäftswert der Apotheke partizipiert habe und ein entsprechender Geschäftswert vorhanden gewesen sei.

Mit der Revision beantragt der Kläger, den angefochtenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte 1961 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise, die einheitlich festgestellten Einkünfte für 1961 von 103 035 DM um die an den Beigeladenen gezahlte Abfindung von 107 500 DM zu mindern und diese Gewinnminderung bei dem Gewinnanteil des Klägers zu berücksichtigen,

hilfsweise, 1/9 des Betrages von 107 500 DM, also 11 773 DM, für 1961 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen und entsprechend den Anteil des Klägers an den einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften 1961 zu mindern,

hilfsweise, den Geschäftswert, soweit er auf den Beigeladenen als entfallen angesehen werde, auf einen Wert von 20 000 DM zu beschränken.

Er rügt, daß das angefochtene Urteil gegen die Denkgesetze verstoße, die Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften der §§ 4 bis 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und den Mitunternehmerbegriff des § 15 EStG verfetze.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Gewinnfeststellung nach Maßgabe des zweiten Hilfsantrags der Revisionsbegründung, d. h. zur Feststellung eines um 1/9 des streitigen Teilbetrags (105 600 DM) der Abfindung, also um 11 733 DM niedrigeren laufenden Gewinns und Gewinnanteils des Klägers.

1. Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß der Beigeladene als atypischer stiller Gesellschafter Mitunternehmer des vom Kläger betriebenen Unternehmens war und daß deshalb die bei der Auflösung der stillen Gesellschaft vom Kläger an den Beigeladenen gezahlte Abfindung vom Kläger als Anschaffungskosten für die Anteile des Beigeladenen an den Wirtschaftsgütern zu aktivieren war, die zum Betriebsvermögen des vom Kläger betriebenen Unternehmens gehörten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat wiederholt entschieden, Mitunternehmer i. S. von § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG sei, wer eine gewisse Unternehmerinitiative entfalten könne und ein Unternehmerrisiko trage (vgl. z. B. Urteil vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498, mit weiteren Nachweisen). Ob danach ein stiller Gesellschafter (§ 335 HGB) als Mitunternehmer in diesem Sinne zu beurteilen ist oder Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F.), bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (z. B. BFH-Urteil vom 21. März 1961 I 249/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 246). Eine Mitunternehmerschaft ist in jedem Fall dann gegeben, wenn die Vertragsparteien übereingekommen sind, daß der stille Gesellschafter im Innenverhältnis so gestellt sein soll, als ob er Kommanditist wäre und ihm deshalb die einem Kommanditisten nach Maßgabe des HGB zukommenden Rechte und Pflichten zustehen und obliegen sollen (s. auch Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. November 1977 II ZR 183/75, Neue Juristische Wochenschrift 1978 S. 424 - NJW 1978, 424 -). Aber auch ohne eine derartige klare Vereinbarung kann der stille Gesellschafter als Mitunternehmer zu beurteilen sein, wenn die ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Rechtsstellung wenigstens in gewisser Weise der Rechtsstellung eines Gesellschafters einer OHG oder KG nahekommt. Soweit der Gesellschaftsvertrag insoweit mehrdeutig ist und auch die tatsächliche Handhabung der einzelnen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags durch die Vertragsparteien keinen zwingenden Schluß darauf zuläßt, wie die Vertragsparteien die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags verstanden haben, ist für die einkommensteuerrechtliche Wertung des Gesellschaftsverhältnisses im Zeitpunkt seiner Auflösung auch von wesentlicher Bedeutung, wie die Vertragsparteien das Rechtsverhältnis in den vorangegangenen Jahren seines Bestandes selbst einkommensteuerrechtlich beurteilt und demgemäß dem FA gegenüber deklariert haben.

Für den Streitfall folgt daraus, daß die Annahme einer Mitunternehmerschaft nicht zu beanstanden ist. Gegen diese spricht zwar, daß der Beigeladene anders als z. B. ein Kommanditist nicht am Verlust beteiligt war und daß ungewiß ist, ob der Beigeladene ähnlich wie ein Kommanditist einen Anspruch darauf hatte, daß sein Auseinandersetzungsguthaben bei einer Auflösung der Gesellschaft (§ 340 HGB) unter Berücksichtigung eines dem Gewinnanteil entsprechenden Anteils am Geschäftswert errechnet wird (s. dazu unten zu 2.). Andererseits kann aber nicht zweifelhaft sein, daß dem Beigeladenen neben einem hohen Gewinnanteil (50 v. H.) ein Anteil an den stillen Reserven der bilanzierten materiellen Wirtschaftsgüter zustand und daß der Beigeladene relativ ausgeprägte Kontroll- und Mitspracherechte hatte (vgl. §§ 3, 4 des Gesellschaftsvertrags) und von diesen auch vollen Gebrauch machte. Hinzu kommt, daß die fehlende Verlustbeteiligung angesichts der Art des Geschäftsbetriebs des Klägers praktisch geringes Gewicht hatte. Bei dieser Ausgangslage muß für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Auflösung der Gesellschaft als Veräußerung eines Mitunternehmeranteils einerseits und als Anschaffung der diesem Mitunternehmeranteil entsprechenden Anteile am Betriebsvermögen der ehemaligen Mitunternehmerschaft andererseits ausschlaggebend sein, daß der Kläger und der Beigeladene in den nahezu 10 Jahren des Bestands der Gesellschaft diese stets selbst als atypische stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) ansahen.

Dem Hauptantrag der Revision, die Vorentscheidung und den Gewinnfeststellungsbescheid 1961 ersatzlos aufzuheben, kann deshalb nicht entsprochen werden.

2. Der Senat kann der Vorentscheidung jedoch nicht darin beipflichten, daß unabhängig davon, ob der Beigeladene nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags und der ergänzenden gesetzlichen Vorschriften überhaupt Anteil an einem Geschäftswert hatte, der Kläger den streitigen Teilbetrag der Abfindung als Anschaffungskosten für einen erworbenen Anteil an einem Geschäftswert aktivieren müsse, weil der Beigeladene durch die Bemessung der Abfindung objektiv am Geschäftswert partizipiert habe. Vielmehr ist im Streitfall davon auszugehen, daß der Beigeladene in Abfindungsform objektiv lediglich an den Gewinnen der Jahre 1961 bis 1969 partizipiert hat.

a) Wenn die Revision betont, das Vorhandensein eines Geschäftswerts reiche nicht aus, um jede Abfindung, die über den Buchwert des Kapitalkontos und den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters an den stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter hinausgeht, als Entgelt für einen Anteil an einem Geschäftswert zu behandeln, so ist dem für den Streitfall zuzustimmen. Die Besonderheiten des Streitfalles bestehen darin, daß der Kläger das stille Gesellschaftsverhältnis kündigen konnte, wenn auch erstmals zum 31. Dezember 1969, daß mindestens ungewiß ist, ob der Beigeladene bei einer Auflösung der stillen Gesellschaft zum 31. Dezember 1969 auch eine Abfindung für einen Anteil an einem Geschäftswert hätte beanspruchen können und daß das Gesellschaftsverhältnis vorzeitig durch Vertrag (Prozeßvergleich) aufgehoben wurde, also nicht durch gerichtliche Entscheidung festgestellt ist, daß das Gesellschaftsverhältnis vorzeitig durch außerordentliche Kündigung des Klägers sein Ende fand.

Liegt ein stilles Gesellschaftsverhältnis vor und kann der Inhaber des Handelsgeschäfts nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags dieses Gesellschaftsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt kündigen, so erwirbt der stille Gesellschafter mit der Kündigung gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts nur einen Abfindungsanspruch in Geld. Anders als bei einer OHG oder KG findet keine Liquidation der Gesellschaft (vgl. §§ 145 ff. HGB) statt. Bei einer derartigen Gestaltung läßt sich in der einkommensteuerrechtlichen Würdigung der vom Inhaber des Handelsgeschäfts an den stillen Gesellschafter gezahlten Abfindung regelmäßig nur dann davon ausgehen, der stille Gesellschafter sei am Geschäftswert des Handelsgeschäfts beteiligt gewesen (und der Inhaber des Handelsgeschäfts habe einen entsprechenden Anteil am Geschäftswert entgeltlich erworben), wenn feststeht, daß bei der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens des stillen Gesellschafters, das diesem bei einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch den Inhaber des Handelsgeschäfts zu dem im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt auszuzahlen gewesen wäre, auch ein Geschäftswert zu berücksichtigen gewesen wäre. Denn von einer Beteiligung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft am Geschäftswert läßt sich grundsätzlich nur dann ausgehen, wenn der Gesellschafter mindestens für den Fall einer Auflösung der Gesellschaft (i. V. m. einer Liquidation) an einem z. B. durch Veräußerung des Unternehmens im ganzen realisierten Geschäftswert teilnimmt, wie dies bei einer OHG oder KG nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschrift - d. h. wenn im Gesellschaftsvertrag der OHG und KG nichts anderes vereinbart ist - auch dann der Fall ist, wenn der Gesellschaftsvertrag für den Fall des einseitigen Ausscheidens eines Gesellschafters (unter Fortbestand der Gesellschaft) eine Buchwertabfindung dieses Gesellschafters vorsieht. Läßt sich hingegen bei einer stillen Gesellschaft nicht feststellen, daß der stille Gesellschafter auf Grund besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag bei einer Auflösung der Gesellschaft durch Kündigung ein Auseinandersetzungsguthaben erhalten hätte, bei dessen Berechnung auch ein Geschäftswert zu berücksichtigen wäre, so kann allein aus der Tatsache, daß der stille Gesellschafter eine über seine Einlage und über seinen Anteil an den stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter hinausgehende Abfindung erhalten hat, jedenfalls dann nicht zwingend auf den Erwerb eines Anteils an einem Geschäftswert geschlossen werden, wenn die Möglichkeit besteht, daß das stille Gesellschaftsverhältnis einvernehmlich vorzeitig aufgelöst wurde und die Abfindung insgesamt nicht höher ist als die Summe der Gewinnanteile, die der stille Gesellschafter bei Fortdauer des Gesellschaftsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der erstmöglichen ordentlichen Kündigung mutmaßlich erhalten hätte. Denn in diesem Falle erlangt der Inhaber des Handelsgeschäfts durch die Abfindungszahlung jedenfalls den Vorteil des vorzeitigen Wegfalls einer befristeten Beteiligung des stillen Gesellschafters an künftigen Gewinnen.

Für die Auflösung eines stillen Gesellschaftsverhältnisses im vorstehenden Sinne hält der Senat an seinen gegenteiligen Ausführungen in den Urteilen vom 27. Mai 1964 IV 280/63 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 375 - HFR 1964, 375 -) und vom 21. Mai 1970 IV R 131/68 (BFHE 99, 526, BStBl II 1970, 740) nicht mehr fest. Für das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer OHG oder KG (mit befristetem Gesellschaftsvertrag) gilt Entsprechendes, sofern im Gesellschaftsvertrag entgegen den dispositiven Vorschriften des HGB vereinbart ist, daß der betreffende Gesellschafter sowohl bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft unter Fortbestand der Gesellschaft als auch bei einer Liquidation der Gesellschaft keinen Anteil an einem Geschäftswert haben soll.

Für den Streitfall folgt hieraus, daß der streitige Teilbetrag (105 600 DM) der Abfindung als Entgelt für den vorzeitigen Wegfall einer befristeten Verpflichtung zur hälftigen Teilung der mutmaßlichen Gewinne der Jahre 1961 bis 1969 zu beurteilen ist. Denn zum einen steht nicht fest, daß die Gewinnbeteiligung des Beigeladenen für die Zeit 1961 bis 1969 bereits vor Abschluß des Prozeßvergleichs rechtswirksam weggefallen war, weil insoweit kein im streitigen Verfahren ergangenes zivilgerichtliches Urteil vorliegt; zum anderen ist ungewiß, ob im Rahmen der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens des Beigeladenen bei einer Auflösung der Gesellschaft zum 31. Dezember 1969 auch ein Geschäftswert anzusetzen gewesen wäre, der Beigeladene also an einem Geschäftswert gesellschaftsrechtlich "beteiligt" war. Der Gesellschaftsvertrag ist insoweit mehrdeutig. Für eine Beteiligung des Beigeladenen am Geschäftswert läßt sich zwar anführen, daß nach einer verbreiteten zivilrechtlichen Lehre sogar ein typischer stiller Gesellschafter jedenfalls an dem seit Begründung des Gesellschaftsverhältnisses mit entsprechenden Aufwendungen geschaffenen Geschäftswert teilhaben soll (Baumbach/Duden, Handelsgesetzbuch, 23. Aufl., §§ 336, 337 Anm. 1 A) und daß die Vertragsparteien das Gesellschaftsverhältnis als atypische stille Gesellschaft beurteilten und damit zum Ausdruck brachten, der Beigeladene habe eine ähnliche Rechtsstellung wie ein Kommanditist. Andererseits spricht aber gegen eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Beigeladenen an einem Geschäftswert, daß im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit des Klägers, nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses die Apothekenrealkonzession auf eigene Rechnung zu verwerten, mindestens konkludent anerkannt ist und daß die Vertragsparteien jedenfalls nach der im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags gegebenen Rechtslage von einer weitgehenden Identifikation der Realkonzession mit dem Geschäftswert einer Apotheke ausgehen mußten.

b) Der Senat kann der Revision, einer verbreiteten Meinung im Schrifttum (s. Hermann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., EStG, § 16 Anm. 290 a. E.) und dem BFH-Urteil vom 10. November 1960 IV 62/60 U (BFHE 72, 251, BStBl III 1961, 95) aber nicht darin folgen, daß bei dieser Betrachtung der streitige Teilbetrag der an den Beigeladenen geleisteten Abfindung nicht aktivierungspflichtig, sondern sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig sei. Vielmehr erlangte der Kläger mit dieser Abfindungszahlung einen betrieblichen Vorteil (Befreiung von einer befristeten Verpflichtung zur Abführung von Teilen des laufenden Gewinns an einen Dritten), der als abnutzbarer Vermögensgegenstand im handelsrechtlichen Sinne und als abnutzbares Wirtschaftsgut im einkommensteuerrechtlichen Sinne zu beurteilen und demgemäß mit den Anschaffungskosten zu aktivieren ist. Es gelten insoweit diejenigen Grundsätze und Überlegungen sinngemäß, die der Große Senat des BFH in dem auch von der Revision erwähnten Beschluß vom 2. März 1970 GrS 1/69 (BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382) zur bilanzsteuerrechtlichen Behandlung einer Abfindung entwickelt hat, die der Grundstückseigentümer an einen Pächter für eine Räumung des Grundstücks vor Ablauf der Pachtzeit zahlt.

Auf die Anschaffungskosten sind Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach Maßgabe der Nutzungsdauer vorzunehmen. Dabei ist im Streitfall entsprechend dem Sachvortrag der Prozeßbeteiligten davon auszugehen, daß mit dem streitigen Teilbetrag der Abfindung die "Gewinnbeteiligungslast" für die Jahre 1961 bis 1969 abgefunden wurde.

c) Die von der Revision erstrebte sofortige Abzugsfähigkeit des streitigen Mehrbetrags der Abfindung wäre nur gegeben,

aa) wenn feststünde, daß das Gesellschaftsverhältnis nicht im gegenseitigen Einvernehmen, also durch Vertrag, sondern durch einseitige außerordentliche Kündigung vorzeitig aufgelöst worden ist und

bb) wenn außerdem feststünde, daß kein Geschäftswert vorhanden war.

In diesem Falle ließe sich sagen, daß der Beigeladene mit der Abfindung objektiv weder an den Gewinnen der Jahre 1961 bis 1969 noch an einem Geschäftswert partizipiert hat.

An beiden Voraussetzungen fehlt es jedoch im Streitfall. Für die zu aa) genannte Voraussetzung ist dies bereits oben dargetan. Aber auch die zu bb) genannte Voraussetzung ist nicht erfüllt. Zwar ist das FG bei der Entscheidung der Frage, ob und in welcher Höhe ein Geschäftswert vorhanden war, insofern von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, als es den zu erwartenden künftigen Jahresgewinn nicht um einen Unternehmerlohn kürzte (s. dazu z. B. BFH-Urteile vom 20. April 1977 I R 234/75, BFHE 122, 268, BStBl II 1977, 607; vom 8. Dezember 1976 I R 215/73, BFHE 121, 402, BStBl II 1977, 409; vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73) und im Rahmen der Anwendung der sog. indirekten Methode den Substanzwert mit dem Buchwert statt mit dem Teilwert ansetzte (s. dazu z. B. BFH-Urteile I R 215/73 und vom 25. November 1976 IV R 90/72, BFHE 120, 499, BStBl II 1977, 467). Gieichwohl ist anzunehmen, daß überhaupt ein Geschäftswert vorhanden war, da auch auf der Grundlage der Berechnungen des Klägers, die sowohl einen Unternehmerlohn als auch den Teilwert des Betriebsvermögens berücksichtigen, zu Unrecht aber der Kapitalisierung nicht den Kapitalmarktzins, sondern einen Zinsfuß von 30 v. H. zugrunde legen, ein Geschäftswert rechnerisch nachweisbar ist.

d) Demnach ist der festgestellte Gewinn um 1/9 des Teilbetrags der Abfindung, der nicht auf die stillen Reserven der Geschäftsausstattung entfällt, also um 1/9 von 105 600 DM (107 500 DM ./. 1 900 DM) = 11 733 DM zu mindern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72969

BStBl II 1979, 74

BFHE 1979, 185

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