Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zinsanteil in der Jahresleistung, die gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 LAG nach den am 31. März 1948 geltenden Bedingungen zu erbringen war, bemißt sich in den Fällen, in denen die Zinsleistungen für ein im Rahmen der öffentlichen Wohnungsfürsorge gegebenes zinsverbilligtes Darlehen vom Tage der Darlehnsgewährung bis zum Währungsstichtag jeweils jährlich ganz oder teilweise erlassen worden sind, nur nach der effektiv zu erbringenden Zinszahlung und nicht nach derjenigen Zinsleistung, die auf Grund der vertraglichen Abmachung aufzubringen gewesen wäre.

 

Normenkette

LAG § 99 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob sich ein vom Darlehnsgläubiger ausgesprochener Zinserlaß auf die Höhe der Jahresleistungen nach § 99 Abs. 2 Satz 2 LAG auswirkt.

Die Revisionsklägerin ist Eigentümerin des Grundstücks X. Zur Bebauung des Grundstücks gewährte ihr im Jahre 1931 u. a. die Deutsche Reichspost aus ihrem Wohnungsfürsorgefonds ein Darlehen von 44.000 RM. Dieses Darlehen war ursprünglich jährlich mit 5 v. H. zu verzinsen und 1 v. H. zu tilgen. Es wurde durch Eintragung einer Hypothek gesichert.

Durch Erlaß des Reichspostministers aus dem Jahre 1942 wurde im Rahmen der Wohnungsfürsorge für Reichspostbedienstete der vertraglich festgelegte Zinssatz von jährlich 5 v. H. auf 4 v. H. herabgesetzt. Die Nominal-Zins- und Tilgungsleistungen von nunmehr jährlich insgesamt 5 v. H. waren unter Zugrundelegung der Restschuld am 1. Juli 1942 von 37.650,15 RM neu zu berechnen. Bis zum 20. Juni 1948 hatte sich die Darlehnsschuld durch Tilgung auf 35.125,37 RM verringert. Die Zinsleistungen wurden der Revisionsklägerin vom 1. Juli 1931 an bis zum 30. Juni 1948, jedoch durch Verfügungen der Oberpostdirektion jährlich neu, in vollem Umfang erlassen. Dabei wurden jährlich die Erträge und die Belastungen für die an Postbedienstete vermieteten Wohnungen gegenübergestellt. Da die Mieterträge jährlich nicht zur Gesamttilgung aller Hypothekenverpflichtungen ausreichten, wurden die Zinsverpflichtungen aus dem Darlehen der Deutschen Reichspost erlassen und - soweit noch erforderlich - Zuschüsse gewährt. Auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) erklärte die Oberpostdirektion hierzu:

" ... In der Zielsetzung, eine für die dem Besetzungsrecht der früheren Deutschen Reichspost unterliegenden Wohnungen angemessene Mietbildung zu erreichen, hat die Deutsche Reichspost bzw. deren Rechtsnachfolgerin vom 1. Juli 1931 bis 30. Juni 1948 auf Zinsen für das Baudarlehen verzichtet und darüber hinaus Zinszuschüsse gewährt. ... Gleichwohl ist der bei einer vertraglichen Verzinsung sich ergebende ersparte Zins der Tilgung zugerechnet worden. Der gewährte Zinsnachlaß stellte keine änderung der Darlehnsbedingungen dar. Es handelte sich lediglich um eine außervertragliche, jederzeit widerrufliche Maßnahme.

Auf die 1/10-Restschuld des Baudarlehens werden seit dem 1. Juli 1948 die vertraglichen Zinsen von 4 v. H. erhoben ..."

Am 7. September 1960 erließ das Finanzamt (FA) einen Abgabebescheid. Darin setzte es die HGA von 27.108 DM fest. Es legte dabei ein Ausgangskapital von 44.000 RM und eine Jahresleistung nach den am 31. März 1948 geltenden Bedingungen (§ 99 Abs. 2 Satz 2 LAG) von 1.882,50 RM zugrunde.

Mit dem Einspruch machte die Revisionsklägerin geltend, die Jahresleistung am 31. März 1948 habe nicht 1.882,50 RM, sondern 468,12 RM betragen. Die Oberpostdirektion habe - wie in allen Jahren zuvor - auch bis zum 30. Juni 1948 die Zinsen in voller Höhe erlassen. Es sei deshalb nach § 99 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz LAG als Jahresleistung der Mindestsatz von 1 1/2 v. H. des Ausgangskapitals von 44.000 RM = 660 RM anzusetzen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Einspruchsentscheidung wurde der Abgabebescheid vom 7. September 1960 zum Nachteil der Revisionsklägerin wegen eines "nachträglich festgestellten Schreibfehlers" dahingehend berichtigt, daß die restliche Abgabeschuld nach § 106 LAG nicht - wie bisher - 20.894,83, sondern 25.263,76 DM beträgt.

Mit der Berufung begehrte die Revisionsklägerin erneut, die Abgabeschuld auf der Grundlage einer Jahresleistung von 660 RM festzusetzen. Das FG wies die Berufung zurück. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Es handele sich hier um ein Reichsbaudarlehen. Die HGA-Schuld sei deshalb nach § 99 Abs. 2 LAG zu berechnen. Von Bedeutung sei danach die Jahresleistung, die nach den am 31. März 1948 geltenden Bedingungen auf das Darlehen zu erbringen gewesen sei. Das Gesetz habe die Soll-Leistung und nicht die Ist-Leistung im Auge. Auf die Höhe der zu erbringenden Jahresleistung sei es ohne Einfluß, daß die Revisionsklägerin von 1931 bis 1948 tatsächlich keine Zinsen gezahlt habe. Die Erlaßverfügungen hätten den Darlehnsvertrag nicht umgestaltet. Gerade dadurch, daß eine Vielzahl von Erlaßverfügungen ausgesprochen worden sei, sei zum Ausdruck gekommen, daß eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung bestanden habe. Die Oberpostdirektion habe damit zu erkennen gegeben, daß keine generelle änderung der Darlehnsbedingungen beabsichtigt gewesen und eingetreten sei.

Mit der Rb. macht die Revisionsklägerin geltend, im Zuge der Wohnungsfürsorgemaßnahmen seien den Hauseigentümern zur Erzielung tragbarer Mieten für die mit Reichsbaudarlehen errichteten Wohnungen von den Normbedingungen abweichende Zins- und Tilgungsleistungen gestattet worden. Die Wohnungsfürsorgemaßnahmen hätten erstens den Erlaß der Zinsen auf die Reichsbaudarlehen und zweitens Gewährung von Zinszuschüssen zur Deckung der Zinsverpflichtung aus Krediten des Kapitalmarkts vorgesehen. Diese Maßnahmen seien unter Berücksichtigung der Jahresertragsrechnung des jeweiligen Mietgrundstücks im Zusammenhang mit den als sozial festgesetzten Mieten erfolgt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen habe auf die Förderungsmaßnahmen ein Rechtsanspruch bestanden. Zumindest wandelte eine Erlaßverfügung wirtschaftlich von Jahr zu Jahr die einschlägigen Vertragsnormen ab. Unstreitig seien hier bis zum 30. Juni 1948 beide vorerwähnten Förderungsmaßnahmen zum Zuge gekommen.

Die Revisionsklägerin beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und unter Abänderung der Einspruchsentscheidung die streitige Abgabeschuld mit 9.504 DM festzusetzen.

Der Revisionsbeklagte (FA) beantragt, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Er trägt vor, auf den Zinserlaß und Zinszuschuß habe kein zu den Vertragsbedingungen gehörender Anspruch der Revisionsklägerin bestanden. Es handele sich lediglich um einseitige Billigkeitsmaßnahmen, die von der Gläubigerin jederzeit wieder aufgehoben werden konnten.

 

Entscheidungsgründe

Die seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.

Die Abgabeschuld wird in Fällen von zinsverbilligten Reichsdarlehen im Wege der öffentlichen Wohnungsfürsorge - wovon die Vorentscheidungen hier zutreffend ausgingen - nach § 99 Abs. 2 LAG nicht unter Zugrundelegung der wirklichen Schuld, sondern nach einer fiktiven Ausgangsschuld errechnet. Die fiktive Ausgangsschuld beträgt das Zwanzigfache der am Stichtage maßgebenden Annuität. Maßgebend ist die Jahresleistung die nach den Bedingungen zwischen Gläubiger und Schuldner am 31. März 1948 zu erbringen war.

Nach dem Darlehnsvertrag in Verbindung mit dem Erlaß des Reichspostministers aus dem Jahre 1942 war das Darlehen jährlich mit 4 v. H. zu verzinsen und mit 1 v. H. zu tilgen. Unstreitig wurden der Revisionsklägerin jedoch von 1931 an bis zum 30. Juni 1948 alle effektiv zu erbringenden Zinszahlungen erlassen, da in dem genannten Zeitraum die Mieterträge jährlich nicht zur Tilgung aller auf dem Grundstück lastenden Hypotheken ausreichten.

Aus den vom FG getroffenen Feststellungen ist nicht mit letzter Sicherheit zu ersehen, ob die Revisionsklägerin einen Rechtsanspruch auf Erlaß der Darlehnszinsen und auf Zinszuschüsse hatte, wenn die Mieterträge im einzelnen Jahr zur Gesamttilgung aller Hypothekenverpflichtungen nicht ausreichten. Für einen vertraglichen Anspruch spricht allerdings, daß die Postverwaltung den Erlaß nach Vorlage von Ertragsberechnungen über einen Zeitraum von 17 Jahren jährlich aussprach, und daß sie zusätzlich noch Zinszuschüsse gewährte. Daß sie die Erlaßverfügungen als widerruflich bezeichnete, sollte offenbar nur zum Ausdruck bringen, daß im jeweils folgenden Jahr der Erlaß nicht automatisch fortgelten sollte, sondern nach den dann gegebenen tatsächlichen Voraussetzungen erneut beantragt und ausgesprochen werden mußte. Die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf den Erlaß bestand, braucht jedoch nicht abschließend geklärt zu werden. Es kann auch unentschieden bleiben, ob die einzelnen Erlaßverfügungen als gestaltende Hoheitsakte der Postverwaltung oder als zwischen der Postverwaltung und der Revisionsklägerin geschlossene Erlaßverträge nach § 397 BGB anzusehen sind. Denn es steht jedenfalls fest, daß die Revisionsklägerin am 31. März 1948 nach den zwischen ihr und der Postverwaltung bestehenden Regelungen - Vertrag und Erlaßverfügungen - effektiv keine Zinsleistungen erbringen mußte. Auf die wirklich zu erfüllende Leistungsverpflichtung kommt es für die Bestimmung der Jahresleistung, die nach den am 31. März 1948 geltenden Bedingungen zu erbringen war, entscheidend an (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, § 99 Anm. 3; Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe A, § 99 Anm. 11). § 99 Abs. 2 Satz 2 LAG fordert nicht, wie die Vorinstanz meint, daß die "am 31. März 1948 geltenden Bedingungen" vertraglicher Art sein müssen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist es nur erheblich, welche Bedingungen zwischen den Darlehnspartnern am genannten Stichtag für die effektiv zu erbringenden Zahlungen maßgebend waren. Wie diese Bedingungen zwischen Darlehnsgläubiger und -schuldner zustande kamen, ist ohne Bedeutung.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen LA 2541-27/54 vom 23. Februar 1954 (LA-Kartei, § 99 Abs. 2, Karte 2). Abgesehen davon, daß dieser Erlaß die Steuergerichte nicht bindet, ist unter C. 1. nur ausgeführt, "der Erlaß einzelner Raten" beeinflusse die Höhe der maßgebenden Jahresleistungen nicht. Geht man davon aus, daß der Erlaß des Bundesministers der Finanzen insoweit § 99 Abs. 2 Satz 2 LAG zutreffend auslegt, so führt er im Streitfall dennoch nicht dazu, daß der Erlaß der Zinsleistungen bei der Ermittlung der Jahresleistungen nach § 99 Abs. 2 LAG unberücksichtigt bleiben muß. Ein Zinserlaß, der zwar jährlich neue ausgesprochen, jedoch insgesamt ununterbrochen über einen Zeitraum von 17 Jahren gewährt wird, kann nicht als Erlaß einzelner Raten angesehen werden.

Daß die Revisionsklägerin vom 1. Juli 1948 an auf die 1/10 - Restschuld des Baudarlehens wieder 4 v. H. Zinsen erbringen mußte, ist für die am 31. März 1948 maßgeblichen Bedingungen ohne Belang.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412463

BStBl III 1967, 477

BFHE 1967, 476

BFHE 88, 476

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