Leitsatz (amtlich)

Eine Kinderpflegerin kann Hausgehilfin i. S. des § 53 a EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979 sein.

 

Normenkette

EStG i.d.F. des StÄndG 1979 (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) § 53a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Jahre 1972 als Steuerbevollmächtigte selbständig tätig. Sie hat zwei Kinder, die am 3. März 1963 und am 31. Dezember 1965 geboren worden sind. Ihre Ehe wurde im Jahre 1965 geschieden.

Die Klägerin beschäftigte im Jahre 1972 eine (den ganzen Tag über tätige) Kinderpflegerin und eine (stundenweise tätige) Haushaltshilfe. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1972 machte sie die Aufwendungen für die Kinderpflegerin in Höhe von 10 169 DM als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) geltend; hinsichtlich ihrer Aufwendungen für die Haushaltshilfe beantragte sie den Freibetrag nach § 33 a Abs. 3 EStG 1971.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die steuerliche Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen mit Einkommensteuerbescheid vom 2. Oktober 1974 ab. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA gewährte der Klägerin in der Einspruchsentscheidung für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe den Freibetrag nach § 33 a Abs. 3 EStG 1971 in Höhe von 600 DM. Im übrigen wies das FA den Einspruch zurück.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, die ihr für die Beschäftigung der Kinderpflegerin entstandenen Aufwendungen in Höhe von 10 169 DM bei den Einkünften aus ihrer Tätigkeit als Steuerbevollmächtigte als Betriebsausgaben anzusetzen, hilfsweise, diese Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu behandeln.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Aufwendungen für die Kinderpflegerin seien keine Betriebsausgaben. Die für die Betreuung der Kinder entstandenen Kosten gehörten vielmehr zum Unterhalt der Familie (§ 12 Nr. 2 Satz 1 EStG); diese Kosten seien auch dann nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn ohne ihre Bestreitung die Erzielung von Einkünften nicht möglich gewesen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 1973 IV R 181/70, BFHE 109, 346, BStBl II 1973, 631). Die Ausgaben für die Kinderpflegerin seien auch nicht als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) anzusehen. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den normalen Unterhalt, die Erziehung und die Ausbildung der Kinder würden mit den Kinderfreibeträgen nach § 32 Abs. 2 EStG abgegolten. Die für den Unterhalt von Kindern entstandenen Kosten könnten nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden, so z. B. die Kosten einer Erkrankung. Dagegen seien Mehraufwendungen für die Erziehung von Kindern, die wegen einer - zur Bestreitung des Unterhalts notwendigen - Berufstätigkeit der Mutter entstünden, nicht abziehbar.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, daß das FG den Begriff der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG nicht zutreffend angewendet habe. Die Aufwendungen für die Betreuung ihrer beiden Kinder seien Betriebsausgaben; denn sie seien ausschließlich durch ihre berufliche Tätigkeit veranlaßt gewesen. Ohne eine angestellte Kraft zur Betreuung ihrer Kinder hätte sie ihrer Berufstätigkeit nicht nachgehen und Einkünfte erzielen können. Falls ihre Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anzusehen seien, hätte zumindest das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung bejaht werden müssen. Mit dem Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 2 EStG) würden lediglich die Aufwendungen für den normalen Unterhalt abgegolten; hierzu zählten z. B. die Kosten, die für die Unterbringung der Kinder in einem Kindergarten oder bei Verwandten entstünden. Ihre Aufwendungen gingen aber über das normale Maß hinaus. Da es in ihrem Wohnort keine Tagesstätte für Kinder gebe und ihre Kinder auch nicht bei Verwandten untergebracht werden könnten, sei sie gezwungen gewesen, die Beaufsichtigung und Versorgung der Kinder einer fremden Person gegen Entgelt zu übertragen. Die hierfür entstandenen Kosten seien notwendig gewesen und hätten einen angemessenen Betrag nicht überschritten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer auf 6 275 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage. Der von der Klägerin für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin aufgewendete Betrag ist zwar nicht als Betriebsausgabe abziehbar; er kann auch nicht als außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33 EStG berücksichtigt werden. Der Klägerin ist aber anstelle des für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe gewährten Freibetrags von 600 DM der Freibetrag für eine Hausgehilfin (§ 33 a Abs. 3 EStG) in Höhe von 1 200 DM zu gewähren.

1. Dem FG ist darin beizupflichten, daß der für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin aufgewendete Betrag von 10 169 DM nicht im Rahmen der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit als Betriebsausgaben abgezogen werden kann.

Aufwendungen sind nur dann als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehbar, wenn sie durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten des Steuerpflichtigen veranlaßt sind und es sich nicht um Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen handelt (BFH-Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Dienen die Aufwendungen dagegen sowohl der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen als auch seiner Lebensführung, dann unterliegen diese "gemischten" Aufwendungen gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einem grundsätzlichen Aufteilungs- und Abzugsverbot (BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Von diesem Aufteilungs- und Abzugsverbot wird eine Ausnahme nur in den Fällen gemacht, in denen eine Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren Merkmalen möglich ist, nicht aber dann, wenn eine Aufteilung nur im Wege einer "griffweisen" Schätzung durchgeführt werden könnte.

Entstehen einem berufstätigen Steuerpflichtigen Kosten durch die Beschäftigung einer Kinderpflegerin, so ist ein Abzug dieser Kosten als Betriebsausgaben nicht zulässig. Denn die entstandenen Kosten können nicht nach objektiven und leicht nachprüfbaren Merkmalen in einen privaten und einen betrieblich veranlaßten Teil getrennt werden (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1957 I 105/57 U, BFHE 66, 178, BStBl III 1958, 70, und vom 10. April 1959 VI 37/58 U, BFHE 68, 649, BStBl III 1959, 247).

Verfassungsrechtliche Einwendungen gegen diese Auslegung des Gesetzes greifen nicht durch (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Oktober 1977 1 BvR 343/73 u. a. , BStBl II 1978, 174). Die der Klägerin erwachsenen Kosten für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin sind deshalb weder ganz noch teilweise als Betriebsausgaben abziehbar.

2. Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß die Kosten für die Kinderpflegerin nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden können.

Eine außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (§ 33 EStG). Die Kosten für die Beaufsichtigung und Betreuung von Kindern gehören nicht hierzu. Durch die Gewährung eines Kinderfreibetrags (§ 32 EStG 1971) werden alle laufenden Aufwendungen für den Unterhalt und die Erziehung eines Kindes abgegolten (BFH-Urteile vom 14. Februar 1975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607, und vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78; vgl. ferner Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., Anm. 45 [3] zu § 33 EStG). Zu diesen laufenden Unterhalts- und Erziehungsaufwendungen gehören auch Mehrkosten, die dadurch entstehen, daß der Steuerpflichtige wegen seiner eigenen Berufstätigkeit die ihm obliegende Unterhalts- und Erziehungspflicht teilweise auf andere übertragen muß. Das gilt für die Kosten einer Kindertagesstätte ebenso wie für die Mehraufwendungen, die durch die Anstellung einer Kinderpflegerin entstehen.

Die pauschale Abgeltung der Unterhaltsaufwendungen durch Gewährung eines Kinderfreibetrages verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG). Wie das BVerfG (Beschluß vom 23. November 1976 I BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, BStBl II 1977, 135) ausgeführt hat, bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, auf welche Weise er der kinderbedingten Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen will. Die Berücksichtigung durch Gewährung eines Kinderfreibetrags, wie dies in dem vor 1975 geltenden Rechtszustand vorgesehen war, hat das BVerfG für ausreichend angesehen.

3. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß der Klägerin anstelle des ihr für eine Haushaltshilfe nach § 33 a Abs. 3 Nr. 2 EStG gewährten Freibetrags in Höhe von 600 DM ein Freibetrag in Höhe von 1 200 DM zu gewähren ist (§ 53 a EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978 - StÄndG 1979 -, BGBl I, 1849, BStBl I 1978, 479).

Die bisherige Freibetragsregelung des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 EStG, die durch BVerfG-Beschluß 1 BvR 343/73 für verfassungswidrig erklärt wurde, ist für alle vor 1980 liegenden Veranlagungszeiträume, bei denen die Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist, durch eine neue Regelung ersetzt worden (Art. 1 Nr. 22 StÄndG 1979). U. a. werden hiernach Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin erwachsen, bis zu einem Betrag von 1 200 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen, wenn zum Haushalt des Steuerpflichtigen mindestens ein Kind gehört, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Hausgehilfin ist eine Arbeitnehmerin, die typische hauswirtschaftliche Arbeit verrichtet und entweder in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen oder in seinem Haushalt voll beschäftigt wird. Nicht erforderlich ist, daß nur "einfache" Hausarbeiten verrichtet werden (BFH-Urteil vom 13. Februar 1959 VI 260/57 U, BFHE 68, 443, BStBl III 1959, 170). Die Tätigkeit einer Hausgehilfin i. S. des § 33 a EStG umfaßt vielmehr alle im Haushalt vorkommenden Arbeiten. Zu diesen Arbeiten gehört auch die Beaufsichtigung der Kinder (BFH-Urteil vom 17. November 1978 VI R 116/78, BFHE 126, 443, BStBl II 1979, 142). Demnach sind auch Kindermädchen und Kinderpflegerinnen Hausgehilfinnen i. S. des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979.

Da der Klägerin zwangsläufig durch die Beschäftigung einer Kinderpflegerin Aufwendungen erwachsen sind, ist ihr hiernach - anstelle des für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe gewährten Freibetrags von 600 DM - ein Freibetrag für eine Hausgehilfin in Höhe von 1 200 DM zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73106

BStBl II 1979, 410

BFHE 1979, 373

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