Leitsatz (amtlich)

1. Ob mit der "Verwertung" einer Erfindung begonnen wurde, ist nur an Hand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild das Suchen nach der Erfindung oder das Streben nach Erzielung von Einkünften überwiegt.

2. Für den Begriff des Begriff des Beginns der Verwertung spielt es keine Rolle, ob die erzielten Einkünfte gering sind.

2. Bei Zahlung durch Postscheck ist der Betrag spätestens mit der Gutschrift auf dem Konto der Empfängers zugeflossen.

 

Normenkette

ErfVO § 4 Nr. 3; EStG § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hatte zu der Zeit, als er noch Angestellter war, eine Vorrichtung erfunden, die von der Arbeitgeberin im Jahre 1941 beim Reichspatentamt zum Patent angemeldet wurde, das Ende 1952 vom Bundespatentamt erteilt wurde. Das Patent ist als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannt. Es lief noch im Streitjahr 1961. Die Arbeitgeberin hatte eine nach dem Patent hergestellte Vorrichtung schon während des Krieges für ihre eigenen Zwecke gebaut. Als der Steuerpflichtige 1951 aus dem Dienstverhältnis ausschied, gab sie die Erfindung frei; das Patent wurde 1955 auf den Namen des Steuerpflichtigen in der Patentrolle umgeschrieben. Nach der Freigabe seiner Erfindung bemühte sich der Steuerpflichtige, Benutzer für seine Erfindung zu interessieren. 1952 kamen Verträge mit den X-Werken und den Y-Werken zustande, die Vorrichtungen für ihre eigenen Betriebe errichten wollten. Im selben Jahr schloß der Steuerpflichtige dann mit einer GmbH einen Lizenzvertrag, wonach diese die Fertigung und den Verkauf der Vorrichtung im In- und Ausland übernahm und dem Steuerpflichtigen eine Lizenzgebühr zahlen wollte. Der Steuerpflichtige erhielt im Jahre 1952 insgesamt Zahlungen von 5 300 DM. Das FA nahm an, daß diese Zahlungen Lizenzerträge seien und damit die Verwertung der Erfindung im Sinn des § 4 Nr. 3 ErfVO vom 30. Mai 1951 (BGBl I, 387, BStBl I, 181) begonnen habe, also nur während des Jahres 1952 und der folgenden acht Jahre, mithin nicht mehr im Streitjahr, die Tarifvergünstigung nach dieser Vorschrift habe gewährt werden können. Es besteuerte demgemäß sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen nach dem allgemeinen Einkommensteuertarif.

Der Steuerpflichtige legte Sprungberufung ein und trug vor, als Beginn der Verwertung sei nicht das Jahr 1952, sondern erst das Jahr 1954 anzusehen. Die Erfindung habe in der Praxis erst erprobt werden müssen. Ihre Benutzung durch seine frühere Arbeitgeberin könne nicht als hinreichende Erprobung angesehen werden. Diese Vorrichtung sei auf die besonderen Verhältnisse seiner Arbeitgeberin zugeschnitten gewesen, und niemand habe sagen können, wie sie sich unter anderen Verhältnissen bewähren werde. Die Anlage bei den X-Werken sei Mitte 1953 das erste Mal gelaufen. Es habe sich ein starker Verschleiß gezeigt, so daß nach drei Monaten Teile hätten ausgewechselt werden müssen. Die GmbH habe 1953 eine Probeausführung der Vorrichtung auf einer Ausstellung gezeigt. An dieser hätten sich Mängel gezeigt, die nicht während der Ausstellungszeit hätten behoben werden können. Auch die Anlage bei den Y-Werken, die Ende 1953 erprobt worden sei, habe nicht befriedigt. Sie sei zu heiß gelaufen. Alle diese Mängel seien erst 1954 abgestellt worden. Diese Erfahrungen hätten zu Verbesserungen geführt, die später durch drei weitere Patente geschützt worden seien.

Das FG bestätigte den ablehnenden Bescheid des FA.

Der Steuerpflichtige erstrebt mit der gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde weiterhin die Gewährung der Vergünstigung.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die nunmehr als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Der ErfVO ist durch Art. 3 § 1 des Steueränderungsgesetzes 1968 vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) mit Rückwirkung Gesetzeskraft verliehen worden. Rechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht (vgl. die Urteile des Senats IV 304/65 vom 11. September 1969, BFH 98, 141, BStBl II 1970, 306, und IV R 196, 213-215/68 vom 29. Januar 1970, BFH 98, 410, BStBl II 1970, 419).

Die ErfVO gewährt den Erfindern verschiedene Vergünstigungen. Die Möglichkeit, die Entwicklungskosten eines Patents sofort in vollem Umfange als Betriebsausgaben abzusetzen, ohne daß das Geschaffene aktiviert zu werden braucht (§ 4 Nr. 1 ErfVO), sowie die Möglichkeit eines zeitlich ausgedehnten Verlustvortrags (§ 4 Nr. 2 ErfVO) sind, wenn sie auch nicht zeitlich auf den Abschnitt der Entwicklung eines Patents beschränkt sind (auch Kosten der Verbesserung und der rechtlichen Sicherung einer bereits entwickelten Erfindung können abgesetzt und dadurch verursachte Verluste vorgetragen werden) doch in besonderem Maße auf dieses Entwicklungsstadium abgestellt, innerhalb dessen sich die Erfindertätigkeit im engeren Sinne, nämlich die auf Erzielung einer patentfähigen Erfindung gerichteten Tätigkeit (§ 1 Abs. 2 ErfVO) abspielt, die in der Regel lediglich Verluste hervorbringt.

Demgegenüber ist die Vergünstigung des § 4 Nr. 3 ErfVO, nämlich die Ermäßigung des Steuersatzes für Einkünfte aus der Erfindertätigkeit, für ein späteres Stadium der Erfindertätigkeit im weiteren Sinne gedacht, nämlich den Zeitraum, in dem die Erfindung tatsächlich - jedenfalls in der Regel - Einkünfte abwirft. Es ist dies das Stadium der wirtschaftlichen Ausnutzung der Erfindung. Einkünfte, die in diesem Nutzungsstadium erzielt werden, sollen nur innerhalb eines beschränkten, nämlich neunjährigen Zeitraums, der mit der "Verwertung" der Erfindung beginnt, begünstigt werden.

Offensichtlich war der Verordnungsgeber der Ansicht, daß auch schon innerhalb der "Versuchszeit" Einkünfte anfallen können; denn andernfalls hätte es keinen Sinn, solche Einkünfte zu begünstigen. Diese Versuchszeit ist zeitlich nicht beschränkt (außer durch die Laufzeit des Patents). Sie stellt offenbar einen erst nach der Entwicklung der Erfindung beginnenden Zeitraum dar; denn begrifflich können Versuche nur mit etwas Vorhandenem angestellt werden.

Ist der Verordnungsgeber der Ansicht, auch während der Versuchszeit könnten Einkünfte anfallen, so kann die Erzielung von Einkünften aus einer Erfindung nicht das entscheidende Merkmal für den Beginn der Verwertung im Sinn des § 4 Nr. 3 ErfVO sein, es muß vielmehr noch etwas hinzukommen.

Andererseits kann aber, da die "Verwertung" einer Erfindung ersichtlich in Zusammenhang gebracht ist mit der Erzielung von Einkünften aus ihr, nur ein solche Einkünfte normalerweise hervorbringender Akt gemeint sein, kann also nicht etwa der Abschluß der Erfindertätigkeit im engeren Sinne oder die Erteilung des Patents genügen, sondern kann die Verwertung nur ein tatsächlicher, auf die wirtschaftliche Nutzung der Erfindung abzielender Vorgang sein (BFH-Urteil IV 30/60 vom 20. Juli 1962, HFR 1963, 108; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 94; Kröger, Forschungskosten, Erfindungen, Lizenzen und Know-how im Steuerrecht, S. 44; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 18, Tz. 82; Schmitz-Sinn, Die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder, S. 60; Tullius, DB 1960, Beilage 10 Ziff. IV 1 c). Ob ein solcher Vorgang bereits im Abschluß eines Lizenzvertrages zu erblicken ist oder ob bereits Einkünfte zugeflossen sein müssen, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da hier - wie noch auszuführen ist - Einkünfte erzielt worden waren.

Die ErfVO stellt für die Bestimmung des Begünstigungszeitraums nicht etwa auf das Ende der Versuchszeit ab, sondern auf den Beginn des Verwertungszeitraums. Beide brauchen sich nicht unmittelbar aneinander anzuschließen. Sie können eindeutig voneinander abgrenzbar sein, sei es, daß sich zwischen Erprobung und Verwertung eine Zeitspanne einschiebt, sei es, daß sie zwar unmittelbar aufeinander folgen, aber sonstwie eindeutig abgrenzbar sind. Das wird z. B. der Fall sein, wenn der Erfinder die Erfindung selbst erprobt und dann erst damit an die Öffentlichkeit tritt und den erfundenen Gegenstand nutzt.

Versuchszeit und Verwertung können indessen auch ohne eine solche feste Abgrenzung ineinander übergehen. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Erfinder nicht in der Lage ist, die Erfindung selbst zu erproben, das vielmehr erst in der Praxis geschehen kann oder auch nach der Ansicht der Parteien geschehen soll. So kann auch eine in Lizenz vergebene Erfindung, für die laufende Zahlungen geleistet werden, noch erprobt werden.

Derartige Fälle sind schwer abgrenzbar, weil sie angesichts des Vorhandenseins von Einkünften einerseits und der Fortdauer von Versuchen andererseits an sich sowohl dem Versuchsstadium als auch dem Verwertungsstadium angehören könnten. Wann in solchen Fällen die Verwertung begonnen hat, kann nur aufgrund einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, wobei entscheidend sein muß, ob nach dem Gesamtbild das Suchen nach der Erfindung (Popp, FR 1960, 180) oder das Streben nach der Erzielung von Einkünften aus der Erfindung überwiegt. Von Bedeutung sind dabei z. B. der Reifegrad der Erfindung, der Umfang der noch vorgenommenen Änderungen, die Höhe des Entgelts, die Auffassung der beim Umgang mit dem Produkt der Erfindung Beteiligten und die bis zum Fließen von kontinuierlichen Einkünften noch erforderliche Zeit.

Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, es hat alle Umstände eingehend gewürdigt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Erfindung im Jahre 1952 nicht mehr im Versuchsstadium befand, sondern mit ihrer Verwertung begonnen war. Diese dem Tatsachengericht allein obliegende Würdigung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie nicht unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften oder unter Verletzung von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen zustande gekommen ist. Solange diese Würdigung möglich ist, ist sie vom Senat zu beachten.

Im Rahmen der Sachverhaltswürdigung mag auch der Umstand, daß eine Erfindung ohne Unterstützung des Erfinders noch nicht serienmäßig hergestellt werden kann, eine Rolle spielen. Dabei ist jedoch auch die Art der Erfindung mit in den Kreis der Betrachtungen einzubeziehen. Es handelte sich hier um eine außergewöhnlich umfangreiche Anlage, die, wie das FG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, bei der Inbetriebnahme selten sofort einwandfrei laufen wird. Bei derartigen Anlagen ist der Natur der Sache nach eine Mitwirkung des Erfinders mehr vonnöten als bei einem kleinen und in Maßen ausgelieferten Gegenstand.

Nicht richtig ist die Ansicht des Steuerpflichtigen, für die Frage, ob eine Erfindung verwertungsreif sei, komme es auf die Auffassung des Erfinders an. Die Bemessung des Begünstigungszeitraums des § 4 Nr. 3 ErfVO wäre damit völlig in das Ermessen des Erfinders gestellt, während objektive Merkmale entscheidend sein müssen und allenfalls die Ansicht beider Vertragspartner, ob es sich nur um ein Probestück (bei beabsichtigter späterer Bestellung einer größeren Zahl, vgl. das BFH-Urteil IV 30/60) handeln soll, bei der Gesamtwürdigung mit zu berücksichtigen ist.

Dem Steuerpflichtigen sind auch, wie das FG mit Recht annahm, bereits 1952 Einkünfte zugeflossen.

Daß es keine Rolle spielt, ob die Zahlungen für die Gestattung des Baues der Anlagen oder für die diesen vorbereitenden Handlungen (Überlassung von Zeichnungen und Beratung) erfolgte, nahm das FG mit zutreffender Begründung an.

Auf die Höhe der Einkünfte kommt es nicht entscheidend an, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, daß mit der Verwertung begonnen wurde. Die verhältnismäßig lange Dauer des Begünstigungszeitraums trägt bereits dem Umstand Rechnung, daß die Erträge in den ersten Jahren der Verwertung geringer sein werden als später (Teske, DStZ, Ausgabe A 1955, 254).

Auch die Zahlung von 2 500 DM war dem Steuerpflichtigen bereits zugeflossen. Bei Postscheckzahlungen ist der Empfänger mit der Gutschrift auf seinem Konto in der Lage, über den Betrag zu verfügen. Das Geld ist endgültig in seinen Herrschaftsbereich eingetreten. Sollte der Empfänger bereits eine Zahlung aus seinem Konto verfügt haben, für die der alte Kontostand nicht ausgereicht hätte, so ist die Ausführung der Zahlung jetzt möglich geworden. Das zeigt, daß die Benachrichtigung von der Gutschrift lediglich formelle Bedeutung hat. Auch das BFH-Urteil IV 262/52 U vom 5. Dezember 1952 (BFH 57, 124, BStBl III 1953, 49) und das Urteil des Hessischen FG (EFG 1962.353) sehen deshalb mit Recht den Zufluß spätestens als mit der Gutschrift erfolgt an.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Ansicht des FG, in der entgeltlichen Gestattung des Baues einzelner Anlagen durch zwei Firmen und der Gestattung der Herstellung einer unbeschränkten Zahl von Anlagen durch ein Lizenzunternehmen liege, sobald aus diesen Verträgen Einnahmen zuflössen, der Beginn der Verwertung, und zwar im konkreten Falle auch dann, wenn noch eine intensive Mitarbeit des Erfinders und die Behebung erheblicher Mängel erforderlich waren, rechtlich nicht zu beanstanden und tatsächlich möglich ist.

Auch gegen seine Auffassung, daß der Begünstigungszeitraum beginne, obschon anstatt der Vergünstigung des § 4 Nr. 3 ErfVO die des § 34 Abs. 5 EStG oder gar keine - vgl. Kröger, S. 45 f.; Littmann, § 18, Tz. 82; Schmitz-Sinn, S. 61 f. - in Anspruch genommen wurde, bestehen keine Bedenken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69306

BStBl II 1971, 97

BFHE 1971, 512

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