Entscheidungsstichwort (Thema)

Anknüpfung im Hamburger Zweitwohnungsteuergesetz an melderechtliche Verhältnisse verfassungskonform: kein Verstoß gegen Gleichheitssatz oder Charakter als Aufwandsteuer, zulässige Typisierung aus Praktikabilitätsgründen

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 des Zweitwohnungsteuergesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23. Dezember 1992 (GVBl HA 1992, 330) knüpfen nicht an die melderechtlichen Voraussetzungen einer Nebenwohnung, sondern an die Meldung als solche an. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

 

Orientierungssatz

1. Durch das Abstellen auf die Meldung als solche in § 2 ZwWoStG HA wird der Gleichheitssatz des Art.3 GG selbst dann nicht verletzt, wenn dadurch im Einzelfall Wohnungsinhaber zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden, die mit einer Wohnung als Nebenwohnung gemeldet sind, die in Wirklichkeit ihre Hauptwohnung ist. Dabei handelt es sich um zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Ausnahmen, die der Gesetzgeber bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität sowie angesichts der Tatsache, daß die Betroffenen ihre Meldung jederzeit richtigstellen können, vernachlässigen durfte. Aus denselben Gründen bleibt auch der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a GG unberührt.

2. Parallelentscheidung: BFH, 5.3.1997, II R 42/95, NV.

 

Normenkette

GG Art. 105 Abs. 2a, Art. 3 Abs. 1; ZwWoStG HA § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 08.06.1995; Aktenzeichen VII 47/94)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verließ im März 1992 das Elternhaus in W und bezog mit ihrem damaligen Verlobten eine Wohnung in Hamburg. Im August desselben Jahres begann sie dort eine Banklehre. Die Wohnung in Hamburg, in der sie sich vorwiegend aufhielt, meldete sie als Nebenwohnung an. Mit Hauptwohnung blieb sie in W gemeldet. Mit Bescheid vom 21. September 1993 zog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Klägerin wegen der Wohnung in Hamburg zur Steuer nach dem Zweitwohnungsteuergesetz der Freien und Hansestadt Hamburg (HZwStG) vom 23. Dezember 1992 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl HA-- 1992, 330) heran. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Wohnung in Hamburg sei in Wahrheit ihre Hauptwohnung, führte aus anderen Gründen zu einer Herabsetzung der Steuer durch Änderungsbescheid vom 3. Januar 1994 und wurde im übrigen durch Entscheidung vom 23. Februar 1994 zurückgewiesen.

Die Klage hatte dagegen Erfolg. Zunächst erging am 23. November 1994 ein nochmaliger Änderungsbescheid, weil die Klägerin die Wohnung im Sommer 1994 aufgegeben hatte. Der Bescheid wurde Gegenstand des Verfahrens. Mit Urteil vom 8. Juni 1995 VII 47/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 993) hob das Finanzgericht (FG) sodann die verbliebene Steuerfestsetzung auf. Es war der Ansicht, die Hamburgische Zweitwohnungsteuer knüpfe nicht an die Eintragung einer Wohnung als Nebenwohnung an, sondern an die tatsächlichen Voraussetzungen einer Nebenwohnung gemäß § 15 Abs. 3 des Hamburgischen Meldegesetzes (HMG) vom 6. Mai 1986 (GVBl HA 1986, 81, 136) in der am 23. Dezember 1992 geänderten Fassung (GVBl HA 1992, 330, 332). Die Voraussetzungen seien von der Steuerbehörde selbständig zu prüfen. Soweit insbesondere § 2 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 HZwStG sowie die Begründung zu § 2 HZwStG (Drucks 14/2408 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 14. Wahlperiode, B. zu § 2 HZwStG) Wendungen enthielten, die darauf hindeuteten, bereits die Eintragung als Nebenwohnung solle die Steuer auslösen, seien diese mißverständlich und mit dem übrigen Gesetzeswortlaut nicht in Einklang zu bringen. Wie die mehrfache Beschreibung der Zweitwohnungen als Nebenwohnungen i.S. des HMG in § 2 Abs. 1 und Abs. 4 Sätze 1 und 2 HZwStG sowie in der Begründung des Gesetzes zu § 2 zeige, habe der Gesetzgeber an die melderechtlichen Voraussetzungen einer Nebenwohnung anknüpfen wollen. Entsprechend bezeichne § 3 Abs. 1 HZwStG denjenigen als Steuerpflichtigen, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirkten. Das Gesetzesverständnis des FA sei mit dem Charakter der Steuer als örtliche Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar. Dann unterlägen nämlich auch solche Wohnungen der Steuer, die in Wirklichkeit einzige Wohnung oder Hauptwohnung und daher kein Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit seien.

Mit der Revision vertritt das FA weiter die Ansicht, § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 und § 3 Abs. 1 HZwStG stellten auf die Eintragung als Nebenwohnung ab. § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG enthalte letztlich eine Legaldefinition des Begriffs der Zweitwohnung in Absatz 1 der Vorschrift. Soweit von Nebenwohnungen i.S. des HMG die Rede sei, zeige dies lediglich an, daß trotz der vereinfachenden Anknüpfung an die Eintragung im Regelfall die tatsächlich als Nebenwohnung genutzten Wohnungen erfaßt werden. Sei dies ausnahmsweise nicht der Fall, sei das sowohl im Hinblick auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG als auch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungszuständigkeit gemäß Art. 105 Abs. 2a GG unbedenklich. Dabei handle es sich dann um die Folgen einer zulässigen Typisierung. Der Gesetzgeber habe typisierend davon ausgehen dürfen, daß die Bürger ihren Meldepflichten nachkämen. Die Ermittlung der näheren Lebensumstände zur Bestimmung des tatsächlichen Lebensmittelpunktes stieße im übrigen an die verfassungsrechtlichen Grenzen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Zweitwohnungsteuerbescheid ist Rechtens.

Für den Rechtsstreit ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i.V.m. § 5 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. September 1965, GVBl HA 1965, 225).

Gemäß § 1 HZwStG ist Steuergegenstand das Innehaben einer Zweitwohnung in Hamburg. Zweitwohnung ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HZwStG jede nach Abs. 3 der Vorschrift qualifizierte Wohnung, die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung i.S. des HMG dient. Dazu wiederum bestimmt § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG, daß eine Wohnung dann als Nebenwohnung i.S. des HMG dient, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird.

Auf diese Weise enthalten § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 HZwStG eine zweistufige Legaldefinition des Begriffs der Zweitwohnung in § 1 des Gesetzes. Auf der ersten Stufe wird zunächst durch die Bezugnahme auf Abs. 3 der Vorschrift die Verbindung des Zweitwohnungsbegriffs mit § 45 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) vom 1. Juli 1986 (GVBl HA 1986, 183) in der am 15. April 1992 geänderten Fassung (GVBl HA 1992, 83) und den dort festgeschriebenen qualitativen Anforderungen an eine Wohnung hergestellt. Sodann erfolgt bereits an dieser Stelle die Verknüpfung mit dem HMG. Dabei ist dem FG einzuräumen, daß die Formulierung, Zweitwohnung sei jede Wohnung, die als Nebenwohnung i.S. des HMG diene, als materielle Verweisung auf die Nebenwohnung gemäß § 15 Abs. 3 HMG zu verstehen wäre, wenn es der Gesetzgeber bei der Legaldefinition erster Stufe belassen hätte.

Da er jedoch in § 2 Abs. 1 Satz 1 HZwStG eine weitere Stufe angefügt hat, ergibt sich eine andere Beurteilung. Entgegen der Ansicht des FG enthält § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG nicht nur eine nähere Bestimmung des Dienens i.S. des Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift, sondern eine Beschreibung dessen, was unter "dienen als Nebenwohnung i.S. des HMG" verstanden werden soll. Dazu stellt § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG wiederum zwei Voraussetzungen auf, nämlich einmal, daß die Wohnung tatsächlich bewohnt wird, und zum anderen, daß dies durch eine Person geschieht, die dort mit Nebenwohnung gemeldet ist. Letzteres enthält vom Wortlaut und der Gesetzessystematik her eindeutig eine Anknüpfung an die Meldung als solche. Durch das Einbeziehen der Nebenwohnung i.S. des HMG in den zu definierenden Begriff des Dienens entzieht § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG dem sich zunächst nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift aufdrängenden Verständnis, wonach auf Wohnungen im materiellen Sinne abzustellen sei, den Boden.

Die hier vertretene Auffassung entspricht auch dem Sinn der Vorschrift, der darin besteht, die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen weitgehend zu vereinfachen. Sie ist darüber hinaus mit den weiteren Regelungen des Gesetzes vereinbar, und zwar sowohl mit dem Auffangtatbestand des § 2 Abs. 4 Satz 2 HZwStG als auch mit der Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht in § 3 Abs. 1 HZwStG.

Durch das Anknüpfen an die Meldung als solche entstand vor dem Hintergrund der Aufgabe, möglichst sämtliche Zweitwohnungen zu erfassen, sowie aus Gründen des Gleichheitsgebots gemäß Art. 3 Abs. 1 GG das Problem, diejenigen Inhaber einer Zweitwohnung nicht besser zu stellen, die ihrer Meldepflicht gemäß § 12 HMG nicht nachgekommen sind. Diese sich sonst auftuende Lücke schließt § 2 Abs. 4 Satz 2 HZwStG, indem er vorschreibt, daß eine Wohnung auch dann als Nebenwohnung i.S. des HMG dient, wenn sie von einer Person bewohnt wird, die nicht mit dieser Wohnung gemeldet ist, aber sich dort mit Nebenwohnung hätte melden müssen.

Der umgekehrte Sachverhalt, daß jemand mit Nebenwohnung gemeldet ist, obwohl es sich bei der Wohnung um eine Hauptwohnung handelt, bedurfte keiner Regelung, und zwar auch nicht aus Gründen des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar klaffen auch in derartigen Fällen die Meldung einerseits und die Wohnumstände andererseits auseinander; aber anders als bei dem nichtgemeldeten Wohnungsinhaber führt die unzutreffende Meldung zu keiner Besserstellung gegenüber dem gesetzestreuen Bürger und kann es dem Wohnungsinhaber überlassen bleiben, im eigenen Interesse die Meldung richtigzustellen.

Der vom FG herausgestellte (fiktive) Sachverhalt, daß jemand (noch) mit Nebenwohnung gemeldet und deshalb von der Steuer betroffen ist, obwohl er die Wohnung nicht (mehr) bewohnt, kann nicht eintreten, weil es an dem zweiten Erfordernis des § 2 Abs. 4 Satz 1 HZwStG für eine Besteuerung fehlt, wonach die Wohnung von dem Steuerpflichtigen tatsächlich bewohnt werden muß.

Soweit § 3 Abs. 1 HZwStG zur Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht auf die melderechtlichen Verhältnisse Bezug nimmt, ist dies nicht als Verweisung auf den materiellen Nebenwohnungstatbestand zu verstehen, sondern vorrangig als formale Anknüpfung an das Melderegister und nur hilfsweise als materielle Anknüpfung. Beides ist unter dem Begriff der melderechtlichen Verhältnisse zusammengefaßt. Daß der Gesetzgeber diese Anknüpfung gewollt hat, ergibt sich im übrigen aus der Gesetzesbegründung (a.a.O.).

Gegen das Abstellen auf die Meldung als solche bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, selbst wenn dadurch im Einzelfall Wohnungsinhaber zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden, die mit einer Wohnung als Nebenwohnung gemeldet sind, die in Wirklichkeit ihre Hauptwohnung ist. Dabei handelt es sich um zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Ausnahmen, die der Gesetzgeber bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität sowie angesichts der Tatsache, daß die Betroffenen ihre Meldung jederzeit richtigstellen können, vernachlässigen durfte (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 u.a., BVerfGE 82, 60, 95 f., sowie vom 8. Februar 1983 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119, 128). Aus denselben Gründen bleibt auch der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a GG unberührt. Sofern unmittelbar nach Einführung der Steuer fehlerhafte Meldungen in größerer Zahl vorgelegen haben sollten, wird dies nicht andauern, weil sich die Bürger auf die neue Rechtslage einstellen. Danach wird sich die Zahl der zu Unrecht gemeldeten Nebenwohnungen auf das von Verfassungs wegen tolerierbare Maß beschränken. Es liegt im übrigen im Wesen der Typisierung, daß es im Einzelfall an dem vorausgesetzten Aufwand als Ausweis wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit fehlen kann.

Da der angefochtene Bescheid auch sonst keine Rechtsfehler aufweist, war die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66209

BFH/NV 1997, 449

BFHE 182, 249

BFHE 1997, 249

BB 1997, 1246 (Leitsatz)

DB 1997, 1264 (Leitsatz)

DStRE 1997, 611-612 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 691-692 (Leitsatz)

StE 1997, 386 (Leitsatz)

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