Leitsatz (amtlich)

1. Bei Beantwortung der Frage nach dem gewerblichen Charakter der Erstellung und Veräußerung von Eigentumswohnungen kommt es hinsichtlich des Erfordernisses der Nachhaltigkeit der Betätigung wesentlich auf den Umfang des durchgeführten Bau- und Verkaufsprogrammes an.

2. Entscheidend ist im Einzelfall, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsanschauung die Bau- und Veräußerungsmaßnahmen noch dem Normalbild einer Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten oder dem - auf dem Gebiete des gewerblichen Grundstückshandels - üblichen Bild einer Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung entsprechen.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 3 Nr. 2, §§ 15, 21; StAnpG § 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 23.10.1972; Aktenzeichen 2 BvR 261/72)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Planung, Errichtung und Veräußerung einer Wohnanlage mit 42 Eigentumswohnungen noch Vermögensverwaltung oder Gewerbebetrieb ist.

Durch notariellen Vertrag vom 14. August 1961 erhielt der 1961 geborene Steuerpflichtige (Kläger und Revisionskläger) von seinem Vater ein 2 000 qm großes Grundstück geschenkt. Auf diesem Grundstück errichtete der Vater namens des Steuerpflichtigen als dessen gesetzlicher Vertreter ein Gebäude mit 42 von Anbeginn zum Verkauf bestimmten Eigentumswohnungen, die dieser Absicht entsprechend in der Zeit von Januar 1962 (Abschluß der Vorverträge) bis Mai 1964 an 36 Erwerber einzeln veräußert wurden. Für den Steuerpflichtigen ließ der Vater durch eine Maklerfirma im Januar 1962 einen zehnseitigen Prospekt über die Wohnanlage erstellen, anhand dessen sich die Interessenten über alle Einzelheiten des Kaufobjektes und der Kaufbedingungen einschließlich Finanzierung und steuerlicher Vergünstigungen informieren konnten. Planung und Bauausführung des Gesamtprojektes sowie Verkaufswerbung und Verkauf der Eigentumswohnungen erforderten den anhaltenden, sich über Jahre hinziehenden außerordentlichen Einsatz des Vaters für den Steuerpflichtigen. Über die Geschäftsvorfälle wurden Bücher geführt, jedoch keine Abschlüsse gemacht.

Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) bejahte eine gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen. Die hieraus unstreitig erzielten Gewinne legte das FA den Einkommensteuer- und Gewerbesteuerveranlagungen 1962 bis 1964 als gewerbliche Einkünfte bzw. Gewerbeerträge zugrunde. Die hiergegen gerichteten Sprungklagen blieben erfolglos. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes aus: Ein Steuerpflichtiger, der - wie der Kläger - eine Wohnanlage mit 42 zum Verkauf bestimmten Eigentumswohnungen errichte, überschreite die Grenzen der Vermögensverwaltung und begründe einen Gewerbebetrieb. Die Planung, Errichtung und Finanzierung eines solchen Objektes und die Veräußerung einer so großen Zahl von Eigentumswohnungen erfordere zwangsläufig ein Tätigwerden in einem Umfange, wie dies bei einem gewerblichen Wohnungsbauunternehmen der Fall sei, zu denen der Bauherr eines solchen Objektes in Wettbewerb trete. Eine solche Tätigkeit sei nachhaltig und stelle sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar. Damit seien, da auch die übrigen Voraussetzungen zweifelsfrei vorlägen, die nach Steuerrecht für das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt. Das FG wies ferner zur Stützung seiner Entscheidung auf die Urteile des BFH IV 178/58 U vom 17. März 1960 (BFH 70, 561, BStBl III 1960, 209), IV 313/59 U vom 23. Februar 1961 (BFH 72, 533, BStBl III 1961, 194) und IV R 153/66 vom 16. Februar 1967 (BFH 88, 207, BStBl III 1967, 337) hin.

Mit der Revision wendet sich der Steuerpflichtige weiterhin gegen die Bejahung einer gewerblichen Betätigung u. a. mit der Begründung, das FG habe unter Verletzung von bindenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts und der Gewerbeordnung den Gewerbebegriff, der überdies den an die Bestimmtheit eines Gesetzes zu stellenden Anforderungen nicht entspreche, verkannt und durch Anwendung rechtswidriger BFH-Entscheidungen gegen das Verbot rückwirkender Belastung von Steuerbürgern verstoßen. Die Vorinstanz habe ferner nicht beachtet, daß es sich bei dem in Rede stehenden Bauvorhaben um einen einzelnen, ohne Wiederholungsabsicht und auf Grund eines einheitlichen Entschlusses geplanten und durchgeführten, also nicht nachhaltigen Vorgang gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Nach Einkommensteuer- und Gewerbesteuerrecht ist eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, es sei denn, daß sie im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit ausgeübt wird (§ 1 Abs. 1 GewStDV in Verbindung mit § 2 Abs. 1 GewStG, § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15 EStG). Dieser steuerliche Gewerbebegriff, der in erster Linie nach Wortlaut, Sinn und Zweck, seiner wirtschaftlichen Bedeutung und unter Berücksichtigung der Volksanschauung sowie der Entwicklung der Verhältnisse auszulegen ist (§ 1 StAnpG), wird durch Vorschriften oder Vorstellungen nichtsteuerlicher Gebiete, wie etwa des bürgerlichen Rechts oder der Gewerbeordnung, nicht wesentlich beeinflußt, da entsprechende steuerliche Verweisungen oder Anknüpfungen fehlen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung 1 BvR 136/62 vom 14. Januar 1969 (BVerfGE 25, 28 ff., 35, 36, BStBl II 1969, 389) ausdrücklich ausgesprochen, daß die Rechtsprechung des BFH, die in den Begriffen "Gewerbebetrieb" und "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" spezifisch steuerrechtliche Begriffe und keine Begriffe des bürgerlichen Rechts sieht und diese Begriffe anders wertet, als es im Zivilrecht geschieht, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Die Beachtung der Regelungen der Gewerbeordnung, die auf eine Definition der Begriffe "Gewerbe" und "Gewerbebetrieb" wegen der Vielgestaltigkeit der gewerblichen Entwicklung verzichtet hat (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, III. Band, Aktenstück Nr. 13, S. 94 ff., [112]; Fröhler in Landmann-Rohmer-Eyermann-Fröhler, Gewerbeordnung, Kommentar, 12. Aufl., 1969, Einleitung Rdnr. 86 ff., 88) und - wie das Zivilrecht - wesentlich andere Zwecke als das Steuerrecht verfolgt, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Abwegig ist die Auffassung, der steuergesetzliche Gewerbebegriff genüge inhaltlich nicht den an seine Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen. Es ist zwar richtig, daß der Steuergesetzgeber zur Definition des Gewerbes weitgehend nicht einfach in ihrem Inhalt und in ihrer Anwendung zu bestimmende Tatbestandsmerkmale - wie etwa: nachhaltige Betätigung, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt - verwendet hat. Der Senat hält jedoch die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in Verbindung mit den bei ihrer Auslegung anzuwendenden Vorschriften des § 1 StAnpG für hinreichend klar, eindeutig und in dieser schwer zu regelnden Materie für eine Abgrenzung zu nicht gewerblichen Tätigkeiten für geeignet und ausreichend. Entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen begegnet auch die Berücksichtigung höchstrichterlicher Entscheidungen, die von der gegebenen steuerlichen Definition gewerblicher Betätigung ausgehen, bei der Auslegung keinen Bedenken. Wenn die Vorinstanz insbesondere die Ausführungen des einschlägigen BFH-Urteils IV R 153/66 vom 16. Februar 1967 (a. a. O.) zur Frage eines steuerlichen Gewerbebetriebs bei Errichtung und Verkauf von Eigentumswohnungen herangezogen hat, so liegt darin eine nicht zu beanstandende Beachtung von Rechtserkenntnissen hinsichtlich des in den Streitjahren geltenden Gesetzesrechtes und nicht etwa - wie der Steuerpflichtige meint - eine rückwirkende belastende Anwendung nachträglicher Rechtsetzung durch den BFH. Auch der Gesichtspunkt eines Vertrauensschutzes in bezug auf den Fortbestand eines dem Steuerpflichtigen günstigen gegebenen Rechtszustandes greift nicht durch, weil die maßgebenden steuerlichen Vorschriften und ihre Auslegung durch eine ständige Rechtsprechung sich nicht geändert haben.

Die Vorentscheidung ist hiernach nicht zu beanstanden. Sie hat unter zutreffender Auslegung und Anwendung der maßgebenden steuerlichen Bestimmungen mit Recht eine gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen in der Planung, Errichtung und im Verkauf der 42 Eigentumswohnungen gesehen.

Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen ist eine Nachhaltigkeit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht schon deshalb zu verneinen, weil es sich nur um ein einzelnes Bauprojekt und seine Durchführung gehandelt hat. Denn bei Beantwortung der Nachhaltigkeitsfrage ist auch der Umfang des jeweiligen Bau- und Verkaufsprogramms und seine Abwicklung als wesentlich zu betrachten (vgl. BFH-Urteile I 417/61 vom 15. Juni 1965, HFR 1965, 510; IV R 153/66 vom 16. Februar 1967, a. a. O.; VI 199/65 vom 7. April 1967, BFH 88, 450, BStBl III 1967, 467; IV R 214/66 vom 13. Juli 1967, BFH 89, 421, BStBl III 1967, 690; zur Bedeutung des Umfanges von Wertpapiergeschäften BFH-Urteil IV 139/63 vom 11. Juli 1968, BFH 93, 281, BStBl II 1968, 775, des Umfangs einer Hausverwaltung BFH-Urteile VI 63/64 vom 13. Mai 1966, BFH 86, 305, BStBl III 1966, 489; I R 123/69 vom 25. November 1970, BFH 101, 215, BStBl II 1971, 239). Bei einem Baukomplex mit einer größeren Zahl selbständiger Veräußerungsobjekte (Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen usw.) handelt es sich nicht mehr um einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang, sondern um eine Mehrzahl selbständiger Tätigkeiten. Deren Vollzug ist auch dann eine nachhaltige Betätigung im Sinne des GewStG und EStG, wenn das ganze Bauvorhaben im Zusammenhang abgewickelt wird, selbst wenn darüber hinaus keine Wiederholungsabsicht besteht. Mag in solchem Falle dem Gesamtprojekt auch ein einheitlicher Willensentschluß zugrunde liegen, so führt ein solcher Entschluß doch zwangsläufig, planmäßig und von vornherein beabsichtigt zu einer Auffächerung der einheitlichen Entscheidung in eine Vielzahl rechtlich und wirtschaftlich eigenständiger Handlungen erheblichen Gewichtes (u. a. zu umfangreichen Werbungsmaßnahmen zwecks Gewinnung von Käufern, Verkaufsverhandlungen, Vertragsschlüssen, Prozessen usw.), in deren Wiederholung eine Nachhaltigkeit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu sehen ist. Da Bau- und Veräußerungsmaßnahmen dieses Umfanges bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsanschauung (§ 1 StAnpG) nicht mehr von Wesenszügen einer privaten Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (§ 21 EStG) geprägt werden, sondern durch die - auf dem Gebiete des gewerblichen Grundstückshandels - bestimmenden Wesensmerkmale einer Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung, sind sie nach Gewerbesteuer- und Einkommensteuerrecht als gewerbliche Betätigung aufzufassen.

Die Vorentscheidung hat hiernach rechtlich zutreffend die sich auf nahezu 2 1/2 Jahre erstreckende allmähliche Veräußerung der von vornherein auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen zwecks Verkaufs errichteten Eigentumswohnungen, deren Absatz die Herstellung ihrer selbständigen Veräußerungsfähigkeit durch Schaffung von Sonderwohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz sowie eine intensive Verkaufswerbung durch Herausgabe zehnseitiger Prospekte über eine Maklerfirma, ferner zahlreiche Verkaufsverhandlungen und -verträge erforderlich machte, als gewerbliche Betätigung aufgefaßt. Entscheidend ist, daß der Steuerpflichtige nicht nur eine oder zwei, sondern insgesamt 42 Eigentumswohnungen zum Verkauf erstellt und veräußert hat. Darin liegt ein Verhalten, das nicht mehr als im Rahmen einer Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG liegend angesehen werden kann. Da der Steuerpflichtige, wie die Vorinstanz mit Recht ausgeführt hat, ähnlich einem Wohnungsbauunternehmen tätig geworden ist, gebietet auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung seine Gleichstellung mit diesen Unternehmungen, zu denen er in Wettbewerb getreten ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425931

BStBl II 1972, 360

BFHE 1972, 321

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