Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Hochschullehrer an eine Universität berufen wird und dort eine Wohnung bezieht, gleichzeitig aber an seinem bisherigen Wirkungsort die Familienwohnung beibehält, weil er die dortige Spezialbibliothek für seine Forschungstätigkeit während der akademischen Ferien benutzt, so führt er einen doppelten Haushalt. Die dadurch entstehenden Mehrkosten sind Werbungskosten. Die Finanzverwaltungsbehörden können die steuerliche Berücksichtigung dieser Mehrkosten nicht mit der Begründung versagen, daß dem Steuerpflichtigen der Umzug zuzumuten gewesen sei und er die Wohnung am bisherigen Ort nur aus persönlichen Gründen beibehalte.

 

Normenkette

EStG § 9

 

Tatbestand

Der Bf. ist ab 1. November 1954 auf Lebenszeit als ordentlicher Professor an die Universität A. berufen worden. Er hat seinen Familienwohnsitz noch in B., wo seine Ehefrau und zwei Kinder leben. Von den vom Bf. geltend gemachten Kosten doppelter Haushaltsführung von 1.948 DM erkannte das Finanzamt im Einspruchsverfahren 640 DM an.

Das Finanzgericht hat zusätzlich zugelassen für die Zeit ab 1. Juli 1955 für:

Fahrten nach B. ------------------------- 124 DM, Aufenthalt in B. 30 Tage zu je 19 DM = -- 570 DM, zusammen -------------------------------- 694 DM.Es hat dem Finanzamt darin zugestimmt, daß dem Bf. spätestens zum 1. Juli 1955 der Umzug von B. nach A. zuzumuten gewesen sei. Werbungskosten seien nur anzuerkennen, soweit der Bf. im Interesse seiner Forschungstätigkeit zur Benutzung der Bibliotheken in B. gezwungen gewesen sei und sich auch vom 1. Juli bis 31. Dezember 1955 zu diesem Zweck in B. aufgehalten habe. Im zweiten Halbjahr 1955 sei er 87 Tage von A abwesend gewesen. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß sich der Bf. zu einem wesentlichen Teil der Familie wegen in B. aufgehalten habe. Er schätzte, daß der Bf. von den 87 Tagen sich nur 30 Tage aus beruflichen Gründen in B. aufgehalten habe; für jeden dieser Tage erkannte es einen Mehraufwand von 19 DM an. Die anderen geltend gemachten Aufwendungen von 1.585,20 DM hat es wegen fehlenden Nachweises nur in Höhe der Hochschullehrerpauschale von 1.200 DM anerkannt. Die allgemeine Werbungskostenpauschale von 312 DM ließ es daneben nicht zu.

Der Bf. behauptet, er habe den doppelten Wohnsitz im Interesse seiner wissenschaftlichen Forschung und nicht aus persönlichen Gründen gehabt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Die vom Finanzamt angezweifelte Streitwertgrenze von 200 DM ist erreicht, da der Bf. außer der Anerkennung der geltend gemachten vollen Kosten der doppelten Haushaltsführung auch die Absetzung des allgemeinen Werbungskostenpauschsatzes von 312 DM beantragt.

Die Entscheidung, ob die Kosten der doppelten Haushaltsführung auch für die Zeit nach dem 1. Juli 1955 Werbungskosten sind, hängt davon ab, ob, wie das Finanzgericht annimmt, dem Bf. spätestens zu diesem Zeitpunkt zuzumuten war, seinen Wohnsitz von B. nach A. zu verlegen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 135/56 U vom 23. August 1957, BStBl 1957 III S. 361, Slg. Bd. 65 S. 339; VI 204/56 U vom 23. August 1957, BStBl 1957 III S. 362, Slg. Bd. 65 S. 342; VI 33/58 U vom 16. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 303, Slg. Bd. 67 S. 81). Der Senat tritt in diesem Punkt der Vorentscheidung nicht bei. Der Kurator der Universität bestätigt dem Bf. die Notwendigkeit, die Spezialbibliotheken in B. für seine Forschungstätigkeit zu benutzen. Der Bf. hat von diesen Bibliotheken unstreitig Gebrauch gemacht. Das Finanzgericht hat darauf abgestellt, daß mit der Berufung nach A. dort der Hauptbeschäftigungsort des Bf. sei. Damit wird es aber den Verhältnissen eines Hochschullehrers und vor allem denen des Bf. nicht gerecht. Der Bf. übt in A. vor allem die Lehrtätigkeit und in den Spezialbibliotheken von B. vor allem seine Forschungstätigkeit aus. Diese beiden Tätigkeiten hängen nicht unmittelbar zusammen. Die Jahresarbeit des Bf. verteilt sich etwa gleichmäßig auf die beiden Berufskreise. Unter diesen Umständen war es grundsätzlich der freien Entschließung des Bf. zu überlassen, ob er B., den Ort seiner Forschungstätigkeit, oder A., den Ort seiner Lehrtätigkeit, zum Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse machen und dort den Familienwohnsitz begründen wollte. Da sachliche Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes in B. sprechen, ist das Recht des Steuerpflichtigen, seine Wohnung in B. beizubehalten, auch steuerlich anzuerkennen. Wenn der Steuerpflichtige wegen des doppelten Haushalts und Wohnsitzes höhere Kosten auf sich nimmt, so sind die Mehrkosten Werbungskosten.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht die geltend gemachten weiteren Werbungskosten von 1.585 DM wegen fehlenden Einzelnachweises nur in Höhe der Hochschullehrerpauschale von 1.200 DM anerkannt hat. Bei diesem Sachverhalt kann der Bf. im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Nachprüfung verlangen, ob die Werbungskosten tatsächlich über dem Betrage von 1.200 DM liegen.

Dagegen ist dem Bf. über die (besondere) Hochschullehrerpauschale hinaus die allgemeine Werbungskostenpauschale von 312 DM zu gewähren, die mit der Hochschullehrerpauschale nicht abgegolten ist (siehe Abschn. 24 Abs. 5 LStR).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410217

BStBl III 1961, 547

BFHE 1962, 770

BFHE 73, 770

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