Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangsnachweis einer durch Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (NV)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß Einspruchsentscheidungen durch Telefax wirksam bekanntgegeben werden können.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Nachweis des Zugangs einer durch Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden kann.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 2, §§ 366, 233a Abs. 3, 5; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tatbestand

I. Die Antragsteller führen als Kläger und Revisionskläger einen Rechtsstreit gegen den Antragsgegner (Finanzamt -- FA --) wegen Einkommensteuer 1989 bis 1991 (Streitjahre). Der Rechtsstreit ist beim beschließenden Senat anhängig. Ihm liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Die Antragsteller sind Eheleute. Sie wurden für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen die Einkommensteuerbescheide vom 27. und 30. September und 21. November 1994 legte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater B für die Antragsteller Einsprüche ein. Die Einspruchsschreiben vom 4. Oktober 1994 tragen den Briefkopf des B und enthalten die Angabe: "Telefax 0 ... ". Das FA wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 1995 als unbegründet zurück und verfügte die Bekanntgabe der Entscheidung mittels Telefax an B. Laut Sendeprotokoll des Faxgeräts des FA wurden am 10. Februar 1995 zehn Seiten an das Faxgerät mit der Nr. 0 ... mit dem Ergebnis "o.k." übermittelt. Eine Ausfertigung der Einspruchsentscheidung übersandte das FA per Briefpost direkt an die Antragsteller.

Mit Schriftsatz vom 19. März 1995, der per Telefax am 20. März 1995 beim Finanzgericht (FG) einging, erhob B für die Antragsteller Klage wegen Einkommensteuer 1989 bis 1991. Der Schriftsatz enthält die Angabe, die Einspruchsentscheidung sei den Antragstellern am 13. Februar 1995 bekanntgegeben und von ihnen am 17. März 1995 an B als ihren Empfangsbevollmächtigten vollständig weitergeleitet worden. Den Erhalt der nach Angabe des FA per Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung bestritt B.

Zur Begründung der Klage trugen die Antragsteller u.a. vor: Die vom FA für den Veranlagungszeitraum 1990 auf ... DM geschätzten Einkünfte des Antragstellers aus selbständiger Arbeit in Kenia unterlängen nicht der Besteuerung in Deutschland. Der Antragsteller habe sich 1990 mehr als 183 Tage in Kenia aufgehalten. Die Schätzung entbehre zudem jeder Grundlage.

2. Das FG wies die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 1995 ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 511 veröffentlicht. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:

Die Antragsteller hätten die Klagefrist versäumt. Die Einspruchsentscheidung sei B bereits am 10. Februar 1995 bekanntgegeben worden. Eine Bekanntgabe durch Telefax sei zulässig, da Einspruchsentscheidungen nicht förmlich zugestellt werden müßten. Die im Briefkopf der Einspruchsschreiben dem FA mitgeteilte Telefaxnummer sei zwar nicht die des B, sondern die der Postfiliale X gewesen. Dies stehe der Wirksamkeit der Bekanntgabe aber nicht entgegen. B habe die Postfiliale konkludent zu seinem Passivvertreter bestellt. Mit der Angabe der Telefaxnummer der Postfiliale in seinem Briefkopf habe B dem FA gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß Übermittlungen an diesen Telefaxanschluß in seinen Machtbereich gelangen und er den Zugang von Erklärungen unter dieser Nummer als ihm zugegangen akzeptiere. Mit Eingang des Telefaxes der Einspruchsentscheidung bei der Postfiliale sei die Rechtsbehelfsentscheidung daher B zugegangen. Aufgrund des Sendeprotokolls habe das FG keinen Zweifel, daß die Einspruchsentscheidung am 10. Februar 1995 vom Faxgerät des FA an das Faxgerät der Postfiliale übermittelt worden sei. Eine Übermittlung unbeschrifteter Seiten -- was die Antragsteller für möglich hielten -- sei auszuschließen. Die aufgezeichnete Übermittlungsdauer von sieben Minuten stehe nach den Erfahrungen des FG in Übereinstimmung mit der Übermittlung von zehn beschrifteten Seiten. Der Empfang der Sendung durch das Faxgerät der Postfiliale zu dieser Zeit und mit dem entsprechenden Umfang ergebe sich aus dem Empfangsprotokoll des Geräts. Für die Übersendung eines anderen zehnseitigen Schriftstücks vom Faxgerät des FA an das der Postfiliale bestünden keinerlei Anhaltspunkte.

Zwar hätten die Antragsteller die Übermittlung der Einspruchsentscheidung durch Telefax an B mit Nichtwissen bestritten. Dies erfordere aber keine Beweiserhebung über die ordnungsgemäße Bedienung des Faxgerätes des FA. Selbst wenn eine Vernehmung der Mitarbeiter des FA ergeben würde, daß diese sich nicht mehr an den Vorgang erinnern, ändere dies aufgrund der Eindeutigkeit der Umstände nichts an der Überzeugung des FG hinsichtlich der Absendung des Telefaxes. Das Absendeprotokoll und der in ihm enthaltene o.k.-Vermerk seien zwar kein ausreichender Nachweis des Zugangs der Sendung beim Empfänger. Durch das Empfangsprotokolll sei aber der Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung geführt worden. Die Antragsteller hätten den Anscheinsbeweis nicht durch den stichhaltigen Einwand atypischer Geschehensabläufe entkräftet. Ihr Vortrag, B habe das Telefax nicht erhalten, betreffe in erster Linie die Frage der Übermittlung der Telefaxsendung von der Postfiliale an B und nicht die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob die Telefaxsendung vollständig und leserlich bei der Postfiliale eingegangen sei. Gegen einen atypischen Geschehensablauf sprechen zudem, daß die Postbediensteten bei Empfang einer unleserlichen Faxsendung aufgrund der Angaben im Journal des Faxgeräts die Möglichkeit gehabt hätten, den Absender zu informieren. Eine weitere Aufklärung des Übermittlungsvorgangs durch Vernehmung von Postbediensteten erscheine nicht möglich. Nach Angabe der Antragsteller könne der als Zeuge benannte Postangestellte lediglich aussagen, daß die näheren Umstände der eingegangenen Sendung nicht mehr bekannt seien und auch nicht mehr ermittelt werden könnten.

Die angefochtenen Bescheide seien nicht nichtig. Sie seien inhaltlich ausreichend bestimmt. Die Schätzung der in Kenia erzielten Einkünfte sei nicht willkürlich. Die Antragsteller hätten auf die mehrfachen Aufforderungen des FA, Angaben zu diesen Einkünften zu machen, nicht reagiert. Da der Antragsteller 1990 schon durch ein einziges Vermittlungsgeschäft einen Erlös von ... DM erzielt habe, bewege sich die Schätzung nicht außerhalb des vertretbaren Rahmens. Auch die von den Antragstellern gerügten Fehler der Bescheide für 1989 und 1991 (Kürzung des Verlustabzugs wegen 1985 erzielter positiver Einkünfte und Ansatz von Einkünften aus der Verwertung des ... ) ließen kein willkürliches Handeln des FA erkennen.

3. Die Antragsteller legten form- und fristgerecht Revision ein, die sie im wesentlichen wie folgt begründeten:

Das FG-Urteil verletze §122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Entgegen der Auffassung des FG reiche der Beweis des ersten Anscheins nicht aus, um Zugang und Zugangszeitpunkt eines Verwaltungsaktes nachzuweisen. Dem o.k.-Vermerk im Sendeprotokoll lasse sich zudem nicht im Wege des Anscheinsbeweises entnehmen, daß die Datenübertragung technisch einwandfrei gewesen und das Telefax der Postfiliale zugegangen sei. Nach Angabe der Post steht lediglich fest, daß zehn Seiten -- möglicherweise auch leere oder unvollständige -- mit unbekanntem Absender und unbekanntem Empfänger eingegangen seien.

Die Schätzungen des FA seien willkürlich. Dem FA sei bereits vor Schätzung der in Kenia erzielten Einkünfte aus anderen Verfahren bekannt gewesen, daß der Antragsteller 1990 aufgrund seiner Tätigkeit in Kenia lediglich Einnahmen in Höhe von ... DM erzielt habe. Hätte das FG -- wie beantragt -- die Akten dieser anderen Verfahren beigezogen, dann wäre es nicht zu dem Ergebnis gelangt, die Schätzung sei nicht zu beanstanden. Der Verlustabzug im Veranlagungszeitraum 1989 sei zu Unrecht gemindert worden. Nicht der Antragsteller, sondern Y habe 1985 durch die Vermittlung eines Verkaufs einen Gewinn erzielt. Der Antragsteller habe beim Verkauf nur für Y gehandelt. Durch den Verkauf im Jahr 1991 habe er keinen Besteuerungstatbesteand, insbesondere nicht §23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt. Er habe daher keinen Spekulationsgewinn in Höhe von ... DM zu versteuern.

4. Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1997 haben die Antragsteller beim Bundesfinanzhof (BFH) als Gericht der Hauptsache sinngemäß beantragt, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide und der mit ihnen verbundenen Zinsbescheide zur Einkommensteuer 1989 bis 1991 bis zur Entscheidung über die Revision auszusetzen und die Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide mit der Maßgabe anzuordnen, daß die bereits angefallenen Säumniszuschläge entfallen. Zur Begründung haben sie u.a. vorgetragen: Der Antrag sei zulässig, da das FA Vollstreckungsmaßnahmen angedroht und die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide abgelehnt habe. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sei ernstlich zweifelhaft. Dies ergebe sich aus der Revisionsbegründung.

Das FA beantragt, den Antrag abzuweisen, hilfsweise die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Es hat bestätigt, daß den Antragstellern wegen der streitigen Steuerbeträge Vollstreckungsmaßnahmen drohen. Nach Auffassung des FA bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

 

Entscheidungsgründe

II. Dem Antrag der Antragsteller war zu entsprechen. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die angefochtenen Einkommensteuerbescheide rechtmäßig und wegen verspäteter Klageerhebung bestandskräftig sind.

1. Gemäß §69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen oder wenn -- was im Streitfall von den Antragstellern nicht geltend gemacht worden ist -- dessen Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Steuerbescheid im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht die völlige oder teilweise Aufhebung der Vollziehung anordnen (§69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Aussetzung und/oder Aufhebung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids sind der Höhe nach jedoch beschränkt auf die Differenz zwischen der festgesetzten Steuer und der Summe der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der festgesetzten Vorauszahlungen (§69 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 FGO). Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen (§69 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 FGO). Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung können von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (§69 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO). Der Antrag an das Gericht ist nur zulässig, wenn die zuständige Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat, sie ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes über ihn nicht in angemessener Frist sachlich entschieden hat oder eine Vollstreckung droht (§69 Abs. 4 FGO).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids bestehen, wenn bei summarischer Prüfung anhand des Akteninhalts gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken und die dazu führen können, daß sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweist (s. BFH-Entscheidungen vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, 426, BStBl II 1978, 579; vom 20. September 1995 I B 197/94, BFH/NV 1996, 366; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §69 Anm. 77f.; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §69 FGO Rz. 123f., 170f., m.w.N.). Ist streitig, ob der gegen den Steuerbescheid eingelegte Rechtsbehelf zulässig oder unzulässig ist, kommt eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung des Bescheids wegen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit nur in Betracht, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, daß außer ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auch ernstliche Zweifel an der Unzulässigkeit der Anfechtung -- z.B. wegen verspäteter Einlegung des Einspruchs oder Erhebung der Klage -- bestehen (BFH-Beschluß vom 5. Februar 1975 II B 29/74, BFHE 115, 12, BStBl II 1975, 465; Gosch, a.a.O., §69 FGO Rz. 119; Koch, a.a.O., §69 Rz. 88).

2. Der Antrag der Antragsteller ist zulässig. Das FA hat bestätigt, daß seine Vollstreckungsstelle mit den Antragstellern über einen Vollstreckungsaufschub verhandelt. Daraus ergibt sich, daß das FA zumindest versucht hat, wegen der streitigen Steuer- und Zinsbeträge zu vollstrecken.

3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die von den Antragstellern am 20. März 1995 erhobene Klage wegen Überschreitung der Klagefrist unzulässig ist und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide deshalb bereits bestandskräftig sind.

a) Der beschließende Senat hält es zwar nicht für ernstlich zweifelhaft, daß Einspruchsentscheidungen durch Telefax wirksam bekanntgegeben werden können (gl. A. unter Hinweis auf das FG-Urteil Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl. 1998, §122 Anm. 2; Güroff in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §122 AO 1997 Rz. 32). §366 AO 1977 schreibt für die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung keine förmliche Zustellung vor. Wird die Einspruchsentscheidung durch Telefax übermittelt und für den Empfänger vom Faxgerät ausgedruckt, ist auch die nach §366 AO 1977 vorgeschriebene Schriftform gewahrt.

b) Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob -- wie das FG meint -- der Nachweis des Zugangs einer durch Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung vom FA nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden kann. Für die Übermittlung eines Verwaltungsaktes durch die Briefpost hat der BFH entschieden, der gemäß §122 Abs. 2 letzter Halbsatz AO 1977 von der Finanzbehörde zu führende Nachweis des Zugangs des Verwaltungsaktes könne nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden (s. BFH-Entscheidungen vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141; vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41; vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105; gl. A. z.B. Klein/Brockmeyer, a.a.O., §122 Anm. 4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §122 AO 1977 Rz. 23d). Die AO 1977 enthält für den Nachweis des Zugangs von Verwaltungsakten, die per Telefax übermittelt werden, keine besonderen Regelungen. §122 AO 1977 gilt für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen entsprechend (§366 Satz 2 AO 1977). Daraus folgt bei summarischer Prüfung der Rechtslage, daß auch in Fällen der Übermittlung einer Einspruchsentscheidung durch Telefax der Nachweis des Zugangs nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden kann (s.a. Schmittmann, Monatsschrift für Deutsches Recht -- MDR -- 1994, 1081).

c) Auch wenn die aktenkundigen Tatsachen als Indizien gewertet werden, lassen sie bei summarischer Prüfung nicht den sicheren Schluß zu, daß die am 20. März 1995 erhobene Klage wegen Überschreitung der Klagefrist unzulässig ist. Die Absende- und Empfangsprotokolle der Faxgeräte und der Aktenvermerk des FA über ein am 15. Februar 1995 mit B geführtes Telefongespräch, in dessen Verlauf B nach dem Inhalt des Aktenvermerks mitgeteilt hat, er habe die Einspruchsentscheidung vorliegen, sind zwar sehr starke Beweisanzeichen dafür, daß die Behauptung des B, die per Telefax abgesandte Einspruchsentscheidung sei nicht ordnungsgemäß übermittelt worden, eine Schutzbehauptung ist. Es bedarf jedoch noch einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts -- z.B. durch Vernehmung des Verfassers des Aktenvermerks --, um die insoweit bestehenden Zweifel auszuschließen. Denn B hat die Richtigkeit des Aktenvermerks bestritten.

4. Es ist auch ernstlich zweifelhaft, ob die angefochtenen Einkommensteuerbescheide rechtmäßig sind.

a) Aufgrund des bisherigen Inhalts der Akten ist unklar, ob der Verlustvortrag aus 1985 in das Jahr 1989 zu Recht wegen Provisionseinnahmen des Antragstellers für die Vermittlung eines Geschäfts um ... DM auf 0 DM gemindert worden ist. Ohne diese Kürzung des Verlustvortrags würde sich für 1989 keine die Summe der Steuerabzugsbeträge und der anrechenbaren Körperschaftsteuer übersteigende Einkommensteuerschuld ergeben. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1989 ist daher -- unter Beachtung der Beschränkung gemäß §69 Abs. 2 Satz 8 FGO -- in Höhe von ... DM (= festgesetzte Einkommensteuer ... DM -- Summe der anzurechnenden Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer ... DM) auszusetzen.

b) Unklar ist nach Aktenlage auch, ob der Antragsteller 1990 Einkünfte aufgrund einer Tätigkeit in Kenia in der vom FA geschätzten Höhe von ... DM erzielte. Die Qualifizierung der Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit ist zweifelhaft, da es sich zumindest zum Teil um Einkünfte aufgrund eines Handelsvertretervertrags mit der Z-GmbH handelt. Ob und inwieweit die Einkünfte des Antragstellers aus dieser Handelsvertretertätigkeit nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kenia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Kenia) vom 17. Mai 1977 (BGBl II 1979, 607) in Deutschland der Besteuerung unterliegen, ist ebenfalls unklar. Ohne diese Einkünfte würde sich für das Jahr 1990 keine Einkommensteuerschuld ergeben. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1990 ist daher in voller Höhe auszusetzen.

c) Es ist unklar, ob und in welcher Höhe der Antragsteller 1991 durch den Kauf und Weiterverkauf von ... Einkünfte erzielte. Ohne den vom FA auf ... DM geschätzten Spekulationsgewinn würde sich für das Jahr 1991 keine Einkommensteuerschuld ergeben. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1991 ist daher in voller Höhe auszusetzen.

5. Dem Antrag der Antragsteller war auch hinsichtlich der Zinsbescheide zur Einkommensteuer 1989 bis 1991 zu entsprechen. Die Zinsbescheide sind Folgebescheide der angefochtenen Einkommensteuerbescheide (s. §233a Abs. 3 und 5 AO 1977; Tipke/Kruse, a.a.O., §233a Rz. 22). Da die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der für die festgesetzten Zinsen maßgebenden Steuerbeträge in voller Höhe ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung der Zinsbescheide in voller Höhe auszusetzen (§69 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 FGO).

6. Dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide war mit der Maßgabe zu entsprechen, daß die entstandenen Säumniszuschläge entfallen (s. Senatsbeschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389).

7. Die Aussetzung der Vollziehung wird davon abhängig gemacht, daß die Antragsteller dem FA hinsichtlich der Steuer- und Zinsbeträge, in deren Höhe die Vollziehung der Bescheide ausgesetzt wird, Sicherheiten leisten. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist geboten, da nach Angabe des FA die Durchsetzbarkeit der streitigen Steuer- und Zinsansprüche gefährdet ist und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind.

8. Hinsichtlich der Dauer der Aussetzung der Vollziehung wird auf den BFH-Beschluß vom 26. Januar 1973 III S 2/72 (BFHE 108, 152, BStBl II 1973, 456) verwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67405

BFH/NV 1998, 1318

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