Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur zulassungsfreien Revision wegen Fehlens von Entscheidungsgründen

 

Leitsatz (NV)

Die Entscheidung des FG ist nur dann im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht mit Entscheidungsgründen versehen, wenn diese völlig fehlen oder das FG ein wesentliches Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht, das der Revisionskläger vor dem FG tatsächlich geltend gemacht hat. Trifft das FG keine weiteren Feststellungen zu einem unter den Beteiligten bis dahin unstreitigen Punkt, kann allenfalls die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) vorliegen, nicht aber ein die zulassungsfreie Revision eröffnendes Fehlen von Entscheidungsgründen.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 76

 

Gründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision - abweichend von § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) - nur statt, wenn sie das Finanzgericht (FG) oder auf Beschwerde der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat. Hieran fehlt es jedoch. Das FG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage zurückgewiesen.

2. Gründe, die eine zulassungsfreie Revision wegen wesentlicher Verfahrensmängel gemäß § 116 FGO rechtfertigen könnten, hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht schlüssig dargetan. Für die Rüge des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (Fehlen von Entscheidungsgründen) hätte es unter Angabe konkreter Tatsachen geltend machen müssen, das FG habe seine Entscheidung überhaupt nicht oder hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen (BFH-Urteil vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638). Für ein Fehlen von Entscheidungsgründen reicht es nicht aus, wenn das Urteil lediglich den Sachverhalt nicht vollständig wiedergibt oder zu einem Punkt schweigt, den das FG auf Grund seiner Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) von sich aus hätte aufgreifen müssen, denn bei den in § 116 FGO genannten, die zulassungsfreie Revision eröffnenden Gründen muß es sich um grobe Verfahrensverstöße handeln (BFH-Beschluß vom 27. Juni 1990 II R 8/89, nicht veröffentlicht - NV -). Die Entscheidung ist vielmehr nur dann im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn die Gründe völlig fehlen oder das FG ein wesentliches Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht, das der Revisionskläger in dem Verfahren vor dem FG tatsächlich geltend gemacht hat (BFH-Urteil in BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638 m. w. N.). Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor.

Wesentliche Streitpunkte des finanzgerichtlichen Verfahrens waren allein die Frage, ob sich das FA ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf die Bestandskraft der Steuerbescheide 1985 und 1986 berufen konnte und ob wegen entschuldbarer Fristversäumung die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben waren. Wesentliche Streitpunkte waren dagegen nicht Grund und Höhe der für das Arbeitszimmer geltend gemachten Werbungskosten. Das FA hat nicht schlüssig vorgetragen, auf Grund welcher Umstände die tatsächlichen Voraussetzungen einer Anerkennung des Arbeitszimmers, wozu das FG bereits in dem zuvor abgeschlossenen Rechtsstreit ausführlich Stellung genommen hatte, auch für die Folgejahre umstritten war. Es hat auch nicht schlüssig vorgetragen, aufgrund welchen Vorbringens das FG die vom Kläger bezifferte Höhe der Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Zweifel gezogen hat, so daß das FG auch die Höhe der Werbungskosten als wesentlichen Streitpunkt des Verfahrens ansehen mußte. Wenn das FA rügt, das FG habe von sich aus weitere Feststellungen zu Grund und Höhe der Arbeitszimmeraufwendungen treffen müssen, so macht es in Wahrheit die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO) geltend, nicht aber das Fehlen von Gründen i. S. des § 116 Abs. 1 FGO. Im übrigen hat auch die Einspruchsentscheidung des FA sich nicht mit Grund und Höhe der Werbungskosten befaßt, sondern allein auf die streitige Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgestellt.

Die Revision war daher durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 616

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