LfSt Bayern v. 3.1.2006, S 0130 - 23 St 41 M

 

1. Aussagen von Bediensteten als Beschuldigte oder als Partei

Zur Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Bedienstete der Finanzverwaltung den Gerichten und – im Strafverfahren – den Strafverfolgungsbehörden gegenüber zur Offenbarung der dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse Dritter befugt sind, wenn sie einer Straftat im Amt oder einer anderen strafbaren Handlung bei Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit beschuldigt bzw. wenn gegen sie Haftungsansprüche aus Amtspflichtverletzung oder ähnliche Ansprüche im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit geltend gemacht werden, bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:

a) Bei einem strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verfahren gegen einen Bediensteten der Finanzverwaltung handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, das in der Regel nicht der Durchführung eines steuerlichen Verfahrens im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dient. In diesen Fällen ergibt sich die Offenbarungsbefugnis aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO (zwingendes öffentliches Interesse), weil ohne Offenbarung die Grundrechte des Bediensteten nicht gewahrt werden können. Lediglich wenn Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung oder eine andere Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Steuerpflichtigen – nicht den Bediensteten – bestehen, lässt sich die Offenbarung auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO stützen.

b) In Amtshaftungsprozessen wegen steuerlicher Falschbehandlung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Infolgedessen stimmt er konkludent einer Offenbarung seiner streitbefangenen Angelegenheit zu, soweit sie zur Aufklärung seiner vermeintlichen Ansprüche erforderlich ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).

 

2. Aussagen von Bediensteten als Zeugen

Der Beamte bedarf für Aussagen vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten als Zeuge über Angelegenheiten, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind, der Genehmigung des Dienstvorgesetzten (Art. 69 Abs. 2 BayBG). Entsprechendes gilt für die nichtbeamteten Bediensteten hinsichtlich der nach § 9 Abs. 1 BAT und § 11 MTArb der Schweigepflicht unterliegenden Angelegenheiten. Die Aussagegenehmigung ist vom Amtsleiter zu erteilen. Sie ist als Vorlage in UNIFA-Word im Ordner OFD und FA\Geschäftsstelle abgelegt. Sie befreit den Bediensteten nur von der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, entbindet ihn aber nicht von der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses. Der Bedienstete muss deshalb auch im Falle der Erteilung der Aussagegenehmigung grundsätzlich in eigener Verantwortung prüfen, ob für die Offenbarung von Kenntnissen, die unter das Steuergeheimnis fallen, einer der sich aus § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO ergebenden Rechtfertigungsgründe gegeben ist.

In einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit kann sich die Befugnis zur Offenbarung von dem Steuergeheimnis unterliegenden Kenntnissen in erster Linie aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ergeben. Danach ist die Offenbarung zulässig, wenn sie der Durchführung des Verfahrens, d.h. der Verfolgung der Steuerverfehlungen dient. Insoweit darf auch über Verhältnisse anderer Personen als des Beschuldigten ausgesagt werden, wenn diese mit der Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, zusammenhängen. Bei Fragen des Richters, des Staatsanwalts oder des Verteidigers des Beschuldigten wird der als Zeuge aussagende Bedienstete in der Regel davon ausgehen können, dass die Beantwortung der Durchführung des Verfahrens dient. Lediglich bei Fragen, die mit dem Gegenstand des Verfahrens offensichtlich nichts zu tun haben, ist dem Gericht zu erklären, dass das Steuergeheimnis die Aussage verbietet.

In einem finanzgerichtlichen Verfahren ergibt sich die Offenbarungsbefugnis für den als Zeugen aussagenden Bediensteten aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, soweit die Offenbarung der Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens dient.

Im Rahmen eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen Personen i.S. d. §§ 3 und 4 Nr. 1 und 2 StBerG ist ein Offenbaren nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 10 StBerG zulässig (s. AEAO zu § 30, Nr. 5). Die Offenbarungsbefugnis erstreckt sich lediglich auf Vorgänge, welche die Berufspflichtverletzung betreffen.

In allgemeinen Strafverfahren wegen einer nichtsteuerlichen Straftat kann sich die Befugnis zur Aussage – sofern der Steuerpflichtige der Offenbarung nicht zustimmt – vornehmlich aus § 30 Abs. 4 Nrn. 4 und 5 sowie Abs. 5 AO ergeben.

 

3. Aussagen von Bediensteten als Sachverständige oder sachverständige Zeugen

Die vorstehend unter Ziffer 2 dargelegten Grundsätze für Aussagen von Bediensteten als Zeugen gelten für Aussagen als Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge entsprechend.

 

4. Anzeige von Straftaten, die im Zusammenhang mit einem Besteuerungsverfahren begangen werden

Begeht ein Steuerpflichtiger oder ein Dritter im Zusammenhang mit einem Besteuerungsverfahren (einschließlich Vollstreckungsverfahren) eine Straftat, um damit eine steuerliche Maßnahme zu vereiteln oder zu behindern, steht das S...

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