Gleichlautende Ländererlasse vom 10.5.2022, S 4501, BStBl I 2022, 821

 

1 Allgemeines und zeitlicher Anwendungsbereich

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 2021 (BGBl 2021 I S. 986) wurde in das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ein neuer Ergänzungstatbestand (§ 1 Absatz 2b GrEStG) eingeführt, der Anteilseignerwechsel in Höhe von mindestens 90 % im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren besteuert.

Die Vorschrift fingiert die Übereignung eines zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehörenden Grundstücks auf eine fiktiv „neue” Kapitalgesellschaft. Zivilrechtlich liegt kein Rechtsträgerwechsel vor.

Die Änderungen sind nach § 23 Absatz 18 GrEStG für alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden. Die Beispiele des Erlasses beziehen sich nur auf Zeiträume nach dem 30. Juni 2021.

Ausführungen zu § 23 Absatz 18 und 23 GrEStG enthalten die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. Juni 2021 zu den Übergangsregelungen auf Grund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (BStBl 2021 I S. 1006).

 

2 Kapitalgesellschaft

Kapitalgesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG sind insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Unternehmergesellschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Europäische Gesellschaft (SE). Ausländische Kapitalgesellschaften, deren rechtliche Struktur den inländischen Kapitalgesellschaften entspricht, werden von der Vorschrift erfasst.

 

3 Vom Tatbestand erfasste Grundstücke

Die Vorschrift des § 1 Absatz 2b GrEStG ist grundstücksbezogen. Sie erfasst diejenigen Grundstücke, und zwar jedes für sich, die während des Zeitraums, in dem sich der Gesellschafterbestand ändert, durchgängig zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehören. Zum Zehnjahreszeitraum vgl. Tz. 6.

Zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören die Grundstücke, die ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Es kommt nicht auf das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung an.

Ein Grundstück gehört der Kapitalgesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Absatz 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Kapitalgesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht oder ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs im Sinne des § 1 Absatz 1, 3 oder 3a GrEStG war (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl 2015 II S. 402). Grundstücke im Eigentum der Kapitalgesellschaft, an denen sie einem anderen die Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Absatz 2 GrEStG eingeräumt hat, gehören zu ihrem Vermögen.

 

4 Anteil am Kapital der Kapitalgesellschaft

Die Vorschrift des § 1 Absatz 2b GrEStG setzt unter anderem voraus, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft übergehen. Anteile der Gesellschaft sind bei Kapitalgesellschaften die Beteiligungen am Gesellschaftskapital, zum Beispiel bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Geschäftsanteile (§ 5 und §§ 14 ff. GmbHG) und bei einer Aktiengesellschaft die Aktien (§§ 8 ff. AktG).

Der übergehende Anteil entspricht bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung dem Anteil, den die übertragenden Geschäftsanteile am Stammkapital darstellen. Bei Aktiengesellschaften entspricht er dem Anteil, den die übertragenden Aktien am Grundkapital darstellen (s. a. Tz. 5.3). Die Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sind Teil des Grundkapitals, wenn sie darauf geleistet wurden, § 281 Absatz 2 AktG.

§ 1 Absatz 2b GrEStG stellt typisierend nur auf das Quantum von 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ab. Auf die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht kommt es nicht an. Beispielsweise sind Vorzugsaktien (§ 12 AktG) nicht anders als die mit Stimmrecht ausgestatteten Aktien zu behandeln.

Die vorstehenden Grundsätze gelten für vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften entsprechend.

 

5 Für § 1 Absatz 2b GrEStG relevanter Gesellschafterwechsel

Ein relevanter Gesellschafterwechsel im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG liegt vor, wenn es sich um einen Gesellschafterwechsel handelt (Tz. 5.1), der durch einen Neugesellschafter ausgelöst wird (Tz. 5.2), und sich dadurch das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert (Tz. 5.3).

 

5.1 Gesellschafterwechsel

Es sind unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel zu berücksichtigen.

 

5.1.1 Unmittelbarer Gesellschafterwechsel

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft liegt vor, wenn ein Anteil an ihrem Kapital zivilrechtlich wirksam auf einen neuen oder anderen Anteilseigner übergeht.

 

5.1.2 Mittelbarer Gese...

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