Der Geschädigte hat bei fahrlässigem Handeln des Amtsträgers nur dann einen Amtshaftungsanspruch, wenn er nicht auf andere Weise (d. h. von einem Dritten) Ersatz verlangen kann (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB), was er – der Geschädigte – darzulegen und zu beweisen hat.[1]

Obwohl diese Subsidiaritätsklausel ursprünglich den Sinn hatte, den persönlich haftenden leistungsschwachen Beamten zu schützen und seine Entschlussfreude zu fördern[2], ist sie auch im Rahmen der Amtshaftung gem. Art. 34 GG grds. anwendbar, obwohl sie vom Gesetzeszweck her obsolet geworden ist.[3]

 
Praxis-Tipp

Realistische Ersatzmöglichkeit führt zur fehlenden Begründetheit einer Amtshaftungsklage

Solange eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, wird eine Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.[4]

Die Subsidiaritätsklausel (auch Verweisungsprivileg genannt[5]) wird in folgenden Fällen für nicht anwendbar erklärt[6]:

  • bei Gesamtschuldnern,
  • bei Ersatzansprüchen gegen einen anderen Hoheitsträger ("Einheit der öffentlichen Verwaltung", da die öffentliche Hand den Anspruch sowieso bedienen muss)[7],
  • wenn die Durchsetzung des anderweitigen Anspruchs nicht zumutbar oder (rechtlich oder wirtschaftlich) ungewiss ist oder sich nicht in angemessener Zeit realisieren lässt[8] (z. B. bei Vermögenslosigkeit des Anspruchsgegners, Vollstreckung im Ausland), d. h. bei höchst zweifelhaften Erfolgsaussichten[9],
  • wenn sich der Geschädigte andere Anspruchsmöglichkeiten durch Beitragszahlungen "erkauft" hat (z. B. Lohnfortzahlung[10], Versicherungsleistung[11]), denn die Versicherungsleistung hat nicht das Ziel, staatliches Unrecht auszugleichen.[12]

Zu berücksichtigen ist, dass die Gerichte zunehmend auch die Haftung des eingeschalteten Rechtsanwalts oder Steuerberaters prüfen.[13]

[1] Itzel/Schwall, Verfahrens- und Prozessrecht in Amts-, Staatshaftungs- und Entschädigungsverfahren, 2014, Rz. 45.
[2] Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015 Rz. 1132.
[3] Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 2018 Rz. 182; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl. 2012 Rz. 176 ff.; Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 10 Rz. 6 ff.
[4] Kramarz, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 14. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 44.
[5] Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015 Rz. 1132.
[6]  Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 56 ff.; Tremml/Karger/Luber, Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl. 2013 Rz. 191 ff.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 2018 Rz. 189 ff.; Jeromin/Kirchberg, in Münchener Anwaltshandbuch Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 18 Rz. 84.
[7] Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 56; Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015 Rz. 1133; Staudinger, in Hk-BGB, 10. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 31; Ahrens, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2018 Rz. 85.
[8] Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 58.
[9] Itzel/Schwall, Verfahrens- und Prozessrecht in Amts-, Staatshaftungs- und Entschädigungsverfahren, 2014 Rz. 45; Jebens, BB 2010 S. 548 m. w. N.
[10] Sprau, in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 61; Staudinger, in Hk-BGB, 10. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 34; Ahrens, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2018 Rz. 85; Tremml/Karger/Luber, Der Amtshaftungsprozess, 4. Aufl. 2013 Rz. 199.
[11] Staudinger, in Hk-BGB, 10. Aufl. 2019, § 839 BGB Rz. 33.
[12] Ahrens, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2018 Rz. 85.
[13] Herrmann, Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen, 2. Aufl. 2011, S. 75 m. w. N.; Henneberg, Der Amtshaftungsprozess im Steuerrecht, 2008, S. 144.

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