MU ist Alleingesellschafter der TU-GmbH. Zwischen MU und TU-GmbH bestehe seit dem 1.1.2016 ein Gewinnabführungsvertrag (EAV), um eine ertragsteuerliche Organschaft zu begründen. Die TU-GmbH hat vororganschaftliche, frei verfügbare Rücklagen i. H. v. 500 TEUR. In den Jahren 2016 – 2020 hat die TU-GmbH insgesamt Bewertungsgewinne (= "Unterschiedsbetrag" i. S. d. § 253 Abs. 6 Satz 1 HGB) i. H. v. 300 TEUR über den EAV an MU abgeführt. In 2021 sollen die gesamten Rücklagen der TU-GmbH aufgelöst und an den Alleingesellschafter ausgeschüttet werden.

Fraglich ist, ob die Auflösung der gesamten Rücklagen der TU-GmbH und deren Ausschüttung an den Alleingesellschafter zulässig sind.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 (BGBl 2016 I S. 396) hat der Gesetzgeber für Altersversorgungsverpflichtungen die Abzinsung mit einem 10-jährigen Durchschnittszinssatz angeordnet (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB).

Aus der Abzinsung mit einem 10-jährigen Durchschnittszinssatz resultierende Bewertungsgewinne sind ausschüttungsgesperrt (§ 253 Abs. 6 Satz 2 HGB), nach Maßgabe des BMF (BMF, Schreiben v. 23.12.2016, IV C 2 – S 2770/16/10002, BStBl 2017 I S. 41) indes – bei Existenz eines EAV – nicht abführungsgesperrt, da § 301 AktG nur § 268 Abs. 8 HGB, nicht aber § 253 Abs. 6 HGB in Bezug nehme. Auch scheide eine analoge Anwendung des § 301 AktG mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 301 AktG aus. Mithin sind auch Bewertungsgewinne an den Organträger abzuführen.

Bei einer GmbH können frei verfügbare Rücklagen – auch unterjährig – aufgelöst und an die Gesellschafter ausgekehrt werden. Vororganschaftliche Rücklagen können indes nur an alle Gesellschafter ausgeschüttet, nicht aber über den EAV abgeführt werden.

Der Auflösung und Ausschüttung der gesamten Rücklagen der TU-GmbH steht im Sachverhalt indes die Ausschüttungssperre des § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB entgegen. So sind die zum Zeitpunkt der Begründung des EAV frei verfügbaren Rücklagen durch die innerorganschaftlich entstandenen und an MU abgeführten Bewertungsgewinne nunmehr i. H. v. 300 TEUR ausschüttungsgesperrt.

Dafür streiten sowohl Wortlaut als auch Normzweck des § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB. Danach dürfen "Gewinne […] nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen … mindestens dem Unterschiedsbetrag nach Satz 1 entsprechen." Zum Zeitpunkt der Auflösung der Rücklagen besteht bei der TU-GmbH ein Unterschiedsbetrag nach § 253 Abs. 6 Satz 1 HGB i. H. v. 300 TEUR.

Nach Maßgabe des BMF-Schreibens v. 23.12.2016 mussten (Buch-)Gewinne, die lediglich aus einem Federstrich des Gesetzgebers resultieren, das Vermögen der TU-GmbH verlassen, um die ordnungsgemäße Durchführung des EAV nicht zu gefährden. Spätestens im Zeitpunkt der Ausschüttung von Vermögen (hier: der Rücklagen) an die Gesellschafter wirkt der Vermögensschutz, den § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB intendiert.

Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass es insoweit zu einer "Ausschüttungssperre durch die Hintertür" komme. So ist zum einen zweifelhaft, ob die Pflicht zur Abführung der Bewertungsgewinne über den EAV tatsächlich dem Normzweck des § 301 AktG entspricht; Zweifel gründen sich u. a. aus der Änderung des § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB im Zuge des MoPeG (siehe Abschn. 4.7). Zum anderen kann – falls § 301 AktG nicht planwidrig unvollständig ist – nicht auch noch § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB teleologisch reduziert werden.

Zwar ist zu konzedieren, dass die Gläubiger der TU-GmbH bei Beendigung des EAV einen Schutz durch Sicherheitsleistung (§ 303 AktG) begehren können. Das vermag u. E. aber eine teleologische Reduktion von § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB nicht zu rechtfertigen.

Angesichts dieses Zusammenspiels von Ausschüttungs- und Abführungssperre ist die Pflicht zur Angabe des Unterschiedsbetrags nach § 253 Abs. 6 Satz 3 HGB auch bei Organgesellschaften sachgerecht. Sie informiert den Bilanzadressaten über die Teile des Eigenkapitals der Organgesellschaft, die durch abgeführte Bewertungsgewinne ausschüttungsgesperrt sind.

 
Hinweis

Ergebnis

Die Rücklagen der TU-GmbH dürfen nur i. H. v. 200 TEUR aufgelöst und an den Alleingesellschafter ausgeschüttet werden. Der Auflösung und Ausschüttung der restlichen Rücklagen der TU-GmbH i. H. v. 300 TEUR steht die Ausschüttungssperre des § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB entgegen, die nicht teleologisch reduziert werden kann.

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