Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes vom 5. August 1971 (BGBl I 1971, 1237) enthält einen Ermessensrahmen, innerhalb dessen die Verwaltung die Gewährung von Sonderabschreibungen (Abs. 2) auch von im Gesetz selbst nicht genannten Voraussetzungen abhängig machen kann, sofern sich dies als sachgerechte Ermessensausübung darstellt.
2. Der aus dem Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 - F/IV B 2 - S 1915 - 73/71 (BStBl I 1971, 386) zu entnehmende grundsätzliche Ausschluß der Sonderabschreibung für Fälle, in denen Eigentumswohnungen im Wege des Ersterwerbs von einem Bauträger "angeschafft" worden sind, entspricht keiner sachgerechten Ermessensausübung.
Normenkette
ZRFG § 3 Abs. 1, 5; StAnpG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Sonderabschreibungen nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) vom 5. August 1971 (BGBl I 1971, 1237, BStBl I 1971, 370) auf Eigentumswohnungen zu gewähren sind, sofern sie zu beruflichen Zwecken erworben wurden.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist im Zonenrandgebiet als selbständiger Steuerberater tätig. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). Mit notariellen Verträgen vom 5. Oktober 1970 kauften der Kläger und seine Ehefrau von einem Wohnungsbauunternehmen je eine - damals noch im Zustand der Bebauung befindliche - Eigentumswohnung. Die vom Kläger gekaufte Vierzimmerwohnung wurde schon während des Baues für betriebliche Zwecke des Klägers ausgestaltet. Es wurde ein einziger sehr großer Büroraum geschaffen; anstelle eines Badezimmers wurde ein Registraturraum eingerichtet. Die vom Kläger gekaufte Wohnung wurde durch einen Mauerdurchbruch mit der von der Ehefrau des Klägers gekauften (Zweizimmer-)Wohnung verbunden. Über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Wohnungen und ihrer Übernahme durch den Kläger (und seine Ehefrau) sowie des Eigentumsübergangs enthält das Urteil des FG keine Feststellungen.
Der Kläger aktivierte den Kaufpreis für die Wohnung (zuzüglich der Grundstückskosten) in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1971. Mit Schreiben vom 18. April 1973 beantragte er, ihm für die Wohnung die Sonderabschreibung nach § 3 ZRFG in Höhe von insgesamt 30 v. H. des Kaufpreises (ohne Grundstückskosten) zu gewähren.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Januar 1974 ab. Zur Begründung berief er sich auf das Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vom 18. August 1971 - F/IV B 2 - S 1915 - 73/71 (BStBl I 1971, 386). Die Sonderabschreibung dürfe im Falle des Erwerbs eines Gebäudes nur dann gewährt werden, wenn dieses Gebäude vor dem Erwerb zum Betriebsvermögen eines Betriebes gehörte, dessen Stillegung drohte oder der stillgelegt worden sei (Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 Nr. 2 des Schreibens des BMWF vom 18. August 1971).
Entsprechend der im Ablehnungsbescheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung erhob der Kläger Beschwerde bei der OFD. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Dagegen wurde der Klage stattgegeben. Zur Begründung führte das FG aus, nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG könnten Sonderabschreibungen gewährt werden, soweit sie "bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens insgesamt 30 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten" nicht überstiegen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift seien bei Investitionen im Zonenrandgebiet die Herstellungs- und Anschaffungskosten unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ohne erkennbare Einschränkung begünstigt. Diese unterschiedslose Begünstigung sei vom Gesetzgeber auch beabsichtigt. Die gesetzgeberischen Absichten ergäben sich - wie im einzelnen ausgeführt wird - aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Auch ein Vergleich zwischen der Vorschrift des § 3 ZRFG mit den Regelungen des § 19 Abs. 2 BerlinFG und des § 1 Abs. 5 Nr. 2 Inv-ZulG könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Im Gegensatz zu § 3 ZRFG habe der Gesetzgeber sowohl in § 19 Abs. 2 Satz 4 BerlinFG als auch in § 1 Abs. 5 Nr. 2 InvZulG eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die dort vorgesehenen Vergünstigungen nur auf die Herstellungs kosten neu errichteter Gebäude zu gewähren seien. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG seien dagegen Abschreibungen auf "Anschaffungs- oder Herstellungskosten" zu gewähren. Wenn der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG so eindeutig von den Formulierungen abweiche, die er in früher erlassenen Vorschriften vergleichbarer Gesetze gewählt habe, könne ihm nicht unterstellt werden, er habe dennoch keine abweichende Regelung gewollt. Gehe man hiervon aus, dann widerspreche die im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 enthaltene einschränkende Auslegung dem Gesetz und halte sich damit nicht mehr im Rahmen des der Verwaltung eingeräumten Ermessens.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 3 ZRFG. Zur Begründung führt es aus, die Gewährung von Steuervergünstigungen nach § 3 ZRFG stehe im Ermessen der Finanzverwaltung; ein Rechtsanspruch hierauf bestehe nicht. Zur Ausübung des Ermessens seien die obersten Finanzbehörden der Länder durch § 3 ZRFG i. V. m. § 131 Abs. 2 und 3 Satz 1 der AO ermächtigt worden, Richtlinien für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen aufzustellen. Von dieser Ermächtigung sei von den obersten Finanzbehörden Gebrauch gemacht worden. Nach dem Erlaß des BMWF vom 1. September 1971 - S 1915 - 3 - 33 1, der mit dem Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 wörtlich übereinstimme, könnten Sonderabschreibungen zwar für im Zonenrandgebiet belegene abnutabare unbewegliche Wirtschaftsgüter gewährt werden, die vom Steuerpflichtigen errichtet worden seien. Der Erwerb von Gebäuden sei dagegen nur in bestimmten - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefällen begünstigt. Da die richtlinienmäßig bestimmte Einschränkung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des ZRFG liege, könne sie nicht mit dem ZRFG in Widerspruch stehen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der BdF ist dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, da nicht abschließend entschieden werden kann, ob auf die vom Kläger angeschaffte Eigentumswohnung die Sonderabschreibung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG zu gewähren ist.
1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist nicht erkennbar, ob der Erwerbsvorgang überhaupt in den zeitlichen Anwendungsbereich des ZRFG fällt.
a) Nach § 3 Abs. 7 ZRFG sind die steuerrechtlichen Vergünstigungsvorschriften des § 3 Abs. 1 bis 6 ZRFG erstmals auf die "nach dem 31. Dezember 1970 gestellten Anträge anzuwenden, es sei denn, daß die Anträge Wirtschaftsgüter betreffen, die vor dem 1. Januar 1971 angeschafft oder hergestellt worden sind". Diese Vorschrift besagt u. a. , daß sich das ZRFG keine Rückwirkung beimißt. Die im Nebensatz des § 3 Abs. 7 ZRFG enthaltene Einschränkung ("... es sei denn, daß ...") bedeutet, daß grundsätzlich alle Anträge, die nach dem 31. Dezember 1970 eingereicht werden, auf der Grundlage der im ZRFG enthaltenen Regelung zu entscheiden sind, es sei denn, daß es sich um früher gemachte und daher noch nach den bisherigen Verwaltungsrichtlnien zu behandelnde Investitionen handelt (Urteil des BFH vom 8. Februar 1973 IV R 157/72, BFHE 108, 521 [526], BStBl II 1973, 516).
b) Entscheidend für den zeitlichen Anwendungsbereich der in § 3 Abs. 2 ZRFG vorgesehenen Steuervergünstigung ist sonach der Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter, für die die Sonderabschreibung begehrt wird.
Wann Wirtschaftsgüter als "angeschafft" oder "hergestellt" gelten, ist zwar im Gesetz nicht näher bestimmt. Da sich die Regelung des § 3 ZRFG jedoch auf "die Steuern vom Einkommen" auswirken soll, muß davon ausgegangen werden, daß die Begriffe "Anschaffung" und "Herstellung" im § 3 Abs. 7 ZRFG nicht anders aufzufassen sind als im übrigen Einkommensteuerrecht.
Der Begriff "Anschaffung" ist aus dem Handelsrecht (vgl. dort §§ 153 bis 155 AktG, § 42 Nr. 1 GmbHG, § 33 c des Genossenschaftsgesetzes) in das Einkommensteuergesetz übernommen worden; er ist nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszulegen (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl. Anm. 38 [1] zu § 6 EStG). Danach ist ein Wirtschaftsgut in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem der Erwerber nach dem Willen der Vertragsparteien darüber wirtschaftlich verfügen kann; das ist in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergehen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1972 I R 213/69, BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209; vom 29. November 1973 IV R 181/71, BFHE 111, 89, BStBl II 1974, 202).
Geht man hiervon aus, so ist eine Eigentumswohnung im allgemeinen dann "angeschafft", wenn das wirtschaftliche Eigentum an ihr auf den Erwerber übergegangen ist. Im Streitfall steht lediglich fest, daß der notarielle Kaufvertrag über die Eigentumswohnung im Jahre 1970 - und damit vor Inkrafttreten des Gesetzes - abgeschlossen wurde; damals befand sich das Gebäude, in dem der Kläger die Wohnung erwerben sollte, noch im Zustand der Bebauung. Über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Wohnung, ihrer Übernahme durch den Kläger sowie sonstige für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bedeutsame Vorgänge läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des FG nichts entnehmen. Diese Feststellungen wird das FG nunmehr nachzuholen haben.
2. Sollte sich nach entsprechender Sachaufklärung ergeben, daß die Wohnung bereits vor Inkrafttreten des Zonenrandförderungsgesetzes - also vor dem 1. Januar 1971 -"angeschafft" wurde, so ist eine weitere Prüfung darüber veranlaßt, ob die Versagung der Sonderabschreibung als Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 131 Abs. 1 Satz 3 AO anzusehen ist (BFH-Urteil IV R 157/72). Auch wenn die früheren Richtlinien, die die Verwaltung im Interesse der Zonenrandgebietsförderung erlassen hatte, nicht wirksam sind (BFH-Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 34/69, BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696), bliebe dem Kläger doch das Recht, eine Entscheidung darüber zu verlangen, ob die von ihm begehrte Sonderabschreibung unmittelbar nach § 131 Abs. 1 Satz 3 AO zu gewähren ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1975 II R 32/69, BFHE 116, 58, BStBl II 1975, 720).
3. Sollte sich dagegen ergeben, daß der Kläger die Wohnung erst nach dem 31. Dezember 1970 "angeschafft" hat und der Anschaffungsvorgang somit in den zeitlichen Anwendungsbereich des Zonenrandförderungsgesetzes fällt, so ist für die weitere Behandlung der Sache folgendes zu beachten:
a) Nach § 3 Abs. 1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebstätte im Zonenrandgebiet, Investitionen vornehmen, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebietes ergeben, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden; insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG). Entsprechendes gilt auch für Investitionen, die im Zonenrandgebiet im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder einer selbständigen Arbeit vorgenommen werden (§ 3 Abs. 6 ZRFG).
Wie der Wortlaut des § 3 Abs. 1 ZRFG ("... kann ... auf Antrag zugelassen werden ...") ergibt, enthält die Vorschrift die rechtliche Grundlage für Ermessensentscheidungen der Verwaltung (BFH-Beschluß vom 11. September 1975 IV B 11/75, BFHE 116, 556, BStBl II 1976, 11; Herrmann/Heuer, a. a. O., 16. Aufl., Anm. 14 zu § 3 ZRFG; Söffing in Eberstein, Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, 1971, 2 IV B 3.61). Die Finanzbehörden werden hierdurch ermächtigt, von der Erhebung von Steuern abzusehen, die an sich nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) hätten erhoben werden müssen.
b) Ermessensentscheidungen müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht (§ 2 Abs. 1 des StAnpG). Einige solcher Ermessensbegrenzungen sind im ZRFG ausdrücklich genannt. So sollen nach § 3 Abs. 1 ZRFG Steuervergünstigungen nur im Hinblick auf die Nachteile gewährt werden, die sich aus den besonderen Verhältnissen des Zonenrandgebiets ergeben; als Beispiele für diese Verhältnisse nennt das Gesetz in diesem Zusammenhang die erschwerte Absatzlage, die weite Entfernung von der Rohstoffbasis oder die ungünstige örtliche Lage. Einschränkungen ergeben sich ferner aus § 3 Abs. 2 ZRFG, in dem die Höchstsätze der zu gewährenden Sonderabschreibungen festgelegt werden, sowie aus § 3 Abs. 3 ZRFG, aufgrund dessen Förderungsmaßnahmen dann untersagt werden, wenn sie zur Entstehung oder Erhöhung eines Verlustes führen; schließlich dürfen nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 4 ZRFG nicht begünstigt werden Unternehmen mit einer nachhaltig günstigen Vermögens- und Ertragslage.
Innerhalb dieses vom Gesetz abgesteckten Rahmens hat die Verwaltung ihrer Entscheidung nach den allgemeinen für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen zu treffen. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 3 ZRFG zwingt noch nicht zur Ermessensausübung in einem bestimmten Sinn; sie macht lediglich den Weg frei für die Ausübung des Ermessens. Umgekehrt hat das Fehlen einzelner Tatbestandsmerkmale des § 3 ZRFG lediglich die Bedeutung einer Ermessenssperre, die eine Ermessensentscheidung überhaupt unmöglich macht (vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968 S. 318; ferner zu dem gesamten Fragenbereich Ossenbühl a. a. O., S. 319 f., insbesondere Fußnote 167; Riewald in Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., Bd. I, Anm. 3 zu § 2 StAnpG; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. - 6. Aufl., Anm. 9 ff., 17 und 33 zu § 2 StAnpG; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar 7. Aufl., Anm. 2 ff. zu § 2 StAnpG).
Bei einer vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung zur Gewährung einer Steuervergünstigung steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung, die Vergünstigung innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Das gilt insbesondere für gesetzliche Vorschriften, nach denen die Finanzbehörden zum Zwecke der Wirtschaftsförderung bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach ihrem Ermessen begünstigen können. Der Kreis der Merkmale, von deren Vorliegen die Verwaltung im Einzelfall ihre Entscheidung abhängig machen kann, ist hier weiter gezogen als bei der Anwendung einer ausschließlich auf benachteiligende Eingriffe gerichteten Ermessensnorm (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GemS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 [607]). - Grenzen für die Ausübung des Ermessens bei der Anwendung von Vergünstigungsnormen bestehen allerdings insofern, als das Ermessen frei von sachfremden Erwägungen ausgeübt werden muß.
Entsprechendes gilt auch für den Inhalt von Verwaltungsvorschriften, mit denen eine einheitliche Handhabung des Ermessens durch die Verwaltung sichergestellt werden soll.
c) Geht man hiervon im Streitfall aus, so stehen die nach § 3 Abs. 5 ZRFG i. V. m. § 131 Abs. 2 und 3 Satz 1 AO für bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle durch den BMWF aufgestellten Richtlinien zum Zonenrandförderungsgesetz (Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 - F/IV B 2 - S 1915 - 73/71) in dem hier strittigen Punkt mit den Grundsätzen einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens zwar nicht aus den von der Vorentscheidung angegebenen Gründen in Widerspruch; gleichwohl stimmt der Senat im Ergebnis der Vorentscheidung zu, daß der Ausschluß der Steuervergünstigung für den Ersterwerb neu errichteter Eigentumswohnungen eine fehlerhafte Ermessensausübung darstellt. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Wenn § 3 Abs. 2 ZRFG vorsieht, daß die Anschaffung von "unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens" durch Sonderabschreibungen begünstigt werden kann, so kann dies nach den obigen Ausführungen zwar nicht bedeuten, daß jede Anschaffung derartiger Wirtschaftsgüter als begünstigungsfähig angesehen werden muß. Die Gewährung der Vergünstigung kann vielmehr von der Erfüllung zusätzlicher Tatbestandsmerkmale abhängig gemacht werden. Diese zusätzlichen Tatbestandsmerkmale müssen sich aber sachlich - etwa im Hinblick auf die gesetzlichen Förderungsziele oder aus dem Gesichtspunkt der Mißbrauchsabwehr - begründen lassen. Darüber hinaus dürfen wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte nicht ohne einleuchtenden Grund verschieden behandelt werden; dies folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), der auch bei der Ausübung des Ermessens beachtet werden muß.
Die in den Richtlinien enthaltene Regelung, nach der bei "abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens" die Gewährung von Sonderabschreibungen grundsätzlich auf solche Fälle zu beschränken ist, in denen Gebäude(-teile) "errichtet" werden (vgl. Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 Nr. 2 des Schreibens des BMWF vom 18. August 1971), läßt sich mit den Förderungszielen des Zonenrandförderungsgesetzes vereinbaren; denn die "Errichtung" von (neuen) Gebäuden oder Gebäudeteilen ist, in aller Regel besser geeignet, die vom Gesetzgeber erwünschte Investitionstätigkeit im Zonenrandgebiet zu fördern, als der "Erwerb" bereits vorhandener Gebäude. Wenn mit dieser Regelung allerdings auch der Erwerb neu errichteter Gebäude(-teile) von der Vergünstigung so gut wie ausgeschlossen wird, so liegt hierin eine mit dem Gleichheitssatz nicht in Einklang stehende Einengung der förderungswürdigen Investitionen. Denn bei folgerichtiger Anwendung dieser Ermessensrichtlinie käme die Vergünstigung zwar solchen Steuerpflichtigen zugute, die selbst - ohne Zwischenschaltung eines Bauträgers - Gebäude oder Gebäudeteile erstellen; Steuerpflichtige dagegen, die sich eines Bauträgers bedienen und das Gebäude deshalb nicht selbst "errichten" (sondern lediglich "anschaffen"), könnten nicht in den Genuß der Vergünstigung kommen. Die hier getroffene Unterscheidung ist sachlich nicht gerechtfertigt, da sie zur Folge hat, daß wirtschaftlich gleichwertige Investitionstätigkeiten in nicht vertretbarer Weise ungleich behandelt werden.
Der in den Richtlinien vorgesehene grundsätzliche Ausschluß von Sonderabschreibungen für "angeschaffte" Eigentumswohnungen läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes rechtfertigen. Zwar soll sich eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten (nämlich eine vom Bundestagsausschuß für innerdeutsche Beziehungen eingesetzte interfraktionelle Arbeitsgruppe) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Inhalt der später im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 niedergelegten, die Vergünstigungen für "angeschaffte" Wirtschaftsgüter des unbeweglichen Anlagevermögens grundsätzlich ausschließenden Richtlinien zustimmend geäußert haben (vgl. Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1971 S. 241 [243]- DStZ A 1971, 241 [243]-). Diesem Vorgang kann indessen für die Handhabung des im Gesetz vorgesehenen Ermessens kein Gewicht beigemessen werden. Denn die Normvorstellungen, die die einzelnen an der Schaffung des Gesetzes beteiligten Personen (wie etwa die an der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs mitwirkenden Ministerialreferenten oder die Mitglieder des zuständigen Parlamentsausschusses) gehabt haben, sind für die Auslegung und Anwendung einer Norm im allgemeinen ohne Bedeutung (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126 [131], und vom 11. Oktober 1966 2 BvL 15/64, BVerfGE 20, 238 [253]; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975 S. 315 ff.).
Fundstellen
Haufe-Index 72339 |
BStBl II 1977, 553 |
BFHE 1978, 121 |