Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Eigenhandel und Vermittlung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Handeln im Namen des Vertretenen ist umsatzsteuerrechtlich die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung grundsätzlich dem Vertretenen zuzurechnen. Ein Handeln in fremdem Namen kann sich auch aus den Umständen ergeben; es setzt nicht voraus, dass der Name des Vertretenen bei Vertragsabschluss genannt wird.
3. Ein Vertreter liefert dagegen selbst, wenn durch sein Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt wird, dass er und nicht der Vertretene die Lieferung erbringt. Das kann der Fall sein, wenn ihm von dem Vertretenen Substanz, Wert und Ertrag des Liefergegenstandes vor der Weiterlieferung an den Leistungsempfänger übertragen worden ist.
Normenkette
UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, 9, § 13 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 164 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Hamburg (EFG 1999, 1157; Lexinform-Nr. 0552236) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (1991 bis 1994) einen sog. Secondhandladen für gebrauchte Damen- und Herrenbekleidung. Sie nahm gebrauchte Textilien von Privatpersonen (im Folgenden: "Einlieferer") entgegen und vereinbarte mit diesen, zu welchem Preis die Ware in ihrem Laden ihren Kunden (im Folgenden "Käufer") angeboten werden und in welcher Höhe ihr ein Anteil des Verkaufspreises als sog. Provision zustehen sollte. Durchschnittlich betrug die Provision 50 % des Verkaufspreises.
Die Klägerin rechnete mit den Einlieferern erst nach Verkauf der Ware ab; diese erhielten ihren Anteil am Verkaufserlös nicht schon bei Entgegennahme der Garderobe durch die Klägerin. Soweit die Bekleidung noch gereinigt werden musste, gingen die insoweit anfallenden Kosten zu Lasten der Einlieferer. Die Ware blieb Eigentum der Einlieferer; unverkäufliche Ware wurde an diese nach einiger Zeit (etwa nach einem Jahr) zurückgegeben. Soweit Waren, z.B. durch Diebstahl, abhanden kamen, leistete die Klägerin den Einlieferern Schadensersatz.
In den Verkaufsräumen und im Schaufenster wurde durch Aushängeschilder darauf hingewiesen, dass es sich um Secondhandware handelt, deren Verkauf im Namen und für Rechnung der Einlieferer erfolge. Auf den Preisschildern der Secondhandartikel befand sich eine Codenummer, mit der sich u.a. die Herkunft der Ware ermitteln ließ.
In ihren Umsatzsteuererklärungen unterwarf die Klägerin lediglich die Differenz zwischen Erlös und Einkaufspreis der verkauften Waren (Provision) der Umsatzsteuer. Dagegen rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Betriebsprüfung der Klägerin die Verkäufe der gebrauchten Bekleidungsstücke als Eigengeschäfte zu und unterwarf in geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre die gesamten Verkaufserlöse mit dem Nettobetrag der Umsatzsteuer.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe im Außenverhältnis hinreichend deutlich gemacht, dass durch den Verkauf nicht sie selbst, sondern der jeweilige Einlieferer des gebrauchten Kleidungsstückes habe verpflichtet werden sollen. Der Name des Vertretenen müsse bei Vertragsabschluss nicht genannt werden, es reiche aus, dass der Vertretene bestimmbar sei. Entgegen der Ansicht des FA sei es auch nicht erforderlich, die Namen der Käufer festzuhalten. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1157 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG). Es trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
Umsatzsteuerrechtlich sei als Eigenhändler und nicht als Handelsvertreter (Vermittler, Agent) anzusehen, wer im eigenen Laden Waren des täglichen Bedarfs verkaufe; Vermittler könne der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen dem Einlieferer und dem Käufer unmittelbar Rechtsbeziehungen zustande kämen. Diese Grundsätze seien auch auf Warenlieferungen in Secondhandläden anzuwenden. Allein das Anbringen von Schildern, mit denen auf einen Verkauf in fremdem Namen und für fremde Rechnung hingewiesen werde, reiche nicht aus, um den Ladeninhaber auch umsatzsteuerrechtlich als Vermittler auszuweisen. Halte der Ladeninhaber den Käufer der einzelnen Waren nicht namentlich fest, könnten unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Einlieferer und dem Käufer nicht hergestellt werden. Zudem erfordere ein Handeln in fremdem Namen umsatzsteuerrechtlich, dass grundsätzlich beim Abschluss des Umsatzgeschäfts dem Leistungsempfänger der Name des Vertretenen benannt werde.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen ergebe sich für den Streitfall, dass zu Recht der gesamte Verkaufserlös der Umsatzsteuer unterworfen worden sei. Die Klägerin sei entgegen der Auffassung des FG nicht Vermittlerin, sondern Eigenhändlerin gewesen. Bei dieser Sachlage komme eine (bloße) Differenzbesteuerung nicht in Betracht.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Für die Besteuerung eines Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG) als Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG) ist demnach maßgebend, ob und welche Lieferungen oder sonstige Leistungen von ihm erbracht werden.
a) Für die Bestimmung der Leistungen und der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht. Entsprechend der Regelung des § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist demnach bei einem Handeln im Namen des Vertretenen umsatzsteuerrechtlich die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung grundsätzlich dem Vertretenen zuzurechnen. Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn durch das Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt wird, dass der Vertreter und nicht der Vertretene die Leistung erbringt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311, unter 3.; vom 25. Juni 1987 V R 78/79, BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657, unter II. 1.; vom 21. September 1989 V R 99/85, BFH/NV 1989, 810, unter 2.).
b) Im Rahmen der Bestimmung der Leistungen und Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BFH derjenige, der im eigenen Laden Waren des täglichen Bedarfs verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler und nicht als Handelsvertreter (Vermittler, Agent) anzusehen ist (sog. Ladenrechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. April 1970 V R 80/66, BFHE 98, 564, BStBl II 1970, 506, m.w.N.; vom 14. Mai 1970 V R 77,78/66, BFHE 99, 82, BStBl II 1970, 511; vom 16. Dezember 1987 X R 32/82, BFH/NV 1988, 331, unter II. 1. b).
Denn der Kunde, der in einem Laden Waren des täglichen Bedarfs kauft, will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind im Regelfall etwaige Vereinbarungen zwischen dem Ladeninhaber und einem Dritten, dass es sich lediglich um eine Vermittlungstätigkeit handeln soll, nicht bekannt. Sie werden ihn im Allgemeinen auch nicht interessieren. Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht, und dem Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Auf das Innenverhältnis des Ladeninhabers zu seinem Vertragspartner, der Ware oder Leistungen zur Verfügung stellt, kommt es für die Frage, ob Eigenhandels- oder Vermittlungsgeschäfte vorliegen, nicht entscheidend an. Wesentlich ist das Außenverhältnis, d.h. das Auftreten des Ladeninhabers dem Kunden gegenüber. Wenn der Ladeninhaber in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann die Vermittlereigenschaft des Ladeninhabers umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 98, 564, BStBl II 1970, 506).
c) Diese Grundsätze gelten ebenfalls beim Verkauf von Gebrauchtwaren in Secondhandläden. Bei entsprechender Ausgestaltung des Geschäftsablaufs können auch in diesem Fall Vermittlungsleistungen vorliegen (vgl. Abschn. 26 Abs. 6 Satz 6 Umsatzsteuer-Richtlinien ―UStR― 1988/Abschn. 26 Abs. 3 Satz 6 UStR 2000; Junker, Umsatzbesteuerung von Second-Hand-Läden unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1992, 1422 f.).
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen hat das FG im Streitfall revisionsrechtlich unbedenklich entschieden, dass die Klägerin die gebrauchten Bekleidungsstücke nicht selbst ihren Käufern geliefert hat, sondern dass sie (nur) Lieferungen der Einlieferer an die Käufer vermittelt hat.
a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die auf tatsächlichem Gebiet liegende (vgl. BFH-Urteil in BFHE 98, 564, BStBl II 1970, 506) Feststellung des FG, die Klägerin habe im Außenverhältnis hinreichend deutlich gemacht, dass durch den Verkauf nicht sie selbst, sondern der jeweilige Einlieferer des gebrauchten Kleidungsstückes verpflichtet werden sollte.
Das FG konnte diese Überzeugung gewinnen, weil die Klägerin die Waren ausdrücklich nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Einlieferer verkauft hat. Hierfür reichte es aus, dass die Klägerin durch Schilder, die sie in ihrem Schaufenster und dem Ladenraum ausgestellt hatte, darauf hinwies, dass die Verkäufe im Namen und für Rechnung der Einlieferer erfolgten. Denn es macht keinen Unterschied, ob eine Willenserklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Folgerung des FG, dass die Klägerin gegenüber ihren Käufern (nur) als Vertreterin der Einlieferer aufgetreten ist, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand; sie ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze.
b) Der Senat folgt dem FG auch insoweit, als es angenommen hat, ein Handeln in fremdem Namen setze nicht voraus, dass der Name des Vertretenen bei Vertragsabschluss genannt werde; es reiche aus, dass der Vertretene bestimmbar sei (ebenso Schramm in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 164 Rdnr. 18, m.w.N.; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl., § 164 Rz. 1, m.w.N.; a.A. FG Münster, Urteil vom 17. November 1987 V 6649/84, veröffentlicht im Juristischen Informationssystem ―juris―). Es war entgegen der Ansicht des FA auch nicht erforderlich, dass den Einlieferern die Namen der Käufer bekannt wurden (vgl. Mößlang, Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Agenturgeschäften insbesondere im Gebrauchtwagenhandel, DStR 1990, 67, 69; a.A. FG Bremen, Urteil vom 29. September 1987 II 43, 44/87 K, EFG 1988, 45; FG Hamburg, Urteil vom 21. Februar 1994 III 354/92, nicht veröffentlicht ―NV―).
Denn auch ohne Nennung des Namens des Einlieferers und unabhängig davon, ob dieser den Namen des Käufers erfuhr, entstanden durch das Handeln der Klägerin als Vertreterin Rechtsbeziehungen zwischen Einlieferer und Käufer. Beide Kaufvertragsparteien standen bei Abschluss des Kaufvertrages fest. Dabei wusste der Käufer aufgrund des Auftretens der Klägerin im Namen des jeweiligen Einlieferers, dass diese nur als Vertreterin handeln wollte und sie keine unmittelbaren Rechtspflichten aus dem zustandekommenden Kaufvertrag treffen sollten. Sowohl der Einlieferer als auch der Käufer des gebrauchten Kleidungsstücks hatten typischerweise kein Interesse daran, den Namen ihres Vertragspartners zu erfahren. Die Ausführungen des FG hierzu, bei der Eigenart des Geschäftes (Barverkauf, Ausschluss der Gewährleistung) seien kaum nachwirkende Vertragspflichten denkbar und deshalb die Kenntnis der Namen für beide Seiten des Kaufvertrages typischerweise auch nicht von Bedeutung, ist nicht zu beanstanden. Wollte der Käufer (ausnahmsweise) den Namen seines Vertragspartners erfahren, wäre dies möglich gewesen. Denn durch die Codierung auf dem Warenetikett bestand die Möglichkeit, die Ware einem bestimmten Einlieferer zuzuordnen.
c) Durch das ―somit wirksame― Handeln der Klägerin als Vertreterin der Einlieferer wurde bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht lediglich verdeckt, dass die Klägerin selbst und nicht der jeweilige Einlieferer die Kleidungsstücke an die Käufer lieferte.
Denn der Klägerin war von den Einlieferern nicht Substanz, Wert und Ertrag der Bekleidungsstücke zugewendet worden, wie dies für die Annahme einer Lieferung an sie ―die Klägerin― erforderlich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. September 1989 V R 131/84, BFH/NV 1990, 333, unter 1.; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, unter II. 1.). Vielmehr blieben nach den Feststellungen des FG die Einlieferer Eigentümer der Waren. Anfallende Reinigungskosten gingen zu ihren Lasten; für abhanden gekommene Kleidungsstücke leistete ihnen die Klägerin Schadensersatz. Die Einlieferer trugen nach der Übergabe der Gebrauchtwaren an die Klägerin das Risiko des Nichtverkaufs; nichtverkäufliche Kleidungsstücke wurden an sie nach einem gewissen Zeitraum vereinbarungsgemäß zurückgegeben. Dementsprechend rechnete die Klägerin mit den Einlieferern auch erst nach Verkauf der Waren ab.
3. Die Klägerin hat somit zu Recht als Bemessungsgrundlage der von ihr ausgeführten Vermittlungsleistungen die Differenz zwischen den Verkaufspreisen und dem von ihr an die Einlieferer zu zahlenden Erlösanteil angesehen. Die geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen das FA dagegen die Umsatzsteuer nach dem vollen erzielten Verkaufserlös bemessen hat, sind vom FG mithin zutreffend aufgehoben worden.
Fundstellen
Haufe-Index 425225 |
BFH/NV 2000, 1058 |
BStBl II 2000, 361 |
BFHE 191, 97 |
BFHE 2001, 97 |
BB 2000, 1233 |
BB 2000, 1279 |
DB 2000, 1209 |
DStRE 2000, 652 |
HFR 2000, 591 |
UR 2000, 281 |