OFD Nordrhein-Westfalen, 29.10.2015, Kurzinformation ESt Nr. 37/2015

Mit dem Urteil vom 9.8.2011 (BStBl 2011 II S. 875 [vgl. H 5.5 Geschäfts- oder Firmenwert/Praxiswert EStH]) hat der BFH entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Praxiswert stehendes Wirtschaftsgut darstellt. Erwirbt daher ein Praxisnachfolger eine bestehende Arztpraxis, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil mit Vertragsarztsitz und zahlt unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben einen Kaufpreis, der den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt, ist der Kassenzulassung kein gesonderter Wert beizumessen und diese somit einheitlich mit dem Praxiswert abzuschreiben.

Kassenzulassung als eigenständig bewertbares, nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut

Allerdings hat der BFH in seinem Urteil ausgeführt, dass dieser grundsätzlich in den Praxiswert eingeflossene wertbildende Faktor sich dann zu einem eigenständigen Wirtschaftsgut konkretisieren kann, wenn er zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs – z.B. im Kaufvertrag – gemacht wird.

Von einem eigenständigen Wirtschaftsgut ist nur in besonders gelagerten Fällen auszugehen. Erwirbt etwa ein Praxisnachfolger im Rahmen der Nachbesetzung eine Praxis, ohne sie (Praxisräume, Patientenstamm, Nebenbetriebsstätten) zu übernehmen und fortzuführen und ergeben sich aufgrund vorliegender Vereinbarungen oder Verträge Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb der Kassenzulassung im Vordergrund steht, z.B. um den Vertragsarztsitz zu verlegen oder die Aufnahme des Erwerbers als weiteren Gesellschafter in eine bestehende freiberufliche Personengesellschaft zu ermöglichen, dann kommt der Anschaffung der Vertragsarztzulassung eine nicht unerhebliche eigene wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. Rz 25 des o.a. Urteils).

In diesen Fällen ist von der Entstehung eines selbstständigen immateriellen Wirtschaftsguts auszugehen, sodass die entsprechenden Anschaffungskosten der Kassenzulassung zuzuordnen sind.

Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibung

Da die Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt wird, kommen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden, wenn der Vertragsarzt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt.

Eine Teilwertabschreibung nach Einführung der Bedarfszulassung zum 1.1.2003 im Rahmen der Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab 2000 (GKV-GR 2000 vom 22.12.1999, BGBl 1999 I S. 2626) kommt allerdings nicht in Betracht. Denn eine Verwertungsmöglichkeit der Zulassung besteht auch über den 1.1.2003 hinaus, da nach § 103 Abs. 4 SGB V die Ausschreibung für gesperrte Planbereiche weiterhin möglich ist. Durch die Einführung der Bedarfszulassung ändert sich an der Verwertungsmöglichkeit der Zulassung nichts.

Urteile des FG Nürnberg vom 12.12.2013, 6 K 1496/12 und vom 23.9.2014, 1 K 1894/12

Nunmehr hat das FG Nürnberg mit zwei Urteilen einerseits jew. den Erwerb eines selbstständigen Wirtschaftsguts „Vertragsarztzulassung„ mit Hinweisen zur Auslegung der Aussagen des BFH in Rz 25 des BFH-Urteils vom 9.8.2011 (a.a.O.) bejaht, ist jedoch andererseits in den beiden Urteilen hinsichtlich der Frage der Abnutzbarkeit des erworbenen Wirtschaftsguts zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.

Während in der Entscheidung 6 K 1496/12 das erworbene Wirtschaftsgut ”Vertragsarztzulassung” als nicht abnutzbar angesehen wurde, hat der erkennende Senat in der Entscheidung 1 K 1894/12 eine Abschreibung zugelassen, und zwar über den Zeitraum vom Beginn bis zu dem voraussichtlichen Ende seiner Berufstätigkeit als Vertragsarzt.

Gegen beide Urteile wurde Revision eingelegt. Die Revisionsverfahren werden unter VIII R 7/14 und VIII R 56/14 geführt. In beiden Verfahren wird der BFH erneut zu entscheiden haben, unter welchen Voraussetzungen der wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut konkretisiert wird sowie ob die gewöhnliche Nutzungsdauer im Voraus annähernd fest bestimmt oder bestimmbar ist. Rechtsbehelfe ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes, wenn sie auf die beim BFH anhängigen Verfahren gestützt werden.

Hinweis:

Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl 2007 I S. 378) sind die Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte mit Wirkung zum 1.4.2007 weggefallen (§ 103 Abs. 8 SGB V).

In diesen Fällen ist bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zulässig, da ab dem 1.4.2007 mit der kassenärztlichen Zulassung kein verwertbarer wirtschaftlicher Vorteil mehr verbunden ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1

EStG § 6 Abs. 1

SGB V § 103

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