"Lassen Sie sich von der offenen Diskussion um neue Standards nicht abschrecken."

Was hat Sie positiv überrascht?

Dr. Hufnagel: Das Thema ist sehr positiv besetzt und wird nicht als extern aufgestülpt empfunden. Es fragt praktisch keiner mehr nach dem ‚Warum‘ – das war früher anders. Die Organisation und das Team sind aus sich heraus sehr motiviert. Unser Top-Management steht voll dahinter – insbesondere auch Melanie Kreis, unsere CFO, die uns immer wieder aktiv unterstützt. Und wir sehen, dass eine gute ESG Performance auch von unsere Kunden geschätzt und immer mehr nachgefragt wird.

Hat sich die Controlling-Rolle verändert?

Dr. Hufnagel: Auf jeden Fall, und ich glaube, sie ist noch interessanter geworden. Kommen wir nochmal auf das Beispiel der Investitionsentscheidungen zurück: Eingereichte Investitionsvorschläge müssen nicht mehr nur mit unseren finanziellen Zielen übereinstimmen, sondern auch mit unserer Nachhaltigkeitsplanung abgestimmt sein. Damit sind nicht nur die entsprechenden Nachhaltigkeitskennzahlen mit in die Analyse einzubeziehen, es müssen auch verschieden Szenarien evaluiert werden, um die bestmögliche Alternative in finanzieller und nicht-finanzieller Zielerreichung zu finden. Hierzu muss sich Controlling mit neuen Expertinnen und Experten, z. B. aus Real Estate, Einkauf oder Legal beratschlagen, um entsprechende Best Practices zu identifizieren – und das bietet einen sehr spannenden Blick über den Tellerrand. Das führt auch zu neuem Wissen, das im Controllingbereich weiterverbreitet werden muss.

Welche Empfehlungen würden Sie Controllerinnen und Controllern geben, die vor einem solchen Projekt stehen?

Dr. Hufnagel: Es war wichtig, dass wir eng am Business geblieben sind. Wir haben kein fremdes Konzept aus irgendeinem Framework übernommen, sondern haben unsere eigenen Prioritäten entwickelt und in unsere etablierten Strukturen integriert. Das können wir jetzt weiter ausbauen.

Wenn Sie im Moment im Internet zum Thema Nachhaltigkeitsreporting suchen, stoßen Sie schnell auf umfassende Anforderungskataloge, die zur Zeit diskutiert werden, aus diversen Standards, wie GRI, SASB, oder aktuell in der Diskussion um ISSB und die EFRAG-Standards. Ja, insbesondere mit der CSRD kommt da einiges auf uns zu. Lassen Sie sich aber hiervon nicht erschrecken.

Beginnen Sie mit einer Materialitätsanalyse: Überlegen Sie, welche ESG-Themen für Sie und Ihr Unternehmen wirklich wichtig sind, welche Auswirkungen für Ihre Stakeholder letztlich materiell sind und fangen sie hier in der Umsetzung an. Nur so können Sie Ihre Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder gleichzeitig für das Thema gewinnen – und Sie bereiten sich automatisch auf den Kern kommender Berichtsanforderungen vor – und sind dann gut aufgestellt.

Wie geht es jetzt weiter im Projekt?

Dr. Hufnagel: Aus Reporting-Sicht setzen wir uns zurzeit intensiv mit den Anforderungen, die aus der CSRD folgen, auseinander. Wir verfügen ja schon über ein umfangreiches Reporting, aber auch wir haben für die Umsetzung noch ein paar Hausaufgaben zu machen. Wir unterstützen die Arbeit der EFRAG, in die ich auch persönlich involviert bin. Ehrlich gesagt halte ich aber die Offenlegungsanforderungen, die wir in den Exposure Drafts der europäischen Standards gesehen haben, für zu umfangreich. Mit Blick auf die Steuerung der Nachhaltigkeitsziele wäre hier eine Fokussierung besser. Weniger ist mehr.

Als Controller begleiten wir jetzt die Implementierung unserer Strategie – und stehen da jetzt mittendrin. Wir haben im Sommer zum zweiten Mal unseren integrierten ESG-Planungsprozess durchlaufen. Und wir sehen, was gut funktioniert und wo wir nachschärfen müssen.

Ich persönlich glaube, dass die ESG Performance der Unternehmen in den nächsten Jahren immer mehr zum Differentiator im Wettbewerb wird. Und in 5 Jahren wird sich zeigen, dass es gut war, hier früh zu starten. Das zeigt sich jetzt schon am Beispiel der Elektrofahrzeuge. Ein e-Auto fahren kann jeder, aber eine Flotte betreiben, ist eine Herausforderung. Während andere Unternehmen noch pilotieren, haben wir inzwischen über 20.000 Fahrzeuge im Einsatz – wir wissen schon, wie das geht. Und das ist ein großer Vorteil.

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