Bei der Abgrenzung der Werkleistung von der Werklieferung ist entscheidend, wer den zu bearbeitenden Stoff beschafft hat und welche Funktion (Haupt- oder Nebenstoff) der Stoff hat. Beschafft ist ein Stoff von demjenigen, der vor einer Be- oder Verarbeitung wirtschaftliches Eigentum am Stoff hat, weil er ihn selbst hergestellt, selbst gewonnen oder selbst erworben hat.

Eine Werklieferung liegt vor, wenn der Hersteller für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbst beschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG; Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE). § 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der Rechtsprechung einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung auszulegen.[1] Gegenstand der Be- bzw. Verarbeitung muss ein Hauptstoff sein. Allerdings muss der Unternehmer nicht sämtliche Hauptstoffe selbst beschafft haben; der Rechtsprechung zufolge handelt es sich auch dann noch um eine Werklieferung, wenn der Unternehmer nur einen geringfügigen oder geringwertigen Teil eines Hauptstoffs beschafft. Wesentlicher Vertragsinhalt ist der Arbeitsvorgang selbst. In diesem Fall handelt es sich gem. § 3 Abs. 4 UStG um eine einheitliche Lieferung des bearbeiteten Hauptstoffes und nicht etwa um zwei Leistungen (Lieferung des Stoffs und eine sonstige Leistung). Bei Werklieferungen scheiden Materialbeistellungen des Bestellers aus dem Leistungsaustausch aus (Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 1 UStAE).

 
Praxis-Beispiel

Werklieferung

Ein Unternehmer erstellt ein schlüsselfertiges Wohnhaus für den Auftraggeber zu einem Pauschalfestpreis von 300.000 EUR brutto. Der Auftraggeber kürzt den Rechnungsbetrag um 3.000 EUR für beigestellten Baustrom und beigestelltes Bauwasser sowie um weitere 1.000 EUR für eine abgeschlossene Bauwesenversicherung. Der Unternehmer muss insgesamt 297.000 EUR (als Bruttobetrag) der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Baustrom und das Bauwasser (3.000 EUR) nehmen nicht am Leistungsaustausch teil (Tz. 1.2.4.).[2]

Um eine Werkleistung – also eine im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sonstige Leistung – handelt es sich, wenn der Werkunternehmer bei seiner Leistung keine selbst beschafften Stoffe oder nur solche selbst beschafften Stoffe verwendet, die als Zutaten oder sonstige Nebensachen anzusehen sind (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE; Tz. 1.2.3). Wird der Werkvertrag nach teilweiser Erbringung der Werkleistung gekündigt, unterliegt auch der Anspruch aus § 648 BGB (§ 649 Satz 2 BGB a. F.) der Umsatzsteuer, soweit sie auf schon erbrachte Leistungsanteile entfällt.[3]

Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände können in Form einer Werklieferung oder Werkleistung erbracht werden. Nach ständiger EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist für die Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung das Wesen des Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (Abschn. 3.8 Abs. 6 UStAE).[4]

[1] BFH, Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10, BFH/NV 2012 S. 130; BMF, Schreiben v. 1.10.2020, III C 2 – S 7112/19/10001:001, BStBl I 2020 S. 983; geändert durch BMF, Schreiben. v. 11.3.2021, III C 2 – S 7112/19/10001:001, BStBl I 2021 S. 380: Zwingende Anwendung des neu gefassten Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE ab 1.7.2021.
[2] BMF, Schreiben v. 27.1.2023, III C 2 – S 7270/20/10002:001, Anlage Tz. II Nr. 1, BStBl I 2023 S. 305: Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2).

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