Der Begriff der Rechtsfähigkeit findet sich nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Steuerrecht (sog. Steuerfähigkeit). Allerdings kommt dem Begriff in beiden Rechtsgebieten völlig unterschiedliche Bedeutung zu. Während das Zivilrecht danach fragt, ob die betreffende Person Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, also danach gefragt wird, wer Rechtssubjekt ist, fragt das Steuerrecht danach, welchen Personen (Einzelpersonen oder Personenzusammenschlüssen) ein einzelnes Steuergesetz Rechte und Pflichten auferlegt. Natürliche Personen werden mit ihrer Geburt Trägerinnen von Rechten und Pflichten, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschäftsfähig sind.[1] Die Frage der Steuerfähigkeit kann nur vor dem Hintergrund eines bestimmten Steuergesetzes geklärt werden. Die steuerliche Rechtsfähigkeit stellt eine Teilrechtsfähigkeit dar, die sich nicht nach dem Zivilrecht, sondern nach den Regelungen des betreffenden Steuergesetzes bestimmt.

 
Praxis-Beispiel

Steuersubjekte der Steuerarten

Während das Einkommensteuerrecht als Steuersubjekt keine Personengesellschaften (z.  B. GbR, oHG, KG) sondern nur natürliche Personen (bei juristischen Personen wird statt der Einkommensteuer Körperschaftsteuer erhoben) kennt, kann Steuersubjekt der Umsatzsteuer zweifelsohne auch eine GbR oder juristische Person sein, wenn sie Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist.[2]

Rechtssubjekte im zivilrechtlichen Sinn sind Personen, denen Rechte zustehen können und denen Verpflichtungen auferlegt werden. Nur wer diese (Rechts-)Fähigkeit besitzt, kann Rechte geltend machen bzw. können nur diesen Pflichten auferlegt werden.

Das Zivilrecht unterscheidet zwischen 3 Arten von Rechten/Pflichten (subjektive Rechte):

  • Ansprüche

Ansprüche sind relative Rechte, d.  h. sie begründen das Recht, von einer anderen Person ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, § 194 BGB. Mit einem Anspruch wird eine Beziehung von einer bestimmten Person zu einer anderen bestimmten Person geregelt. Selbstverständlich können auch mehrere Personen beteiligt sein.

 
Praxis-Beispiel

Anspruch mehrerer Personen

Die in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Ingeborg Müller und Harald Schulz kaufen eine Lampe, die 2 Monate später angeliefert werden soll. Durch den Abschluss des Kaufvertrags haben Frau Müller und Herr Schulz gemeinsam einen Anspruch auf Lieferung der Lampe gegenüber dem die Lampe verkaufenden Unternehmen.

Anspruchsgrundlagen entstehen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen oder durch Gesetz. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen finden sich in der Regel in den Zivilgesetzen, aber nicht immer.

So enthält z. B. § 14 Abs. 1 UStG einen Anspruch auf Ausstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung, wenn ein Umsatz von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen ausgeführt wird und die leistungsempfangende Person die Ausstellung der Rechnung verlangt. Hierbei handelt es sich um ein relatives Recht, das zwischen den beiden Unternehmen besteht und im Zweifel vor den Zivilgerichten einzuklagen ist.[3]

  • Absolute Rechte

Bei absoluten Rechten handelt es sich um sog. Jedermann-Rechte. Die Berechtigten können grundsätzlich jede nichtberechtigte Person von der Einwirkung auf das Recht abhalten. So kann beispielsweise der Eigentümer eines Fahrzeugs jeder anderen Person verbieten, mit dem Fahrzeug zu fahren. Die absoluten Rechte, die auch als Herrschaftsrechte bezeichnet werden, begründen als solche noch keinen Anspruch. Ein Anspruch ersteht erst dann, wenn eine andere Person das absolute Recht verletzt.

 
Praxis-Beispiel

Absolute und relative Rechte

Das dem Versicherungsvertreter Leon Willig gehörende Auto wird gestohlen. Willig hat aufgrund seines Eigentumsrechts an dem Auto (absolutes Recht) einen Herausgabeanspruch gegenüber der das Auto entwendenden Person nach § 985 BGB (relatives, nur gegenüber dem Dieb bestehendes Recht).

  • Gestaltungsrechte

Diese Rechte verleihen die Berechtigung, einseitig durch Erklärungen auf die Rechtslage einer anderen Person einzuwirken. Grundsätzlich besteht ein Gestaltungsrecht im Privatrecht – das ja von der Gleichberechtigung der Parteien ausgeht – nur dann, wenn die andere Partei zuvor der Existenz des Gestaltungsrechts zugestimmt hat. Daneben kann ein Gestaltungsrecht aufgrund von Rechtsverletzungen entstehen.

Beispiele:

  • Anfechtung von Rechtsgeschäften wegen arglistiger Täuschung
  • Kündigung eines Arbeits- oder Gesellschaftsvertrags
  • Rücktritt von Vertrag

Rechten und Pflichten stehen natürlichen Personen und juristischen Personen zu. Anderen Gebilden, beispielsweise den Personengesellschaften, kommt partielle Rechtsfähigkeit zu. Das bedeutet, dass sie in beschränktem Umfang Rechten oder Pflichten innehaben können. Die steuerliche Rechtsfähigkeit (Steuerfähigkeit) stellt einen Fall der partiellen Rechtsfähigkeit dar. So werden über dem Kreis der natürlichen und juristischen Personen hinaus bestimmten Gebilden steuerliche Pflichten/Rechte auferlegt. Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der umsatzsteuerliche Unternehmensbegriff, der nicht vor ...

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