Besteht das Sachvermächtnis darin, dass dem Vermächtnisnehmer der ganze Betrieb zu übertragen ist, geht der Betrieb zivil- und einkommensteuerrechtlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zunächst unentgeltlich auf den Alleinerben oder die Erbengemeinschaft über. Ein zweiter unentgeltlicher Betriebsübergang findet statt, wenn die Erben in Erfüllung des Vermächtnisses den Betrieb dem Vermächtnisnehmer übertragen. Dieser muss die Buchwerte des Alleinerben bzw. der Erbengemeinschaft fortführen[1], eine Gewinnrealisierung tritt nicht ein.[2]

Die Entstehung von Veräußerungsgewinnen wird vermieden, wenn bei der Testamentserrichtung der Betrieb durch ein Vermächtnis einer bestimmten Person zugewiesen wird. Die nach dem Erbfall bis zur Erfüllung des Vermächtnisses erzielten Gewinne sind dem oder den Erben zuzurechnen.[3] Das beruht darauf, dass ein Vermächtnisnehmer die ihm vermachten Gegenstände nicht vom Erblasser, sondern in Erfüllung des Vermächtnisses vom Erben (der Erbengemeinschaft) unentgeltlich erhält. Die zwangsläufige Folge ist, dass i. d. R. dem Erben (der Erbengemeinschaft) die Erträge aus den vermachten Gegenständen bis zur Erfüllung des Vermächtnisses zustehen.

Abweichend von diesem Grundsatz sind die zwischen Erbfall und Erfüllung des Vermächtnisses angefallenen Einkünfte dem Vermächtnisnehmer zuzurechnen, wenn dieser schon vor der Erfüllung des Vermächtnisses als Inhaber des Gewerbebetriebs (Unternehmer) anzusehen ist.[4]

 
Praxis-Beispiel

Sachvermächtnis betrifft einen ganzen Betrieb

Der verwitwete V hinterlässt einen Nachlass, der aus einem Einzelunternehmen (Buchwert: 300.000 EUR, Verkehrswert: 1 Mio. EUR) und Immobilien im Verkehrswert von 700.000 EUR besteht. Erbberechtigt wären bei gesetzlicher Erbfolge Sohn S und Tochter T zu je ½. V hat jedoch T zur Alleinerbin eingesetzt und S erhält als Vermächtnis das Einzelunternehmen. Das Vermächtnis vermittelt den unentgeltlichen Erwerb, sodass S die Buchwerte des Betriebs fortführen muss.[5]

 
Hinweis

Vorausvermächtnis

Der Vermächtnisnehmer ist als solcher nicht Erbe. Dies schließt aber nicht aus, auch einem Erben zusätzlich ein Vermächtnis zuzuwenden, das sog. Vorausvermächtnis.[6] Dessen Bedeutung liegt darin, dass es dem bedachten Miterben im Unterschied zur Teilungsanordnung, die auf die bloße Durchführung der Auseinandersetzung gerichtet ist, einen über seine Erbquote hinausgehenden Vermögensvorteil bringen soll.[7]  Da der bedachte Miterbe im Regelfall seinerseits auch beschwert ist[8], erhält er zwar den vollen Wert des Vermächtnisses, er ist jedoch mit seiner Erbquote nur an dem entsprechend verringerten Nachlass beteiligt.[9]

Auch bei einem Vorausvermächtnis erlangt der Vermächtnisnehmer mit dem Todesfall des Erblassers lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf den ihm zugeteilten Gegenstand. Er erwirbt deshalb die ihm durch das Vorausvermächtnis zugewendeten Wirtschaftsgüter nicht unmittelbar vom Erblasser, sondern von der Erbengemeinschaft. Das bedeutet, dass Miterben, die ein Sachvermächtnis (Vorausvermächtnis) aus dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens erfüllen, gesamthänderisch eine Entnahme tätigen. Bei einem Sachvermächtnis über den ganzen Betrieb ist der begünstigte Miterbe an die Buchwerte der Erbengemeinschaft gebunden.[10]

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