Rz. 76

"Durchschüttung" entlang der Beteiligungskette. Erfolgt die Vorteilsgewährung nicht an einen unmittelbar, sondern an einen mittelbar übergeordneten Gesellschafter, liegen die Voraussetzungen einer vGA an eine nahestehende Person vor, die jeweils durch das Gesellschaftsverhältnis zum unmittelbar übergeordneten Gesellschafter veranlasst sind. Die vGA ist entlang der Beteiligungskette solange "durchzuschütten", bis der vorteilsempfangende Gesellschafter erreicht ist. Auf den Zwischenstufen wird die vGA zur Weiterleitung an den jeweils übergeordneten Gesellschafter verwendet bzw. verbraucht. Auf Ebene der jeweils zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften als Empfänger der vGA unterliegt der Beteiligungsertrag der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG. Die vGA ist mithin jeweils als Beteiligungsertrag zu verbuchen und außerbilanziell wieder zu kürzen.

 

Rz. 77

Kaskadeneffekt bei der 5 %igen Kostenpauschale. Die "Durchschüttung" der vGA entlang der Beteiligungskette mit der Folge weiterer vGA auf den Zwischenstufen bewirkt aufgrund der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG auf der jeweiligen Zwischenstufe, dass die 5 %ige Kostenpauschale nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG jeweils hinzuzurechnen ist. Hierbei bemisst sich die Kostenpauschale jeweils nach 100 % der in Rede stehenden vGA und wird nicht dadurch "aufgezehrt", dass auf der jeweiligen Zwischenstufe eine "Finanzierung" der ausgelösten Steuerzahlungen (bei einem kombinierten Steuerbelastungssatz von 30 % für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer 1,5 Prozentpunkte) fingiert würde. Der mehrfache Ansatz der 5 %igen Kostenpauschale führt deshalb zu einem sog. Kaskadeneffekt. Dieser Kaskadeneffekt ist kein Spezifikum sog. Ketten-vGA, sondern tritt auch dann auf, wenn entlang der Beteiligungskette offen hochgeschüttet wird. Zu letzterem Fall von oGA hat es das BVerfG im Beschluss v. 12.10.2010[1] zur grundsätzlichen Vereinbarkeit von § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich offengelassen, ob der Kaskadeneffekt bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung erforderlich macht.[2] Insofern verbleibt der Praxis bei oGA wie bei vGA nur die Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) zur Vermeidung dieses Kaskadeneffekts, wobei vGA weit überwiegend wohl erst im Nachhinein im Rahmen steuerlicher Betriebsprüfungen aufgedeckt werden und deshalb nur eine zum Zeitpunkt der vGA bereits bestehende Organschaft vor dem Kaskadeneffekt bewahrt.

 

Rz. 78

Kapitalertragsteuerliche Aspekte. Die "Durchschüttung" der vGA entlang der Beteiligungskette wirft zudem kapitalertragsteuerliche Fragestellungen auf jeder Zwischenstufe auf. VGA lösen grundsätzlich Kapitalertragsteuer i. H. v. 25 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzüglich Solidaritätszuschlag aus, die von der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft einzubehalten und abzuführen ist (vgl. Rz. 43 ff.). Erfolgt ein mehrfacher "Grenzübertritt" bei Durchleitung der vGA, entsteht auf jeder Zwischenstufe, auf der die vGA ins Ausland abfließt, im Zeitpunkt des korrespondierenden Zuflusses beim Gläubiger erneut Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Insofern können sich auch bezogen auf die Kapitalertragsteuer Kaskadeneffekte infolge der Durchleitung einer vGA entlang der Beteiligungskette einstellen.

 

Rz. 78a

Ketten-vGA und Organschaft. Besteht zwischen der vorteilsempfangenden inländischen Muttergesellschaft und einer ihr nachgeordneten inländischen (Zwischenholding-) Kapitalgesellschaft eine ertragsteuerliche Organschaft, dann ist die Weiterleitung des auf Ebene der Organgesellschaft vereinnahmten Beteiligungsertrags i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an den Organträger als vorweggenommene Gewinnabführung zu behandeln.[3] Wegen des sog. Bruttoprinzips (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1, 2 KStG) erhöht sich das dem Organträger zuzurechnende Einkommen um die vGA. Eine außerbilanzielle Hinzurechnung der vorweggenommenen Gewinnabführung auf Ebene der Organgesellschaft entfällt, da sich die i. d. R. nachträglich festgestellte vGA nicht auf den bilanziellen Unterschiedsbetrag i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG der Organgesellschaft ausgewirkt hat. Ebenso wenig erfüllt die durchgeleitete vGA die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf Ebene der Organgesellschaft. Die Unterschiedsbetragsminderung oder (verhinderte) Unterschiedsbetragsmehrung kann nur auf Ebene der vorteilsgewährenden, unmittelbar oder mittelbar nachgeordneten Kapitalgesellschaft vorliegen, die bei nachgeordneten ausländischen Kapitalgesellschaften für deutsche Besteuerungszwecke nur im Hinblick auf das materielle Korrespondenzprinzip nach § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG bezogen auf eine Einkommenserhöhung im Ausland von Bedeutung ist. Auf Ebene des Organträgers sind die vorweggenommenen Gewinnabführungen der Organgesellschaft außer Ansatz zu lassen.[4] Insofern werden verrechnungspreisbezogene Gegenkorrekturen nach dem K...

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