Leitsatz

1. Art. 15 Nr. 4 Buchst. a der 6. EG-RL, auf den Nr. 5 des gleichen Artikels verweist, gilt nicht nur für Schiffe, die auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt sind, sondern auch für Schiffe, die auf hoher See zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind.

2. Art. 15 Nr. 8 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Befreiung die Dienstleistungen erfasst, die dem Reeder selbst für den unmittelbaren Bedarf der Seeschiffe erbracht werden.

3. Im Rahmen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sind die nationalen Steuerbehörden verpflichtet, den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu wahren. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Steuerpflichtige unter den Umständen der Ausgangsverfahren vernünftigerweise annehmen konnte, dass die streitige Entscheidung von einer zuständigen Behörde getroffen worden war.

 

Normenkette

Art. 15 Nrn. 4 Buchst. a, 5 und 8 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG)

 

Sachverhalt

Elmeka betreibt ein Tankschiff. Sie hatte für die Oceanic (O) Erdölerzeugnisse zur Proviantierung von Schiffen in Griechenland transportiert. O handelte mit diesen Erzeugnissen.

Elmeka hatte in der Annahme, ihre Leistung sei steuerfrei, keine Mehrwertsteuer ausgewiesen. 1994 hatte sie von einem FA die Auskunft erhalten, dies treffe zu.

 

Entscheidung

Der EuGH entschied, wie im Leitsatz wiedergegeben. Die Kriterien sind auch bei der Auslegung der entsprechenden Befreiungsvorschrift im UStG und bei der Prüfung, ob sich ein Steuerpflichtiger auf Vertrauensschutz berufen kann, zu beachten.

 

Hinweis

Streitig war die Frage, ob das griechische FA zu Recht abgelehnt hat, mit Frachtgebühren für Transporte von Kraftstoffen zur Versorgung von Seeschiffen verbundene Umsätze von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Befreit sind nach Art. 15 Nr. 4 der 6. EG-RL „Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a) auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind, ...”;

b) als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall Lieferungen von Bordproviant ausgenommen sind,

nach Art. 15 Nr. 8 "andere Dienstleistungen" als die in Nr. 5 genau bezeichneten Lieferungen und Leistungen für die in Nr. 4 bezeichneten Schiffe, die "für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Schiffe und ihrer Ladung bestimmt sind".

Drei Fragen waren für das griechische Gericht entscheidungserheblich: Ob sich das Tatbestandsmerkmal "auf hoher See" nur auf den Passagierverkehr bezieht, was "für den unmittelbaren Bedarf" bedeutet, und – wegen einer unzutreffenden Auskunft einer amtlichen Stelle über die Befreiung – die maßgeblichen Grundsätze für den Vertrauensschutz.

Fast schon obligatorisch ist die Bemerkung, dass die Regelung im UStG mit der entsprechenden Richtlinienbestimmung nur eine nahe Verwandtschaft aufweist und sich deshalb ein Blick in die 6. EG-RL nur lohnen kann, weil ggf. jedenfalls das günstigere nationale Recht anzuwenden ist. Jedenfalls ist die Auslegung des EuGH auch – soweit möglich – bei der Auslegung des § 8 UStG zu beachten.

1. Das Tatbestandsmerkmal "auf hoher See" bezieht sich nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf alle in der Vorschrift erwähnten Schiffe.

2. Die in Art. 15 Nr 4 der 6. EG-RL erwähnten Umsätze zur Versorgung von Schiffen sind deshalb von der Steuer befreit, weil sie Ausfuhrumsätzen gleichgestellt sind. Die Befreiung gilt deshalb – ebenso wie die für Ausfuhrumsätze nur für endgültige Lieferungen von durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandten oder beförderten Gegenständen gilt – nur für Lieferungen von Gegenständen an einen Betreiber von Schiffen, der diese Gegenstände (selbst) zur Versorgung der Schiffe verwendet. Sie gilt nicht für Lieferungen dieser Gegenstände, die auf einer vorhergehenden Handelsstufe erfolgen (Rd.Nrn. 21 ff.). Ein anderes Verständnis würde Kontroll- und Überwachungsmechanismen erfordern, die mit dem Ziel der "korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen" unvereinbar wären. Das gilt für alle der eingangs bezeichneten Vorschriften der 6. EG-RL.

3. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sind Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung.

Die nationalen Behörden sind verpflichtet, den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens der Wirtschaftsteilnehmer zu wahren.

Im Einzelnen gilt:

  • Zunächst muss festgestellt werden, ob die Handlungen der Verwaltungsbehörden in der Vorstellung eines umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers vernünftige Erwartungen begründet haben.
  • Wenn ja, muss festgestellt werden, ob diese Erwartungen berechtigt sind.

Gibt es – wie z.B auch in der AO – eine ausdrückliche Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, die festlegt, welche die für die Beantwortung der von den Bürgern gestellten Fragen betreffend steuerrechtliche Probleme zuständige nationale Be...

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