Leitsatz

Wird eine Kapitalgesellschaft auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen, die ihrerseits Organgesellschaft einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft mit einer Kapitalgesellschaft als Organträgerin ist, ist auf den Verschmelzungsgewinn weder auf der Ebene der Muttergesellschaft noch auf der Ebene der Organträgerin das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG anzuwenden (entgegen BMF-Schreiben vom 11. November 2011, BStBl I 2011, 1314, Rz. 12.07).

 

Normenkette

§ 8b Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG, § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UmwStG 2006

 

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgende vierstufige Unternehmensstruktur zugrunde:

Konzernobergesellschaft war die A-AG, die zu 100 % an der B-GmbH beteiligt war. Diese wiederum hielt rund 96 % der Anteile an der C-GmbH, die schließlich mit rund 96 % an der D-GmbH beteiligt war. Es bestanden zudem drei Organschaftsverhältnisse: Die B-GmbH war Organgesellschaft der A-AG als Organträgerin. Die C-GmbH war Organgesellschaft der B-GmbH als Organträgerin (insoweit lag eine Organschaftskette vor). Schließlich bestand ein Organschaftsverhältnis zwischen der D-GmbH als Organgesellschaft und der B-GmbH als Organträgerin (sog. mittelbare Organschaft mit der C-GmbH als Zwischengesellschaft).

Rückwirkend zum steuerlichen Übertragungsstichtag 31.12.2006 wurde die D-GmbH aufwärts mit ihrer Muttergesellschaft C-GmbH verschmolzen. Bei dieser entstand hierdurch ein Übernahmegewinn. Diesen Gewinn behandelte das FA zwar gemäß § 8b Abs. 2 KStG als steuerfrei, setzte aber – aufgrund der in der Organschaftskette erfolgten Einkommenszurechnungen an den jeweiligen Organträger – auf der Ebene der A-AG nicht abziehbare Betriebsausgaben i.H.v. 5 % des Übernahmegewinns gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG an.

Das finanzgerichtliche Verfahren, in dem mehrere Punkte im Streit standen, führte zu einem überwiegenden Erfolg der Klage (FG Münster, Urteil vom 19.11.2015, 9 K 3400/13 K,F, Haufe-Index 9146955, EFG 2016, 594).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf die Revision des FA aus verfahrensrechtlichen Gründen (Erlass eines Änderungsbescheides während des Revisionsverfahrens) auf. In der Sache gab er der Klage im einzig verbliebenen Streitpunkt vollumfänglich statt.

 

Hinweis

1. Entgegen der im Umwandlungssteuererlass vertretenen Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH entschieden, dass das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG bei der Aufwärtsverschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft, die zugleich Organgesellschaft im Rahmen einer Organschaft ist, weder bei der Organgesellschaft (als aufnehmender Muttergesellschaft) noch beim Organträger (dem das Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet wird) anzuwenden ist.

2. Wird eine Kapitalgesellschaft aufwärts auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen und entsteht dadurch bei der Muttergesellschaft ein Übernahmegewinn gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, dann bleibt dieser Gewinn außer Ansatz. "Technisch" wird dieses "Außer-Ansatz-Bleiben" durch eine außerbilanzielle Korrektur bewerkstelligt. Der Gesetzgeber will also im Hinblick auf die verschmelzungsbedingt "untergehenden" Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft den Vorgang wie eine Beteiligungsveräußerung behandelt wissen. Ein hieraus resultierender Gewinn würde einerseits ebenfalls gemäß § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz bleiben. Andererseits müssten allerdings bei einer "normalen" Anteilsveräußerung 5 % des Gewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt werden. Daher ordnet der Gesetzgeber für den Übernahmegewinn in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ausdrücklich die Anwendung des § 8b KStG und damit auch des § 8b Abs. 3 KStG (sog. Schachtelstrafe) an.

3. Fraglich ist, ob dies auch dann gelten kann, wenn die aufnehmende Muttergesellschaft zugleich eine Organgesellschaft ist. Im Organschaftskreis bestimmt nämlich § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG, dass die Regelungen in § 8b Abs. 1 bis 6 KStG im Hinblick auf Beteiligungsveräußerungsgewinne u. Ä. der Organgesellschaft gerade nicht gelten. Ein solcher Gewinn bleibt also nicht außer Ansatz, sondern wird vollständig bei der Organgesellschaft erfasst und als Teil deren Einkommens an den Organträger zur Versteuerung i.S.d. § 14 Abs. 1 KStG weitergeleitet (sog. Bruttomethode). Erst auf der Stufe des Organträgers ist § 8b KStG anzuwenden, so ausdrücklich § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG.

4. Das Gesetz ist also durchaus widersprüchlich und der BFH hatte zu klären, was nun tatsächlich gilt: Ist bei der Organgesellschaft § 8b Abs. 3 KStG auf den Übernahmegewinn anzuwenden, weil § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG dies so vorsieht? Oder ist § 8b Abs. 3 KStG nicht anzuwenden, weil § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG dies so regelt? Der BFH hat sich in Übereinstimmung mit der h. L. und gegen die Auffassung des BMF (vgl. Rz. 12.07 UmwStE, BStBl I 2011, 1314) für den Vorrang der organschaftlichen Sonderregelungen ausgesprochen, die die Regelungsanordnung des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG suspend...

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