rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auszahlung des Kindergeldes rückwirkend ab Juli 1996

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Ablehnung des Antrages auf Kindergeld für das Kind X Y ab Juli 1996 vom 7. November 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1997 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe ab dem 1. Juli 1996 zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob während eines Auslandsaufenthalts im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses Kindergeld zu gewähren ist.

Die am 4. September 1977 geborene Tochter der Klägerin, X, bestand am 22. Juni 1996 in Bad K. ihr Abitur und beabsichtigte, ein Dolmetscherstudium aufzunehmen. Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, nahm sie vom Juli 1996 bis zum Juli 1997 an einem einjährigen Au-pair-Aufenthalt in den USA teil. Sie wohnte bei der Familie J. und S. K. im Bundesstaat Wisconsin und half für 115 $ wöchentlich im Haushalt aus. Ferner besuchte sie das W. County Technical College (WCTA) an ca. 6 Stunden in der Woche, einen 45 Stunden umfassenden einwöchigen Au-pair-Workshop sowie – 1997 – am gleichen College den Kurs „Einführung in die Polizeiwissenschaft” (vgl. im Einzelnen die Übersicht auf Bl. 75 der Gerichtsakten). Im Juni 1997 bestand X den TOEFL-Test in Chicago.

Den im Juli 1996 gestellten Antrag auf Kindergeld lehnte die Beklagte mit Verfügung vom 7. November 1996 ab, weil die Tochter nicht mindestens 8 Stunden wöchentlich an einem Sprachkurs teilgenommen hatte. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, für den Au-pair-Aufenthalt ihrer Tochter in den USA Kindergeld zu beanspruchen. Um ein Dolmetscherstudium aufzunehmen, bedürfe es umfassender Kenntnisse der englischen Sprache. Ein hierfür notwendiger Auslandsaufenthalt sei nur im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses finanzierbar gewesen. Die sprachlichen Fähigkeiten von X seien insbesondere durch den täglichen Gebrauch der englischen Sprache in der Gastfamilie entwickelt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. November 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe für ihre Tochter X Y ab dem 1. Juli 1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.
  2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie meint, das Au-pair-Verhältnis könne nicht als Berufsausbildung anerkannt werden. Ein Au-pair-Verhältnis sei nämlich nur dann Berufsausbildung im genannten Sinne, wenn für den angestrebten Beruf eine geregelte Ausbildung mit berufsqualifizierendem Abschluss nicht vorgeschrieben sei. Die Rechtsprechung habe unterschieden zwischen solchen Ausbildungen, für die der Ausbildungsgang geregelt und mit einem berufsqualifizierendem Abschluss verbunden sei und denjenigen, für die dieser Ausbildungsweg nicht vorgeschrieben sei. Die Tochter der Klägerin habe überdies nicht wenigstens 8 Stunden einen systematischen Sprachunterricht genossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kindergeld im beantragten Umfang gem. § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a des EinkommensteuergesetzesEStG -. Nach diesen Vorschriften wird ein volljähriges Kind für den Bezug von Kindergeld berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Die Tochter der Klägerin, X, befand sich auch während ihres Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten in der Berufsausbildung.

In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – Urteile vom 23. April 1997 VI R 135/95, BFH/NV 1997, 655; v. 11. Oktober 1984, VI R 69/93, BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91; v. 2. Juli 1993 III R 66/91, BFHE 172, 321, BStBl II 1994, 101). Auch ein Auslandsaufenthalt zählt zur Berufsausbildung, wenn er zur Vervollkommnung der Sprachkenntnisse bestimmt ist und solche für die Berufsausbildung erforderlich sind. Dies gilt selbst dann, wenn das Kind als Haushaltshilfe (Au-pair) tätig wird. Nach der Rechtsprechung des BFH wird dieser Aufenthalt, wenn er – wie hier – ungefähr ein Jahr nicht überschreitet, regelmäßig als Berufsausbildung anzusehen sein, sofern nicht besondere Anhaltspunkte gegen das Vorliegen einer Berufsausbildung sprechen (BFH-Urteil v. 15. Januar 1960 VI 310/58 U, BStBl III 1960, 118). Auch die überwiegende finanzgerichtliche Rechtsprechung sieht in der Teilnahme an einem „...

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