Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherheitszuschlag von 10% zu dem für den Teilbereich Erotikkino/Videokabinen eines Erotikmarkts erklärten Umsätzen aufgrund gravierender Mängel des Kassenbuchführung, Ableitung des Sicherheitszuschlags aus dem vom Steuerpflichtigen erklärten Umsatz und nicht aus dem erklärten Gewinn

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen, insbesondere bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung, ist es gerechtfertigt, einen Sicherheitszuschlag vorzunehmen (vgl. BFH, Urteil v. 15.4.2015, VIII R 49/12). Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss, charakterisieren.

2. Feste Regeln für die Höhe des Sicherheitszuschlags gibt es nicht. Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u. a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln. Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen.

3. Wurden in einem Erotikmarkt für den Teilbereich Erotikkino/Videokabinen die als Kassen zu wertenden Geldspeicher nur in unregelmäßigen Abständen, maximal einmal wöchentlich geleert, keine getrennte Aufzeichnung der einzelnen Kassen durchgeführt, die Bareinnahmen aus dem Bereich Video und Kino nicht zeitnah ermittelt und auch keinerlei tägliche Kassenberichte geführt, so ist angesichts dieser gravierenden Buchführungsmängel ein Sicherheitszuschlag von 10% der für den Bereich Video/Kino vom Steuerpflichtigen erklärten Umsätze (hier: Sicherheitszuschlag von 14.000 EUR bei erklärten Umsätzen von rd. 140.000 EUR und einem ursprünglich erklärten Gewinn von rd. 38.000 EUR) nicht zu beanstanden.

4. Fehlen wegen der gravierenden formellen und materiellen Buchführungsmängel nachprüfbare Unterlagen, die die Feststellung ermöglichen, ob bzw. inwieweit die Kassenumsätze und damit auch der durch den Unternehmer ursprünglich erklärte geringe Gewinn von zuletzt rd. 38.000 EUR tatsächlich richtig sind, ist es weder geboten noch gerechtfertigt, im Rahmen der Prüfung eines angemessenen Sicherheitszuschlags maßgeblich auf die Höhe des durch den Kläger ursprünglich erklärten Gewinns von rd. 38.000 EUR abzustellen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; AO § 162 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.06.2019; Aktenzeichen X B 76/18)

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob bzw. inwieweit der Beklagte zur Hinzuschätzung in Form eines Unsicherheitszuschlags von 10 % der erklärten Umsätze des Bereiches Video/Kino berechtigt war.

Der Kläger betrieb im Streitjahr 2004 –organisatorisch getrennt– mehrere Erotikmärkte unter einer einheitlichen Firmierung.

Den Markt in A., der in einen Shop-Bereich und einen Bereich mit Videokabinen und Erotikkino (Video/Kino) unterteilt war, veräußerte der Kläger im Streitjahr für 800.000 EUR.

Zeitgleich mit dem Verkauf vereinbarte der Kläger mit der Käuferin einen Franchisevertrag. Er räumte ihr u.a. die Nutzung des Namens „Erotik-Markt A” ein. Die Käuferin verpflichtete sich, das Geschäftslokal entsprechend den vom Kläger gegebenen Anweisungen u.a. hinsichtlich des Gebrauchs des Namens, der Wortzeichen, der Werbesätze und der Bilder einzurichten, auszustatten und zu erhalten. Dadurch sollte das Markenbild des Franchisegebers in Erscheinung treten. Insbesondere waren im Rahmen der Außenwerbung mindestens die angebrachten neonhinterleuchteten Tafeln mit dem Markenzeichen „B” beizubehalten. Der Franchisevertrag wurde auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Das Entgelt betrug monatlich 3.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer.

Der Kläger gab im Rahmen seiner Erklärung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 43.269 EUR an, der auf seinen Antrag hin in einem Änderungsbescheid auf 38.054,16 EUR reduziert wurde. Das für die Veräußerung des Markts vereinbarte Entgelt erklärte der Kläger nicht.

Aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung des Streitjahres kam der Beklagte zu der Ansicht, der Gewinn aus der Veräußerung des Markts sei als laufender Gewinn zu versteuern. Denn der Kläger habe nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert. Schließlich sei über den Ruf und Namen des Markts nur ein Franchisevertrag abgeschlossen worden.

Nach den weiteren Feststellungen der Außenprüfung sei die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben. Denn die Geldspeicher der Automaten, die als Kassen anzusehen seien, seien in unregelmäßigen Abständen (maximal einmal wöchentlich) geleert, Münzen und Geldscheine ohne eigene Zählung bei der Bank abgeliefert und dort gutgeschrieben worden. Nur durch Addition der Bankgutschriften und de...

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