Leitsatz

Jedenfalls nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 konnte das FA den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die von der GmbH geschuldeten LSt nicht abgeführt hat, nicht mit Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Die Haftungsschuld war keine Masseverbindlichkeit. Die bloße Duldung der Geschäftsführertätigkeit durch den Insolvenzverwalter erfüllte nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. InsO.

 

Normenkette

§ 35 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 1, § 38, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 60, § 80 InsO, § 34, § 69 AO

 

Sachverhalt

LSt waren vom Geschäftsführer einer GmbH pflichtwidrig nicht an das FA abgeführt worden. Beitreibungsversuche blieben erfolglos. Das FA erließ deshalb, da sich jener Geschäftsführer selbst in Insolvenz befand, gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Geschäftsführers einen Haftungsbescheid in der Meinung, es handle sich bei der Haftungsschuld des Geschäftsführers um eine sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO). Die Haftungsschuld sei zwar nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters, jedoch "in anderer Weise" durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden, denn sie stehe in direktem Zusammenhang mit dem laufenden Arbeitseinkommen des Geschäftsführers, das der Masse als Neumasseerwerb zugeflossen sei. Das FA sei insoweit Neumassegläubiger.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.2008, 5 K 2040/08, Haufe-Index 2099978). Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig, weil die vom Insolvenzschuldner begründete Haftungsschuld keine Masseverbindlichkeit darstellt.

 

Hinweis

Was der Insolvenzschuldner während des Insolvenzverfahrens erwirbt, fällt nach der Insolvenzordnung in die Insolvenzmasse. Auf den ersten Blick mag es deshalb nahe liegen, auch Schulden, die der Insolvenzschuldner im Zusammenhang mit einem solchen Neuerwerb begründet, der Masse als Masseverbindlichkeiten zuzuordnen. Das hat jedoch in der Insolvenzordnung keine Rechtsgrundlage: Selbst wenn der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner bestimmte Gegenstände freigegeben hat, um eine wirtschaftliche Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, und erst recht, wenn der Insolvenzschuldner ohne eine solche Freigabe eine Berufstätigkeit ausführt – was ihm der Insolvenzverwalter nicht verwehren und was er auch nicht weiter beeinflussen kann –, sind in diesem Zusammenhang begründete Verbindlichkeiten außerhalb des Insolvenzverfahrens zu befriedigen, ebenso wie es bei Schadenersatzansprüchen der Fall wäre, die der Insolvenzschuldner z.B. durch einen Autounfall gegen sich begründet.

Nach § 35 Abs. 2 InsO in der seit 01.07.2007 geltenden Fassung besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter die Übernahme bestimmter, durch eine selbstständige Tätigkeit vom Insolvenzschuldner begründete Verpflichtungen erklärt. Diese Vorschrift war im Entscheidungsfall noch nicht anzuwenden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.07.2009 – VII R 49/08

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